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 Der Selbstmörderclub

Autoren: Robert Louis Stevenson
Sprecher: Andreas Petri
Verlag: Argon

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


Robert Louis Stevenson erlangte Weltruhm vor allem als Autor der Erzählungen "Die Schatzinsel” und "Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Herrn Hyde". Der schottische Schriftsteller war allerdings auch Verfasser zahlreicher Kurzgeschichten. Eine dieser Geschichten, "Der Selbstmörderclub", wurde vom Argon Verlag vertont und liegt als ungekürzte Lesung vor. Das Hörbuch umfasst zwei CDs mit einer Spielzeit von rund 150 Minuten. "Der Selbstmörderclub" besteht aus drei einzelnen Episoden, die miteinander verknüpft sind. Die Geschichte ist Teil von Stevensons Geschichtensammlung "New Arabian Nights", die erstmals im Jahr 1882 veröffentlicht wurde.

In der ersten Episode, der "Geschichte des jungen Mannes mit den Cremetörtchen", lernen wir Prinz Florizel, den Thronfolger von Böhmen, und seinen Oberstallmeister Geraldine kennen. Der junge Prinz ist ein großer Freund von aufregenden und bisweilen gefährlichen Zerstreuungen und Abenteuern, die ihm sein Stand unter normalen Umständen nicht erlauben würde. Daher zieht er häufig gemeinsam mit Geraldine los, um dergleichen zu erleben.
Eines Abends gelangen die beiden Männer in ein Gasthaus und geraten in ein Gespräch mit einem jungen Mann. Sie erfahren, dass der Junge im Begriff ist, sein Vermögen zu verschleudern. Alles bis auf die Summe von vierzig Pfund hat er bereits verprasst. Im Verschwörerton erzählt er, dass er sein Leben beenden wolle und dass er einen Ort kenne, an dem man den Freitod finden könnte. Der Eintritt in diesen "Selbstmörderclub" betrage genau vierzig Pfund. Er erklärt sich bereit, den Prinzen und seinen Begleiter, die vorgeben, ebenfalls aus dem Leben scheiden zu wollen, mit in den Club zu nehmen. Dort angekommen erweist sich der Selbstmörderclub als bizarre Ansammlung von Männern, die scheinbar gelassen plaudern, die aber alle Abend für Abend ihrem möglichen Ende entgegen blicken. Mittels eines Kartenspiels wird Nacht für Nacht ermittelt, wer aus der Runde zum Opfer werden soll …

Die zweite Episode, die "Geschichte des Arztes mit dem Saratoga-Koffer", erzählt von Silas Scuddamore, einem jungen Amerikaner, der in einem Hotel in Paris wohnt. Silas erhält auf Umwegen die Einladung zu einem Stelldichein mit einer jungen Dame. Sie schlägt einen Treffpunkt außerhalb des Hotels vor, doch als Silas spätabends zum vereinbarten Ort geht, findet er dort niemanden vor. Wieder zurück im Hotel, bestätigt sich sein schlimmer Verdacht, das Opfer einer Verschwörung geworden zu sein: In seinem Bett findet er die Leiche eines jungen blonden Mannes, den er vor wenigen Stunden noch lebend gesehen hat …

Die dritte Episode, "Das Abenteuer mit den Droschken", schließt den Kreis. Sie berichtet von Leutnant Brackenbury Rich, der auf der Suche nach abendlicher Unterhaltung in eine Droschke einsteigt und den Fahrer anweist, hinzufahren wo er wolle. Die Droschke bringt Brackenbury zu einem Haus, in dem eine Party im Gange ist. Je später die Stunde, umso mehr Gäste werden von dem rätselhaften Gastgeber hinauskomplimentiert, bis der Leutnant schon befürchtet, in einen Hinterhalt geraten zu sein. Es stellt sich jedoch heraus, dass der geheimnisvolle Gastgeber niemand anderes ist als Geraldine, der Oberstallmeister des Prinzen von Böhmen. Gemeinsam mit einem zweiten Herrn, einem Major mit dem Namen O’Rooke, soll Brackenbury einem tödlichen Duell bewohnen …

"Der Selbstmörderclub" ist eine spannende und teils bizarre Geschichtensammlung, wobei das Niveau der einzelnen Episoden unterschiedlich ist. Verbindungsglieder der drei Erzählungen sind jeweils Prinz Florizel, sein Vertrauter Geraldine und der Präsident des Selbstmörderclubs. Die zweifellos stärkste und Furcht erregendste Geschichte ist die erste Episode. Leider fällt diese Geschichte gegen Ende etwas ab, indem sie ein rasches und nicht völlig befriedigendes Ende findet. Der Faden wird in der zweiten Episode rasch wieder aufgenommen, allerdings in weniger klarer Form. Die dritte Episode schließlich bringt die Geschichte um den Selbstmörderclub zu einem Ende und gewinnt dabei wieder an Fahrt und Stimmung.

Stevensons Trilogie lebt nicht nur von Grusel und Abenteuer, sondern sie wirft auch einen Blick hinter die verschlossenen Türen und Ausschweifungen der Gesellschaft im 19. Jahrhundert. Der Autor beschäftigt sich mit menschlichen Schwächen und Sehnsüchten, etwa wenn er ein Mitglied des Selbstmörderclubs über den Reiz dieser Vereinigung philosophieren lässt - die Liebe sei eine starke Leidenschaft, aber weitaus stärker sei die Furcht, die den Wert und den Reiz des Lebens erhöhe.
Stevensons Erzählwelt ist bevölkert von Männern der Oberschicht, denen Ehre und Anstand alles gilt und die sich ausschließlich mit gewählter Höflichkeit ausdrücken. Das wirkt heute etwas aufgesetzt, macht aber ungeheuren Spaß. Auch weit über einhundert Jahre nach dem Entstehen von Stevensons Werk ist seine Sprache immer noch bestechend und besitzt eine hohe Anziehungskraft. Vieles wirkt zwar heute etwas umständlich und altmodisch, aber auf eine herrliche Art und Weise, die Fans von klassischer Literatur große Freude machen wird. Als gute Wahl erweist sich hier der Sprecher Andreas Petri, der die Lesung vorträgt. Bisweilen verlangen die nicht der heutigen Erzählweise entsprechenden Schilderungen Konzentration. Petri vermittelt alle drei Geschichten in ruhiger und klarer Form, die die Schönheit der Sprache noch unterstreicht.

Für Fans von Robert Louis Stevenson ist "Der Selbstmörderclub" in dieser kleinen, preiswerten Lesung auf jeden Fall zu empfehlen. Auch Freunde von klassischen Abenteuer-Erzählungen werden an dieser - aus heutiger Sicht - herrlich altmodischen Erzählung ihren Spaß haben.

Christina Liebeck



CD | CD-Anzahl: 2 | Erschienen: 01. September 2006 | ISBN: 9783866100398 | Laufzeit: 150 Minuten | Originaltitel: The Suicide Club | Preis: 7,50 Euro

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