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 Der Vorleser

Autoren: Bernhard Schlink
Verlag: Diogenes

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Mit diesem Buch wurde aus einem hochgeachteten Juristen ein bekannter Schriftsteller. "Der Vorleser" ist heute eine gern genommene Schullektüre - und eine, die den meisten Schülern angenehm in Erinnerung bleibt, was ja leider eine Ausnahme ist.

Michael ist fünfzehn, als er auf der Straße umkippt. Er hat Gelbsucht, ist für die nächsten Monate krank. Eine Frau bemerkt seinen Zusammenbruch, bringt ihn zu den Eltern. Als er sich nach Monaten erholt hat, bringt er ihr einen Blumenstrauß zum Dank - und verliebt sich in die zwanzig Jahre ältere Frau. Sehr schnell landen die beiden im Bett und haben eine durch und durch sexuelle Beziehung, die sich die nächsten Monate hinzieht - sie fahren sogar gemeinsam in einen kleinen Urlaub -, bis Hanna, so heißt sie nämlich, plötzlich verschwindet. Erst nach einigen Jahren, inzwischen Jurastudent, sieht Michael sie wieder, als Angeklagte in einem KZ-Prozess. Sie war Aufseherin in Auschwitz.

Das Reifeprüfungsszenario mit dem KZ-Thema gemixt, das klingt nicht unbedingt wie ein Erfolgsrezept, ging aber für Bernhard Schlink voll auf. Der Roman klingt immer glaubhaft - die einfache, klare Sprache hilft dabei - und unkonstruiert, und das, obwohl eine großartige Konstruktion dahinter steht. Themen wie Liebe, Schuld und den Einfluss, den die Tatsache haben kann, dass ein Mensch, der nicht über alle Kommunikationsmittel verfügt - Hanna ist Analphabetin -, in eine Isolation getrieben wird.

Mag der recht kurze Roman - 206 locker gedruckte Seiten - auch nicht so wirklich über eine gewohnte Dramaturgie verfügen, und auch wenn ein paar Gegebenheiten ein wenig unmotiviert klingen, zum größeren Teil sind die Charaktere sehr schlüssig, die Geschichte spannend und immer wieder auch überraschend. Die Konfrontation mit einer Täterin der KZs ist ungewohnt, aber in jedem Fall auch nötig. Allerdings ist der Grad der Entschuldigung, die Hanna abbekommt, schon unerwartet groß.

"Der Vorleser" ist mit Sicherheit ein lesenwertes Buch, spannend, mit guter Sprache und einer wirklich interessanten Geschichte. Es hinterlässt Nachdenklichkeit, wirkt noch länger nach.

Holger Hennig



Taschenbuch | Erschienen: 01. Mai 1997 | ISBN: 9783257229530 | Preis: 8,90 Euro | 206 Seiten | Sprache: Deutsch

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