Mit Hörspielen wie "Jack the Ripper - Die Geschichte eines Mörders", "Der Vampyr" oder "Die vergessene Welt" erregte das kleine Label "Ripper Records" die Aufmerksamkeit des deutschen Hörbuchmarktes. Im September 2006 ließ das Label seine neuste Produktion vom Haken - das Hörspiel "Gesucht: Billy the Kid", das die kurze Lebensgeschichte des berüchtigten Wildwest-Helden William Bonney erzählt.

William Bonney ist gerade einmal 21 Jahre jung, als man den unter dem Namen "Billy the Kid" bekannt gewordenen Ganoven endlich schnappen kann. Er wird zum Tode verurteilt, doch während er auf die Vollstreckung dieses Urteils wartet, erzählt er seinem Wärter in Rückblenden die Geschichte seines Lebens. Von seiner unglücklichen Kindheit, guten Freunden, die zu Verrätern wurden, dem Kampf ums Überleben. Der Wärter ist fasziniert von dem Kleinen und lässt ihn ohne große Unterbrechungen seine Geschichte erzählen - eine Geschichte, die Billy auf eine Art und Weise erzählt, dass man ihm seine Untaten, ja nicht einmal seine Morde wirklich übelnehmen kann. Kann William Bonney für das, was er getan hat, überhaupt verurteilt werden? Ist seine Situation nicht eher die Folge der gesellschaftlichen Missstände im Wilden Westen?
Bald schon stellt sich die Frage: War Billy tatsächlich der psychopathische Mörder, für den ihn alle gehalten haben, oder doch einfach nur ein junger, naiver Mann, der als Verbrecher einen Ausweg aus seiner Situation suchte?

Selbst heute ist eine Antwort auf diese Frage nicht von vornherein bestimmbar - für die einen ist und bleibt Billy the Kid ein unberechenbarer Mörder, für die anderen war er ein Opfer seiner Gesellschaft und gilt damit als Held. Tatsächlich kann man bis heute lediglich vier der angeblich einundzwanzig Morde, die William Bonney begangen haben soll, faktisch nachweisen, wodurch die Frage nach Billys Geisteszustand oder Schuld berechtigte Zweifel aufwirft. Im Laufe der Jahre nach Williams Bonneys Tod sind so viele Legenden und Geschichten um den Revolverhelden geschmiedet worden, dass man bald schon nicht mehr auseinanderhalten konnte, was denn nun Fiktion war und was sich tatsächlich so zugetragen hat, wie man es erzählt. Die Hörspielproduktion "Gesucht: Billy the Kid" hat all diese Geschichten über den jungen Ganoven zusammengetragen und sie zu einer Gesamthandlung verarbeitet, die aber - ist man über die aktuellen Nachforschungen zu Billy the Kid informiert - allzu schnell erkennen lässt, dass sie oftmals auf Thesen beruht, die mittlerweile verworfen wurden. So geht man heute zum Beispiel davon, dass Pat Garrett, jener Mann, dem Billy schlussendlich zum Opfer fällt, keinesfalls ein guter Freund des Revolverhelden gewesen ist, sondern allerhöchstens ein flüchtiger Bekannter. Derartige Handlungselemente machen das Hörspiel jedoch keineswegs weniger authentisch - schließlich wird man sich wohl nie sicher sein können, welche Legenden und Erzählungen über Billy the Kid denn nun stimmen und welche nicht. Diejenigen, die im vorliegenden Hörspiel erzählt werden, ergeben zumindest einen in sich stimmigen und authentisch wirkenden Zusammenhang. Die Tatsache, dass hier auf zwei CDs Billy the Kids gesamtes - wenn auch nicht sonderlich langes - Leben erzählt wird, führt jedoch zu einem der wenigen wirklichen Kritikpunkte, die man an dem Hörspiel üben kann: Es hat kein Ziel. Und darunter, dass die Geschehnisse größtenteils chronologisch wiedergegeben werden, leidet leider mitunter der Spannungsbogen, der oftmals absackt.
An den Sprechern der Produktion liegt dies jedoch keinesfalls - sieht man sich die Übersicht der Rollen und ihrer Sprecher an, so liest diese sich beinahe wie ein "Who is Who" des Hörspiels. Sven Plate in der Rolle des jungen Ganoven sowie Helmut Krauss, Martin Semmelrogge, Lutz Riedel, Andreas Fröhlich, Charles Rettinghaus und viele andere lassen die zahlreichen Figuren, die Billys Leben beeinflussten, akustisch und vor allem sehr überzeugend zum Leben erwachen. Abgerundet wird das stimmige Bild schließlich von wunderbaren Musikeinspielungen, die den Wilden Westen endgültig vor dem inneren Auge des Hörers Wirklichkeit werden lässt.

Fazit:
Ein wunderbar stimmiges Hörspiel mit zahlreichen professionellen Sprechern, dessen einziger Kritikpunkt der nicht immer vorhandene Spannungsbogen ist.