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 Kinder, so was tut man nicht

Ein pechschwarzes Brevier für die Familie

Autoren: Thomas Gsella
Illustratoren: Rudi Hurzlmeier
Verlag: Rowohlt Tb

Cover
Gesamt +----
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Kinder schlagen gern mal über die Stränge, vorzugsweise dann, wenn ihre Eltern oder das Umfeld es am wenigsten brauchen können. Meistens ist es der Forscherdrang der lieben Kleinen, der größere und kleinere Katastrophen verursacht.
Wilhelm Busch warnte das junge Volk mit seinen Versen und Zeichnungen vor den Folgen schlechten und unbedachten Handelns, und dem Klappentext von "Kinder, so was tut man nicht" zufolge hat sich das pädagogische Niveau in Deutschland seit dieser Zeit nicht wesentlich gehoben. Da darf der Leser natürlich auf ein modernes Brevier gespannt sein.
Genau zwölf Schandtaten sind es, die Kinder Autor und Zeichner zufolge nicht begehen dürfen: das Manuskript von Vaters todlangweiligem, dreizehnhundert Seiten umfassenden autobiografischem Roman vernichten, einen nächtlichen Notruf an die Feuerwehr absetzen, weil es im Hals brennt und die Ankunft der Feuerwehrleute so ein nettes Spektakel abgibt, Vaters Oberklassewagen in ein selbst gebuddeltes Loch im Garten versenken und den auf diese Weise gewonnenen Mutterboden in der Garage unterbringen, das Wasser im wohlbestückten Aquarium mit dem Tauchsieder erhitzen, die gegarten Fische dem Hamster in den Rachen stecken, diesen im Aquarium versenken und dann den Eltern erklären, der Hamster habe die Fische aufgefressen. Es gehört sich mitnichten, in der feinen elterlichen Villa den Inhalt zweier Mülltonnen zu verstreuen und dann der Polizei zu melden, das Haus sei verwahrlost, oder dem eingeschlummerten Papa im Flugzeug einen schwarzen Vollbart umzubinden, ihm einen entsprechend angemalten Styropor-Schwimmgürtel umzubinden und dann "Allah akbar!" zu rufen, oder Vaters für die Routineuntersuchung abzugebende Stuhlprobe mit Duschgel, Strychnin, Schlangenfutter und Katzenhaaren anzureichern. Es mag, einem weiteren Beitrag zufolge, zwar lustig sein, im Wald allerlei kleine Tiere (vom Iltis abwärts) einzufangen, zu zerteilen und anstelle von Mutters Vorräten zusammen mit Vaters Lederhandschuh im Eisfach einzufrieren, um eine Scheidung zu provozieren, doch "so etwas, ihr Kinderlein, tut man nicht: Man lässt es sein!" Das gilt auch für das Rausekeln der ungeliebten Tante mittels unfreundlicher Gesänge und für den Plan, die Badewanne mit den Lebensmitteln aus Keller und Speisekammer zu füllen, diese kleinzuhacken, mit Wasser und anderen Flüssigkeiten anzureichern und den Eltern aus den Resten noch einen netten Brunch zu kreieren. Das Wasserbett ökolinker Eltern (zuvor hatten wir es überwiegend mit weiter rechts stehender Klientel zu tun) kann man für lustige Wasserspiele mit den Eltern verwenden - aber natürlich tut man das nicht. Ebenso wenig sollten sieben Geschwister nacheinander mit Steinen jedes einzelne Fenster im Elternhaus einwerfen und ihre Eltern somit zum Langlauf durchs ganze Haus nötigen.

Finden Sie diese Art von "pechschwarzem Humor" lustig? Dann ist das Buch für Sie vermutlich das Richtige.
Jede der zwölf "Moritaten" schildert detailgenau und ganz im Stil Wilhelm Buschs, wie die entsprechenden Ideen umzusetzen sind, damit die Eltern mit Sicherheit im Irrenhaus landen, wo sie vermutlich ganz gut aufgehoben sind. Die Reime sind hübsch und griffig, wie man es von Gsellas "Vorlage" Wilhelm Busch her kennt, auch Sprache und Stil wurden, so weit möglich, dem Original angepasst.
Die zahlreichen Zeichnungen illustrieren den Text detailverliebt, fantasievoll und mit angemessenem Sarkasmus und ergänzen somit die Gebrauchsanleitung, die keine ist, auf ideale Weise.
So weit, so gut, aber bei allem Verständnis für schwarzen Humor, Sarkasmus, Zynismus: lachen kann man - in nüchternem Zustand und mit der Art von Humor ausgestattet, den praktisch sämtliche Eltern schon rein zwangsläufig besitzen - bei der Lektüre nur höchst selten. Es fehlt jedes Quäntchen von Realismus und Situationskomik, die zwölf Balladen sind einfach maßlos überzogen, und Absurdität, die man bis zum Äußersten und darüber hinaus treibt, hat mit Humor nicht mehr viel zu tun, da kann man das Attribut "schwarz" noch so dick auf den Einband schreiben.
Raffinesse, sorgfältig dosierter Sarkasmus, pointierte Überzeichnung kindlicher und elterlicher Verhaltensweisen? Fehlanzeige in diesem Brevier. Es wirkt einfach plump.
Wer schwarzen Humor wirklich liebt - und Kinder -, lässt daher wohl besser die Finger von diesem Buch, es sei denn, der obige Inhaltsabriss hat den potenziellen Käufer und Leser erfreut, oder man will (andere) Eltern durch solch ein Geschenk ein bisschen nerven.

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 01. Mai 2007 | ISBN: 9783499245107 | Preis: 8,00 Euro | 64 Seiten | Sprache: Deutsch

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