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 Spirit of Shaolin

Eine Kung Fu Philosophie

Autoren: David Carradine
Herausgeber: Jano Rohleder
Illustratoren: Ken Hay
Übersetzer: Jano Rohleder
Verlag: Books on Demand

Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis


Wer Kung Fu nur für einen knallharten Kampfsport hält, bei dem es vor allem darum geht, einen Gegner mit effektiven Schlägen und Tritten ins Krankenhaus zu befördern, für den hält David Carradines Buch ein paar Überraschungen bereit. Der David Carradine? Ja, ganz richtig, dieser schlaksige Typ, der in den Siebzigern als exilierter Shaolin-Mönch Kwai Chang Caine über die Vorabendbildschirme unserer Flimmerkisten wanderte, barfuß im schlichten Gewand, mit Bambusflöte an der Hüfte und Frieden im Herzen. Dass Caine für Carradine weit mehr bedeutete als eine Hauptrolle in einer erfolgreichen Serie, wird bei der Lektüre seines Buches schnell klar. Kung Fu nämlich, so Carradine, ist nur bei sehr oberflächlicher Betrachtung ein Kampfsport. Eigentlich ist es eine Lebensweise, eine Philosophie, die körperliche Übungen, bestimmte Ernährungsweisen, ethische Prinzipien und ein Heilsystem zur Anwendung bringt, um dem Praktizierenden Gesundheit, Langlebigkeit und Harmonie zu ermöglichen - und darüber hinaus geistigen und spirituellen Fortschritt.

Der erste Teil schildert Carradines Biografie; hier wird erzählt, wie er als Broadway-Schauspieler vom Produzenten der Kung Fu-Serie, Jerry Thorpe, gecastet wurde, wie die Serie sich entwickelte und wer daran mitwirkte. In dieser Zeit lernte Carradine die Personen kennen, die seinen Werdegang und seine Auffassung von Kung Fu entscheidend prägten. Carradine erzählt, wie die grundsätzlich gewaltlosen und auf Harmonie gerichteten Prinzipien des Kung Fu - ja, Sie haben richtig gelesen - die Serie und die Figur des Caine zunehmend prägten und für Carradine selbst Grundlage lebenslangen Lernens und Forschens wurden. Obwohl der biografische Teil sich für jemanden, der kein ausgesprochener Fan der Serie oder des Schauspielers ist, wegen der Fülle an Details und Anekdoten aus der Kung Fu-Serie und nachfolgenden Filmproduktionen etwas zäh liest, lässt er doch erkennen, dass Carradines persönliche Einsichten über die Philosophie des Shaolin-Kung Fu eng mit seinem Werdegang verflochten sind.

Im zweiten Teil liefert Carradine einen kurzen historischen Abriss über die Entstehung des Kung Fu aus hinduistischen, buddhistischen, taoistischen und konfuzianischen Traditionen und über die Rolle, die die daraus entwickelten Kampfstile - die nur einen Teil der Lehre ausmachen - in der Geschichte Chinas spielten. Hier wird auch dargelegt, in welcher Weise konfuzianische und taoistische Philosophie in den Lehren des Shaolin-Klosters umgesetzt werden. Die Beziehungen zu Tai Chi und Qi Gong, zur traditionellen chinesischen Medizin - einer komplexen Lehre, die Akupunktur, Massagetechniken, Ernährungslehre und Bewegungsformen umfasst - werden dabei ebenso angerissen wie Sinn und Zweck des Trainings, unterschiedliche Lern- und Lehrstile, grundlegende Einstellungen zum Leben und zum Training an sich und viele andere Dinge mehr.

Der dritte Teil schließlich befasst sich mit der praktischen Anwendung der Philosophie als Lebensweise. Nun kommen auch verschiedene Aspekte des Trainings und der Ausbildung zur Sprache. Dabei behält Carradine stets den gedanklichen Zusammenhang, die geistigen Wurzeln des Kung Fu im Auge - und, wen wundert es, auch hier steht weniger die Vermittlung von praktischen Übungen im Vordergrund als die Verdeutlichung der inneren Haltung, die der Autor weitergeben will, und des Nutzens des Trainings für Körper und Geist.

Dass der Autor es selbst für ein sinnloses Unterfangen hält, Interessierten eine Philosophie, für deren Aneignung nach seinem eigenen Bekunden ein Leben nicht ausreicht, auf weniger als zweihundert Seiten zu vermitteln, spricht er offen aus. Und so schafft es auch "Spirit of Shaolin" nicht, jenes komplexe, in Jahrhunderten durch Wechselspiel von Tradition und Erneuerung gewachsene Lehrgebäude verständlich und einfach darzustellen. Wer dieses Buch ohne Vorkenntnisse der östlichen Philosophie liest, dem wird vieles von dem, was Carradine schreibt, blumig und unverständlich erscheinen - und wer sich, eventuell durch Beschäftigung mit anderen östlichen Übungsformen, bereits ein gewisses Verständnis erarbeitet hat, dem wird es unter Umständen zu oberflächlich, zu subjektiv, zu Carradine-lastig erscheinen. Zu den Vorzügen des Buches gehört, dass es eine Vielzahl von Themen streift, die durch ihre gemeinsame Verwurzelung in der taoistischen und konfuzianischen Philosophie verbunden sind, und dadurch ihre Relevanz für eine Vielzahl von Lebensbereichen erkennen lässt. Zu seinen Nachteilen zählt, dass Carradines Darstellung oft ungeordnet und wirr erscheint, durchsetzt mit allgemeinen Lebensweisheiten und Hinweisen, die - so brauchbar und berechtigt sie oft sein mögen - in ihrer Gesamtheit etwas onkelhaft wirken. Carradines Kritik der westlichen Lebensweise, sein Beharren auf dem Finden des eigenen Weges und seine Ermutigung, sich selbst gegenüber zu jeder Zeit ehrlich zu sein, stellen wohl die wichtigsten Botschaften dieses Buches dar, ob mit oder ohne Kung Fu. Und eine der größten Leistungen dieser Botschaft liegt darin, dass sie trotz aller gelegentlichen Onkelhaftigkeit nicht versucht, Regeln aufzustellen, an die man sich unter allen Umständen halten muss, sondern zum Experimentieren ermutigt; der Wert der eigenen Erfahrung ist es, dem Carradine höchsten Stellenwert einräumt.

Als Statement eines langjährigen Praktikers hat "Spirit of Shaolin" sicherlich Interesse verdient, denn es bietet Innenansichten einer höchst lebendigen und weltzugewandten Philosophie, die den meisten westlich erzogenen Menschen wie ein Buch mit sieben Siegeln erscheint. Carradines Buch stellt eine Ermutigung dar, sich selbst auf den Weg zu machen, um herauszufinden, wer man ist und was man hier verloren hat, und es zeigt auf, wie das Studium östlicher Lebensweisen und Bewegungsstile dabei helfen kann. Geistiges Wachstum steht dabei im Mittelpunkt, auch wenn es selbst nicht den Endzweck darstellt. "Spirit of Shaolin" will Denkanstöße geben, ohne Mauern aus Regeln zu bauen. Nun, das tut es zweifellos - und wer Carradines Rat folgt, nichts, auch das nicht, was er selbst schreibt, blind zu glauben, ohne es selbst durch eigene Erfahrung zu überprüfen, kann aus seinen Anregungen sicherlich auch einigen Nutzen ziehen.

Eine Literaturliste, eine Filmographie und eine Auflistung relevanter Weblinks vervollständigen das Buch.


Frank Hoese



Taschenbuch | Erschienen: 01. September 2006 | ISBN: 9783833463006 | Originaltitel: Spirit of Shaolin - A Kung Fu Philosophy | Preis: 12,90 Euro | 188 Seiten | Sprache: Deutsch

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