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 Sommer der Nacht

Autoren: Dan Simmons
Übersetzer: Joachim Körber
Verlag: Heyne

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Dan Simmons ist für hochklassige Science Fiction á la "Endymion" zu Recht berühmt. Mit "Sommer der Nacht" legt Heyne ein fünfzehn Jahre altes Buch neu auf, die Fortsetzung "Im Auge des Winters" kommt gerade zum ersten Mal auf Deutsch heraus.

Es geht um einen Sommer im vor sich hin sterbenden Elm Haven irgendwo im mittleren Westen der USA. Wir schreiben 1960 und die Schulferien beginnen. Eine fantastische Zeit für die sechs Jungen, die zu den Hauptfiguren des Buches werden. Aber an diesem letzten Schultag in Old Central - einem unheimlichen alten Schulbau, der ausgedient hat - geschieht etwas seltsames. Tubby Cooke, der kleine Bruder der seltsamen Cordie, verschwindet, kommt nicht mehr von der Toilette wieder. Cordies Klassenkameraden Duane, Dale, Jim und Kevin werden aufmerksam und kommen mit zwei weiteren Freunden, ihrem Anführer Mike und dem Nesthäkchen Lawrence, Dales kleinem Bruder, bald einer unheimlichen Sache auf die Spur.

Mike will der Sache nachgehen, schickt seine Jungs auf die Spuren des unheimlichen Hausmeisters und der Grunschullehrerin. Jim Harlen, der die Sache eigentlich gar nicht so richtig ernst nimmt, verfolgt dann doch, weil neugierig geworden, die Grundschullehrerin, die doch eigentlich nichts in der alten Schule zu suchen hat. Er klettert die Fassade herauf, schaut in sein altes Klassenzimmer herein und sieht etwas schreckliches. Sekunden später stürzt er und wird erst am nächsten Morgen gefunden.

Duane, der dickliche, hochintelligente Mastermind der Gruppe, recherchiert über Old Central, entdeckt Geschichten über eine unheimliche Glocke aus alter Zeit. Und dann wird er fast von Van Syke, dem Hausmeister, überfahren, und das mit Sicherheit nicht zufällig. Bald stirbt sein Onkel Art, der in seiner Bibliothek ein Buch gefunden hatte, dass Duane gut brauchen konnte, bei einem Autounfall. Und die Jungs sind sich sicher, dass der lebenslustige Onkel Art von der Straße gedrängt wurde ...

Was für eine dichte morbide Atmosphäre Dan Simmons da aufbaut, ist schon faszinierend. Alle Jungs haben ihre Stärken, ihre Ängste, alle werden immer wieder mit Schrecken konfrontiert, die es wirklich in sich haben. Dabei beginnt der Roman noch ein bisschen behäbig, baut die Charaktere langsam auf - man muss sechs Protagonisten ja auch erstmal kennen lernen. Aber bald legt er an Fahrt kräftig zu, lässt das Grauen erkennen, das sich in die Kleinstadt eingenistet hat, und den verzweifelten Kampf der Jungs. Ganz nebenbei gibt es auch die Schwierigkeiten der beginnenden Pubertät und der endenden Kindheit, einen alkoholkranken Vater, eine Mutter, die ständig neue Bekanntschaften macht, und eine Großmutter, die nach drei Schlaganfällen völlig gelähmt ist, alle diese mehr oder weniger alltäglichen Probleme der Jungs werden angeschnitten, spielen in die Geschichte hinein, werden gut erzählt.

Das eigentlich größte Problem des Buches ist der sich so sehr aufdrängende Vergleich zu einem wahren Meisterwerk der Phantastik, zu Stephen Kings "Es". Beide Bücher spielen in der Vergangenheit ("Es" drei Jahre früher), beide Bücher haben eine Gruppe von Kindern als Protagonisten, beide Bücher drehen sich um ein großes Übel, das sich in eine kleine Stadt eingeschlichen hat, das sich da auch schon seit längerem befindet, beide Bücher spielen in einem Sommer - da mag man nicht so sehr an Zufall glauben. Aber das Schlimmste ist, wo Dan Simmons eine düstere Atmosphäre schafft, ist bei King alles noch viel existenzieller, wo man die Jungs bei Dan Simmons kennen lernt, hat man bei King schon Freunde fürs Leserleben gefunden. Überall wo Simmons punkten kann, ist King einfach noch ein bisschen - und auch gern mal mehr als ein bisschen - besser.

Ein wirklich gutes Horrorbuch ist "Sommer der Nacht" trotzdem. Ein gehöriger Grusel- und Ekelfaktor für die Fans von gutem Horror, aber auch tolle Charakterstudien, jede Menge Spannung und immer noch ein gerüttelt Maß Humor - das macht es zu einem sehr empfehlenswerten Buch. Ein Meisterwerk, wie die Buchrückseite anpreist, ist es nicht.

Holger Hennig



Taschenbuch | Erschienen: 01. August 2006 | ISBN: 9783453565050 | Originaltitel: Summer of Night | Preis: 9,95 Euro | 797 Seiten | Sprache: Deutsch

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