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 Der Gott von Bombay


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Sartaj Singh und sein Gehilfe Katekar ermitteln in einem Mord in einem Viertel der Bangladeshi, als sie einen Tipp bekommen. Der gefürchtete Anführer der mächtigen G-Gang in Bombay, Ganesh Gaitonde, ist in der Stadt und allein in seinem zu einem Bunker umgebauten Haus. Der Sikh Singh und Katekar umstellen das Haus und versuchen, Gaitonde zum Aufgeben zu bewegen. Doch der gefürchtete Gangsterboss gibt nicht auf, niemals. Er erzählt Singh in der glühenden Hitze des Tages stundenlang aus seinem Leben. Breitet vor dem geduldigen Polizisten seine Ursprünge, seine ersten Morde und seinen Weg an die absolute Macht aus. Er redet über die Sprechanlage des Hauses mit Singh wie mit einem alten Freund. Doch gegen Abend, als schwereres Räumgerät eintrifft und es nur noch Minuten dauern wird, bis die Polizisten die Festung Gaitondes niederreißt, endet die einmalige Karriere eines der mächtigsten Verbrecher Bombays. Er ergibt sich nicht, sondern erschießt sich.
Singh kann nicht verstehen, warum Ganesh nicht den Kampf aufgenommen hat und versucht mehr über diesen Mann und seinen Werdegang herauszufinden.
Zu seiner Überraschung tritt Anjali Mathur, eine Agentin des staatlichen Nachrichtendienstes, an ihn heran und beauftragt Sartaj mit weiteren Ermittlungen. Er soll herausfinden, wer die junge Frau war, die man ebenfalls erschossen in dem Haus Gaitondes gefunden hat und warum der Gangsterboss in die Stadt zurückgekehrt war. Höchste Geheimhaltung wird ihm auferlegt und nur ihr soll er Bericht erstatten.
Singh ahnt nicht, worauf er sich bei diesen Nachforschungen einlässt und wie gefährlich sein Wissen für einige der mächtigsten Hintermänner Bombays, ja des ganzen Staates zu sein scheint.

Auf über 770 Seiten breitet Vikram Chandra ein Kaleidoskop Indiens vor dem Leser aus. Er schildert in einer fast epischen Breite Lebensumstände in einer Stadt, die so gigantisch, so einmalig, so verkommen ist, wie kein zweiter Ort auf Erden. Die riesige Metropole wird durch die metaphernreiche, lebendige und fast an ein Märchen erinnernde Schreibweise des Autors zu einem lebendigen Wesen, zu einem Gebilde aus Menschen und ihren Hoffnungen.
Unzählige Personen betreten die Bühne dieses Buches, werden ausführlich und erschöpfend charakterisiert und in das Geschehen eingeordnet. Mit bewundernswerter schöpferischer Kraft entsteht vor dem geistigen Auge des Lesers eine völlig fremde Welt. Sie wird in hunderten, wenn nicht tausenden Facetten aus immer neuen Blickwinkeln betrachtet. Doch Chandra vermeidet längere Erläuterungen, Passagen der Erklärung oder seitenlange Berichte. Er vermittelt diese Stadt, ihre Gesetze und fremdartigen Mechanismen allein durch die Menschen, die er auftreten lässt. Allein durch die Lebensweise der einzelnen Charaktere, durch ihre Augen hindurch betrachtet der Leser Bombay. Durch den dauernden Perspektivwechsel vermeidet der Autor Langeweile, Wiederholungen und Redundanzen.
Leider setzt Chandra auch viel voraus. Er benutzt zahlreiche Worte der Landessprache und der unzähligen Idiome dort. Immer wieder stolpert man über Wörter, Teilsätze und Passagen, die unverständlich sind. Zwar gibt es einen erschöpfend ausführlichen Anhang, der alle Wörter, Personen und Ausdrücke erläutert, aber das andauernde Suchen und "Übersetzen" macht das Lesen - vor allem am Anfang des Buches - zu einer Fleißaufgabe. Hier wären eingedeutschte Wörter, Erklärungen in Klammern oder Fußnoten hilfreicher gewesen.
Doch Chandra gelingt es dennoch mit Leichtigkeit, den Leser gefangen zu nehmen von dieser Welt, die so fremd, so anders, so seltsam funktioniert und doch so verständlich und logisch vor dem Leser aufgebaut wird.
Chandra, der an der "University of California" Creative Writing unterrichtet, gelingt ein beeindruckender Blick auf "seine" Stadt. Bombay wird zu einem Kaleidoskop der Sehnsüchte und Machtgelüste, der Intrigen und der politischen Ränkespiele, wird zu einem lebendigen Lebensraum von Millionen von Menschen.

Fazit: Dieser Roman ist ein beeindruckendes Beispiel für Chandras Fähigkeit, viele einzelne Geschichten aus seiner Heimat zu einem großen Ganzen zu verweben. Das Ergebnis ist spannend, lehrreich und emotional mitreißend. Nur selten ärgert man sich über die verwendeten Begriffe, die im Anhang der Erklärung harren, nur selten ist eine Geschichte gar zu lang zu weit fortführend von dem zentralen Erzählstrang.

Stefan Erlemann



Hardcover | Erschienen: 01. September 2006 | ISBN: 3351030916 | Originaltitel: Sacred Games | Preis: 24,90 Euro | 850 Seiten | Sprache: deutsch

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