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 Die Akte Harrison

Autoren: Dorothy L. Sayers
Übersetzer: Otto Bayer
Verlag: Rowohlt Tb

Cover
Gesamt ++---
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Die zweite Frau von George Harrison ist nicht glücklich. Ihr deutlich älterer Mann hält nichts von berufstätigen Frauen und besteht darauf, dass sie zu Hause ist, wenn er seiner Arbeit nachgeht. Sie wendet sich zunächst romantischer Literatur zu, gerät aber zusehends unter den Einfluß ihrer Gesellschafterin, Miss Milsom. Diese bestärkt die junge Frau in ihrer Haltung, dass ihr Mann sie unterdrückt, nicht liebt und den Haustyrann abgibt, wo er nur kann.
Immer stärker folgt sie dem Wahn von Agatha Milsom und beginnt ihren Mann dafür zu hassen, dass er sie unterdrückt.
Als der Maler Harwood Lathom gemeinsam mit seinem Freund John Munting in die Dachgeschosswohnung einzieht, beginnt sie sich zu dem jungen, ungestümen Maler hingezogen zu fühlen. Eine Affäre scheint unausweichlich.
Als Monate später der sechsundfünfzigjährige George Harrison von Lathom und Munting in seiner Berghütte, wo er gelegentlich allein einige Tage zur Erholung verbrachte, tot aufgefunden wird, deuten alle Hinweise auf einen schrecklichen Unfall hin. Nur der aus Südafrika zurückeilende Sohn des Verstorbenen, der junge Paul Harrison, glaubt nicht an einen Unfall. Er hält es für ausgeschlossen, dass sich sein Vater durch selbst gesammelte Pilze vergiftet haben könnte. Nicht nur, dass George Harrison ein absoluter Fachmann im Bereich essbarer Pilze war - er hatte sogar ein Buch darüber verfasst -, sondern auch, weil er jeden einzelnen Pilz hochnotpeinlich untersuchte, ehe er ihn zum Verzehr bereitlegte. Hinzu kommt der Hass von Paul auf seine Stiefmutter Margaret Harrison. Doch wo kann ein Motiv für einen Mord an seinem Vater liegen? Paul beginnt Nachforschungen anzustellen und gelangt an eine Reihe von Briefen, die mehrere der Beteiligten im vergangenen Jahr verfasst haben.

Dorothy L. Sayers, weltberühmt geworden durch ihre amüsanten und spannenden Kriminalromane rund um Lord Peter Wimsey, wagt in diesem Buch einen anderen Weg.
Sie verzichtetet auf einen Detektiv, ja sogar auf eine Handlung, Ermittlung oder die üblichen Konversationen zwischen Tatzeugen und Verdächtigen. Statt dessen legt sie eine Reihe vordergründig völlig belangloser Briefe vor, die die verschiedenen Personen geschrieben haben. Sie ordnet diese Korrespondenz chronologisch an, respektive lässt den nach dem Tod seines Vaters anreisenden Paul Harrison sie sammeln und zusammenstellen und als einzige Quelle nutzen, um dem vermeintlichen Mord an George Harrison näher zu kommen.
Die Autorin versucht so den Eindruck zu vermitteln, dass hier eine reale Begebenheit dokumentarisch dem Leser zur Verfügung gestellt wird. Dies gelingt ihr nicht nur durch die im Stil extrem unterschiedlichen Briefe und ihre scheinbar zufällige Anordnung, sondern vor allem durch den Inhalt der Briefe. Zu keinem Zeitpunkt hat man das Gefühl, hier würden Hinweise versteckt oder wichtige Fakten eingearbeitet. Die Brief sind in ihrer Belanglosigkeit, der fehlenden Spannung und inneren Zusammenhanglosigkeit derart perfekt, dass tatsächlich fast den ganzen Roman über Langeweile herrscht.

Nicht die Spur Spannung, keinerlei dramaturgischer Aufbau, das Fehlen jeglichen Humors und die anödende Nebensächlichkeit der meisten Briefe lähmt das Interesse nachhaltig. Immer wieder fragt sich der Leser, ob eine Handlung folgt, ob hier eine Untersuchung stattfinden oder ein Detektiv ermitteln wird. Man fragt sich nachhaltig, was die Briefe eigentlich bezwecken sollen. Denn irgendwann wird auch dem langsamsten Leser klar, dass nicht mehr passiert, keine Spannung mehr aufkommt und sogar die Schlusspointe verliert sich in qualvollen Diskussionen und völlig langweiligen pseudowissenschaftlichen Ergüssen.
Nein, dieser Roman ist mit Sicherheit einer der schwächsten der Sayers und sollte nur von absoluten Fans der Autorin in Betracht gezogen werden.

Schlimmste Sünde dieses Buches ist der gänzlich fehlende Humor. Er wird größtenteils durch moralisierende Reden ersetzt - eine Eigenschaft, die die späteren, christlich geprägten Schriften der Autorin allesamt haben. Doch im Gewand eines Kriminalromans ist dies fehl am Platz und erzeugt nur Langeweile.

Stefan Erlemann



Taschenbuch | Erschienen: 01. Januar 1984 | ISBN: 9783499154188 | Originaltitel: The Documents in the Case | Preis: 5,50 Euro | 254 Seiten | Sprache: Deutsch

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