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 FANTASIA, Band 127: Die Jenseitsapotheke

Jahresanthologie 2006 des EDFC


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Fünfundzwanzig phantastische Erzählungen auf über zweihundertachtzig Seiten bietet der Jahresband 2006 des EDFC, des Ersten Deutschen Fantasy-Clubs. Der Herausgeber Frank W. Haubold, der auch mit einem eigenen Beitrag vertreten ist, hat dabei augenscheinlich größten Wert auf eine sowohl stilistisch wie auch thematisch breit gefächerte Auswahl gelegt. Herausgekommen ist eine ausgesprochen abwechslungsreiche Anthologie, die das Niveau und den Facettenreichtum deutschsprachiger Phantastik eindrucksvoll unter Beweis stellt.
Das Themenspektrum reicht dabei von der klassischen SF-Geschichte - etwa ein Drittel der Erzählungen sind der Science-Fiction zuzurechnen - über Bizarres lovecraftscher Prägung, über Mythologisches und Märchenhaftes bis hin zur Mordgeschichte, auch Humoristisches kommt nicht zu kurz. Das stilistische und erzählerische Niveau ist durchweg hoch; alle fünfundzwanzig Autorinnen und Autoren verstehen ihr Handwerk. Das verwundert nicht weiter, wenn man die Autorenliste betrachtet: Die allermeisten der hier versammelten Namen dürften Freunden deutschsprachiger Phantastik bereits geläufig sein. Zwölf Schwarzweiß-Illustrationen von Gabriele Behrend runden das Ganze ab.

Einer der bemerkenswertesten und erfreulichsten Aspekte dieser Zusammenstellung ist, dass es fast jedem der Autorinnen und Autoren gelingt, eine eigene Facette des weit gespannten Bogens "Phantastik" darzustellen. Einige der Beiträge sind herausragend, etwa die hervorragend erzählte, stilsicher vorgetragene Story "Die Chronistin von Chateauroux" von Anke Laufer oder Niklas Peineckes "Sternzerstörer"; auch der Beitrag des Herausgebers Frank W. Haubold, eine spannende Science-Fiction-Geschichte, vermag zu fesseln. Daneben präsentiert der Band eine Anzahl von sehr lesenswerten Geschichten, die sich mit der Verschränkung von Alltäglichem und Phantastischem auf eine manchmal geradezu lyrisch anmutende Weise beschäftigen, etwa Heidrun Jänchens "Eine Viertelstunde Sonne", Hartmut Kaspers titelgebende Story "Die Jenseitsapotheke" oder die märchenhafte Kurzgeschichte "Der Wolkentreiber" von Dimitrij Makarow und Erich Simon. Weitab von Effekthascherei oder aufgesetzter Action werden hier die leisen Töne bevorzugt, wird die Begegnung mit dem Phantastischen unspektakulär, aber wirkungsvoll in Szene gesetzt. Dabei werden - wie in Armin Rößlers "Sturmreiter", wo sich Fantasy und Science-Fiction begegnen, oder in Stefan Pfisters erfrischend drastischem "Fest der Einzelteile" - gelegentlich auch innerhalb der Beiträge Genregrenzen großzügig aufgefasst. Die meisten Beiträge bleiben allerdings den erzählerischen und formalen Traditionen ihrer Genres treu, ohne zum Crossover zu neigen.

Das Urteil darüber, welche der Beiträge im Vergleich zu den anderen eher schwach wirken, fällt erfahrungsgemäß von Leser zu Leser sehr unterschiedlich aus. Der hemdsärmelige Humor in Wolfgang G. Fienholds "Ein kurzer Zwischenbericht der Evolution" etwa, einer außer ihrem Unterhaltungswert relativ sinnfreien Story, ist vielleicht nicht ganz jedermanns Sache, wirkt jedenfalls zwischen den anderen Beiträgen ein wenig deplatziert.

Die "Jenseitsapotheke" bietet neben all diesen inneren Werten auch noch ein ausgesprochen ansprechendes Äußeres; der fast dreihundert Seiten starke Band macht durch das große Paperback-Format und die professionelle Aufmachung einen wertigen Eindruck, und die wunderschön schaurige Titelillustration von Arturo Buergo weckt Neugier. Ein Geleitwort des Herausgebers und Kurzinformationen zu den Autorinnen und Autoren vervollständigen den Band.

Mit der "Jenseitsapotheke" hat Frank W. Haubold zweifellos eine der interessantesten und abwechslungsreichsten deutschsprachigen Phantastik-Anthologien der letzten Jahre vorgelegt, und das zu einem erstaunlich günstigen Preis. Wer sich ein Bild davon machen möchte, wie lebendig die deutsche Phantastik auch abseits der großen Publikumsverlage ist, dem sei dieser Band wärmstens ans Herz gelegt. Unbedingte Kaufempfehlung!

Frank Hoese



Softcover | Erschienen: 01. Januar 2007 | ISBN: 9783932621925 | Preis: 9,25 Euro | 286 Seiten | Sprache: Deutsch

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