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 Inferno, Band 1: Inferno

Serie: Inferno, Band 1
Autoren: Edward Lee
Übersetzer: Elli Stern
Verlag: Heyne

Cover
Gesamt ++---
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Die wahre Großstadthölle.

Lissa und Cassie sind Zwillingsschwestern, die sich ihre Freizeit im düsteren Washington D.C. am liebsten in Gothic-Clubs vertreiben. Die Stadt und das Leben haben beide Mädchen gezeichnet - besonders aber Cassie, die unter starken Depressionen leidet, mehrere Selbstmordversuche und Klinikaufenthalte hinter sich und jede Menge Psychopharmaka in sich hat. Cassie hat das Gefühl, in Lissas Schatten zu stehen, die vielleicht nicht hübscher (Lissa besteht auf Partnerlook), aber doch offener ist und die Gabe hat, Menschen zu faszinieren. Dass auch Lissa ihre tiefen Schattenseiten hat, wird Cassie zu spät bewusst.
Als Lissa und ihr Freund Cassie Drogen in ihr Bier mischen, nimmt das Unglück seinen Lauf. Lissas Freund versucht Cassie zu verführen. Die willigt ein, in der Annahme, er und Lissa führen eine offene Beziehung. Das war natürlich nur eine dreiste Lüge, um zumindest eine der Zwillinge ins Bett zu bekommen - als Lissa die beiden dann im wahrsten Sinne des Wortes mit runtergelassenen Hosen erwischt, kommen ihre Depressionen zum Vorschein. Sie erschießt erst ihren Freund und dann sich selbst.

Nach diesem Ereignis leidet Cassie unter Schuldgefühlen und Alpträumen. Aber ihr Vater findet eine Lösung, sie zumindest aus ihrem psychischen Tief zu holen - beide ziehen in ein altes Haus auf dem platten Land, irgendwo im Süden der USA. Cassie findet schnell heraus, dass Blackwell Hall früher einem Satanisten gehörte, der dem Teufel neugeborene Babys opferte - und dass sie drei Untermieter im Haus haben, die allerdings nur sie selbst sehen kann. Denn Via, Hush und Xeke sind tot. Die drei Exilbürger der Hölle haben in Cassies Haus, einem Totenpass, Unterschlupf gesucht. Nun bieten sie Cassie an, sie in die Hölle, in eine gigantischen Stadt mit Namen Mephistopolis, mitzunehmen, um dort nach ihrer Schwester zu suchen. Denn Cassie ist eine Tochter des Äthers, sie kann zwischen den Welten pendeln - und vermag noch einiges mehr, denn in ihr lauern geheime Kräfte, die sich die Mächte der Hölle gern zu eigen machen möchten.

Dieser erste Band aus der Inferno-Reihe von Edward Lee hinterlässt gemischte Gefühle. Der Klappentext klingt vielversprechend und preist den Autoren als einen Meister der Gothic Fantasy.
Zunächst kann man sich fragen, ob der Roman wirklich in diese Kategorie gehört, nur weil die Heldin sich dieser Szene zugehörig fühlt (die meiste Zeit zeigt sich dies, indem sie schwarze Sachen trägt und Musik dieser Richtung hört).
Als nächstes fällt der Stil auf, der flüssiger sein könnte - ob dies aber am Autor oder an der Übersetzung liegt, kann hier nicht beurteilt werden. Der nicht ganz überzeugende Stil zeigt sich besonders negativ in der Beschreibung der Hölle. Die bleibt erstaunlich blass und der Leser kann Cassies Gefühle (meistens Brechreiz) nicht wirklich nachvollziehen. Genauere Beschreibungen aus der Sicht Cassies, in Verbindung mit ihren Gefühlen, oder ein etwas subtilerer Stil wären hier vielleicht besser gewesen. Auch scheint der Autor nicht so ganz sicher zu sein, was er mit der Hölle anfangen will. An einigen Stellen wirkt sie, durch den massiven Einsatz von Gewalt und Grausamkeit, makaber überdreht. An anderen Stellen kann man kaum Unterschiede zu unserer Welt feststellen und die Hölle wirkt beinahe nett. Hier hätte sich der Autor für eine Seite entscheiden und diese dann durchhalten sollen. Und auch die häufigen Gewaltdarstellungen machen die Hölle nicht unheimlicher - Horror bedeutet für jeden etwas anderes - und überdrehte Gewalt ist nicht immer das Grausamste.

Dass die Charaktere genauso blass bleiben und etwas scherenschnittartig wirken, fällt dann kaum noch ins Gewicht. Obwohl es nicht ganz verständlich wird, wieso sich Cassie beim Anblick der Hölle ständig der Magen umdreht, sie aber keine Probleme hat, Leuten mit ihren Kräften die Köpfe explodieren zu lassen (oder ähnliches), bleibt offen.
Etwas seltsam wirkt auch, dass einer von Cassies Freunden zwar behauptet, wenn alle Religionen an eine Hölle glauben, müsse es sie ja geben - bei dieser Hölle aber eindeutig nur christliche Maßstäbe angesetzt werden.
Merkwürdig ist in dem Zusammenhang auch das Verhältnis des Autoren zum Thema Sex. In der ersten Hälfte des Buches wird er prüde ausgeblendet, um dann am Ende als infernalisch und dämonisch in allen Einzelheiten beschrieben zu werden.
Oder Lissa, die immer wieder als arme Selbstmörderin in der Hölle beschrieben wird - da scheinen Autor und Cassie zu vergessen, dass Lissa nicht nur sich selbst, sondern auch noch ihren Freund ermordet hat. Zudem bekommt man beim Lesen das Gefühl, wenn man schon gesündigt hat, sollte man noch ein paar schlechte Taten obendrauf legen, um wenigstens einen angenehmen Platz in der Hölle zu bekommen.

Trotz dieser Mängel kann das Buch ganz nett unterhalten. Es hat durchaus seine spannenden, sogar einige gruselige Stellen und liest sich recht flüssig. Dass es der erste Teil einer Reihe ist, merkt man der Handlung an, geht es doch vor allem darum, die Hölle und Cassies Kräfte vorzustellen. Wer von dem Buch nicht zu viel erwartet, kann sich damit die Zeit gut vertreiben. Überragende Literatur - egal welchem Genre zugehörig - findet man jedoch nicht.

Susanne Fischer



Taschenbuch | Erschienen: 01. Mai 2006 | ISBN: 9783453532304 | Originaltitel: City Infernal | Preis: 7,95 Euro | 351 Seiten | Sprache: Deutsch

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