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 Die Anatomiestunde

Autoren: Philip Roth
Übersetzer: Gertrud Baruch
Verlag: Rowohlt Tb

Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Gefühl
Humor
Spannung


Nathan Zuckerman ist ein bekannter und erfolgreicher Schriftsteller. Mit seinem Buch "Carnovsky" gelang ihm der Durchbruch. Er wollte darin, ganz allgemein, jüdisch-amerikanische Familien beschreiben. Aber was ihm in der Literatur Erfolg brachte, führte zum Zerwürfnis mit seiner Familie, denn die sieht sich selbst darin beschrieben und bloßgestellt. Selbst auf dem Sterbebett konnte Nathans Vater ihm nicht verzeihen und Nathans Bruder Henry macht noch immer "Carnovsky", und damit also Nathan für die tödliche Koronarthrombose des Vaters verantwortlich.

"Seit dem Tag, an dem sein Vater ihn zum letzten Mal geschmäht hatte", hat Nathan "keine einzige Seite geschrieben, die etwas taugte ..." und zu allem Überfluss quälen ihn unergründliche Rücken- und Nackenschmerzen. Denen versucht er mit Halskrause, besonderen Kopfkissen, Tabletten und Alkohol sowie unzähligen Sprechstunden bei unzähligen Ärzten zu Leibe zu rücken. Aber all das hilft nichts. Der Sinn der Schmerzen bleibt Nathan verborgen, ebenso wie den Ärzten die Ursache. Seine einzige Freude oder auch "nützliche Betätigung ... um die endlosen Stunden des Tages durchzustehen" ist Cunnilingus mit einer seiner Frauen, die ihm an und auf seiner Spielmatte Gesellschaft leisten: Gloria, das verkommenste Weibstück, das ihm je begegnet und die außerdem die Frau seines Finanzberaters ist; die mit ihrem Mann aus Polen geflüchtete Jaga; und die Studentin Diana, die ihn für die Collegezeitung interviewen will.
Neben seiner ihn verschmähenden Familie, der Schreibblockade und den ständigen Schmerzen macht ihm auch noch der Kritiker Milton Appel das Leben schwer.

Die Menschen um Nathan herum haben ihre eigenen Erklärungen für die medizinisch unerklärlichen Schmerzen und diese Erklärungen heißen vor allem: schlechtes Gewissen wegen seines Romans "Carnovsky". Aber Nathan glaubt nicht daran und auf der Spielmatte liegend, beschließt er nach Chicago zu gehen und Medizin zu studieren.

Roths Thema der amerikanischen Juden und hierbei vor allem der amerikanisch-jüdischen Söhne ist auch in "Die Anatomiestunde" zentral. Und wenn der Erzähler sagt: "Ein Vater, Amerikaner in erster Generation, besessen von den jüdischen Dämonen, und ein Sohn, Amerikaner in zweiter Generation, besessen von der Austreibung dieser Dämonen - das war sein einziges Thema", könnte man meinen es ist Roth selbst, der da über sich spricht. Zwar ist die Austreibung der Dämonen nicht sein einziges Thema, aber zentral ist es in den meisten, wenn nicht in allen seiner Bücher.

Nathan Zuckerman ist nicht nur Protagonist in diesem Roman, sondern auch in zwei anderen Romanen von Roth, die sich alle zusammen die Zuckerman-Trilogie nennen. "Die Anatomiestunde" ist der letzte Roman dieser Trilogie. Er ist in sich geschlossen und damit auch verständlich, wenn man die anderen beiden Bücher nicht gelesen hat.
Obwohl Philip Roth ein wirklich guter Schreiber ist und in der personalen Perspektive gekonnt die Ich-Perspektive unterbringt, vermag das Buch nicht wirklich zu begeistern. Zum einen kann der Protagonist mit seiner ständigen Wut, dem ständigen Selbstmitleid und der Vulgarität dem Leser manchmal auf die Nerven gehen. Zum anderen ist die Idee sehr auf den inneren Prozessen des Protagonisten Nathan Zuckerman aufgebaut. Die äußere Welt wird dabei oftmals vernachlässigt und die angesprochenen inneren Prozesse bedeuten absolute Subjektivität. Und der würde man sich manchmal lieber entziehen, denn was hat der Leser davon, einem jämmerlich heulendem Protagonisten zuzuhören?

Philip Roth ist ein wirklich guter amerikanischer Autor, der es absolut verdient hat, gelesen zu werden. Andere Romane von ihm eignen sich jedoch sicher mehr zum Kennenlernen.

Katja Maria Weinl



Taschenbuch | Erschienen: 01. August 2004 | ISBN: 9783499236655 | Originaltitel: The Anatomy Lesson | Preis: 9,90 Euro | 371 Seiten | Sprache: deutsch

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