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 Das Spiegellabyrinth


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Brutalität
Gefühl
Spannung


"Alice im Wunderland" von Lewis Carroll ist eines der berühmtesten Kinderbücher überhaupt. Frank Beddor hat sich diesen Roman und seine Fortsetzung "Alice hinter den Spiegeln" als Grundlage für seine ganz eigene Version der Geschichte um Alice vorgenommen.

Das Buch, das Lewis Carroll geschrieben hat, ist nämlich völlig falsch erzählt. Und Alice schreibt sich ganz anders, nämlich Alyss. Als das siebenjährige Mädchen das Buch "Alice im Wunderland" in der Hand hält, ist sie schockiert. Sie hat alles genau so erzählt, wie es passiert ist, aber die lustigen Bilder und albernen Figuren des Romans sind einfach nur Nonsens! Nichts ist so, wie es sein sollte. Wie schon alle anderen Menschen glaubt ihr auch Carroll die Geschichten nicht, die sie von ihrer Heimat, dem Wunderland, zu erzählen hat.

Bis vor Kurzem lebte sie noch als Tochter von Herzkönigin Genevieve und Herzkönig Nolan in einem riesigen Palast und wurde darauf vorbereitet, irgendwann den Thron ihrer Mutter zu übernehmen. Doch an ihrem siebten Geburtstag bricht in Wunderland ein Krieg aus. Ihre Tante Redd, die der schwarzen Seite der Imagination verfallen ist, reißt mit Gewalt die Macht an sich. Alyss’ Mutter und Vater hat sie kaltblütig ermordet. Gerade noch hat die junge Prinzessin mit ihrem besten Freud Dodd gespielt und zugesehen, wie die neuesten Erfindungen in den wertvollen, weiß strahlenden Herzkristall eingespeist werden. Im nächsten Augenblick kriegt sie nur noch mit, wie der Leibwächter der Königin, Mac Rehhut, den Auftrag bekommt, Alyss’ Leben beschützen. Er flüchtet mit ihr durch den Tränensee in unsere Welt. Sie landet im viktorianischen London, allerdings ohne Mac. Dieser ist in einem anderen Teil der Welt gelandet und macht sich auf die Suche nach der Prinzessin. Alyss ist also auf sich gestellt. Zuerst schließt sie sich einer Gruppe Straßenkinder an, dann kommt sie in ein Waisenhaus und wird schließlich von Familie Little adoptiert. Dort wächst sie auf und lernt langsam, ihre Wunderland-Erinnerungen hinter sich zu lassen, ist sie sich doch selber nicht mehr sicher, ob sie sich alles nicht nur eingebildet hat.

Währenddessen hat Redd sich im Wunderland selbst zur Königin erklärt und eine wahre Schreckensherrschaft begonnen. Furcht und Angst sind in Wundertropolis, der Hauptstadt des Landes, an der Tagesordnung. Doch eine kleine Gruppe von Kämpfern gegen das Böse hat sich zusammengerottet und kämpft verbittert gegen Redds Armeen. Sie nennen sich die Alyssier und warten sehnsüchtig auf die Rückkehr ihrer Prinzessin.


"Das Spiegellabyrinth" hat wenig mit dem Original von Carroll zu tun. Der englische Titel "The Looking Glass Wars" (in Deutsch etwa: "Die Spiegel-Kriege") drückt sehr genau aus, worum es geht: um einen Krieg mit all seinen Schrecken.

Zwar kommen alle wichtigen Figuren aus "Alice im Wunderland" vor, doch sind sie auf bizarre Weise verändert. Das weiße Kaninchen ist Alyss’ albinohafter Hauslehrer und der verrückte Hutmacher ist zur reinen Kampfmaschine mutiert. Seinen Zylinder kann er zusammenfalten und als Klingenscheibe verwenden. Dazu befinden sich an seinen Armen weitere Klingen und er ist mit unzähligen Dolchen bewaffnet. Zwiddeldumm und Zwiddeldei, die zwei kugelrunden, liebenswerten Brüder, sind zu General Doppelgänger geworden, der sich in General Doppel und General Gänger zerteilen kann. Die erschreckendste Verwandlung ist aber die der Grinsekatze. Sie nennt sich jetzt schlicht "der Kater" und ist eine Mischung aus Mensch und Raubkatze mit grausamen, scharfen Krallen. Er dient Redd, die natürlich die Herzkönigin verkörpert. Allerdings nimmt diese neue Version der königlichen Spielkarte den Satz "Schlagt ihr den Kopf ab!" wesentlich ernster.

Wer "Das Spiegellabyrinth" liest, findet sich in einer Mischung aus Horrorroman und Cyber-Punk-Geschichte wieder. Die Kriegsszenen sind allesamt sehr blutig und oft detailreich ausformuliert. Wie der Autor schon in einer kurzen Einleitung zum Buch betont, ist "die wahre Geschichte von Wunderland voll Blutvergießen, Mord, Rache und Krieg". Wer eine zarte und seichte Neuinterpretation von "Alice" erwartet, sollte lieber die Finger von diesem Buch lassen. Auch wer gelungene Wortspielereien sucht oder die Geschichte gerne auf dem heimischen Schachbrett nachstellen möchte, wird hier sehr enttäuscht.

Beddors Alyss-Geschichte empfiehlt sich für Leser, denen "Alice im Wunderland" zu rätselhaft und kindisch ist. Hier kriegen sie eine wirklich stahlharte Story geboten, denn das Buch strotzt vor Kampfszenen und Action. Alice ist erwachsen geworden.

Bine Endruteit



Taschenbuch | Erschienen: 01. November 2005 | ISBN: 342324500X | Originaltitel: The Looking Glass Wars | Preis: 14,50 Euro | 315 Seiten | Sprache: Deutsch

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