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 Das Spiegellabyrinth


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


Alyss ist verzweifelt. Niemand will ihr glauben, dass sie eine Prinzessin ist. Letzte Überlebende des Herrscherinnenhauses der Herzdynastie und durch den Teich der Tränen nach London verschlagen. Alle halten sie für verrückt und sagen "komische Alice" zu ihr. Nicht einmal ihren Namen lassen sie ihr.
Mit sieben Jahren ist es nicht leicht, als einzige daran zu glauben, dass man eine Prinzessin ist und nur knapp dem furchtbaren Morden von Redd, der eigenen Tante, entronnen ist. So beschließt "Alice" nicht mehr Alyss zu sein und niemandem mehr zu erzählen, wer sie wirklich ist. Nur dem Reverend Dodgson erzählt sie ihre Lebensgeschichte in der Hoffnung, dass er sie aufschreibt und alle ihr glauben. Doch als sie "Alice im Wunderland", das unter dem Pseudonym Lewis Carroll erschiene Buch des Geistlichen, in den Händen hält, bricht auch ihr letzter Traum zusammen und die schiere Verzweiflung erfasst sie.
Ein albernes Kinderbuch hat er daraus gemacht. Aus ihrem Schicksal wurde ein Märchen für Kinder. Alyss fasst einen folgenschweren Entschluss: Sie ist nicht mehr die Prinzessin des Wunderlandes, sondern Alice Ledell. Adoptierte Tochter der Ledells und nichts sonst.
Mit zwanzig Jahren ist Alice eine wahre Schönheit und der Sohn der Königin hält um ihre Hand an. Nichts mehr erinnert an die zu fabelhaften Imaginationen fähige Prinzessin des Wunderlandes, auch sie selbst glaubt nur nach an einen entfernten Traum eines Kindes.
Doch am Tag ihrer Hochzeit holt Alice ihre Vergangenheit ein und die Mörderbande ihrer Tante Redd bedroht ihr Leben auch im fernen London. Alice muss zurück, auch wenn sie kaum noch weiß, woher sie kommt.

"The Looking Glass War" von Frank Beddor verfremdet das Buch "Alice im Wunderland” von Lewis Carroll. Aus der lustigen, absurden und kindgerechten Geschichte macht er einen brutalen, äußerst harten aber auch sehr fantasiereichen Roman über Verrat und Treue.
Seine Helden sind ebenso gnadenlos wie seine Bösewichte, viel Blut fließt, viele Köpfe rollen und hinter dem Morden und Töten versteckt sich fast unsichtbar eine Geschichte, die es wert ist gelesen und gehört zu werden.

Der Ansatz von Beddor ist ein gänzlich anderer als der von Carroll. Er nimmt die Figuren des reizenden Buches und macht sie zu realen Gestalten. Carrolls Kaninchen wird zu einem versierten Kämpfer und gnadenlosen Verteidiger der Prinzessin. Die ironisch-sarkastische Grinsekatze wird zu einem brutalen Killer, der seine neun Leben meist durch die ungewöhnlich brutale Usurpatorin Redd verliert. Die leicht dümmlichen, aber auch reizenden Zwillinge Zwiddeldumm und Zwiddeldei werden zu den sich beliebig teilenden und wieder vereinigenden Generälen "Doppel" und "Gänger".
Doch die heftigste Veränderung durchlebt Alice - in Beddors Version "Alyss". Aus dem verträumten, süßen Mädchen wird eine zwanzigjährige "Kriegerkönigin", die ihre Bestimmung und ihre innere Stärke erst finden muss.
Doch entscheidend an der BerddorÂ’schen Geschichte ist, dass man sich davon lösen muss, Vergleiche mit Carroll und seiner Alice zu ziehen. Die Geschichte dient allenfalls als Aufhänger und Inspiration, ist aber ansonsten weder vergleichbar noch Grundlage der Welt, die hier entsteht. Diese Welt ist fantastisch, unglaublich lebendig und plastisch erzählt, beinhaltet aber soviel Grausamkeit und Härte, dass sie sich definitiv nicht für Kinder eignet und eher ab vierzehn Jahren zu empfehlen ist.

Beddor aber gelingt es schnell den Leser in seinen Bann zu ziehen. Die Geschichte fasziniert und lässt einen nicht mehr los. Noch verstärkt wird diese Wirkung durch die vorliegende Hörbuchfassung. Denn was Johannes Steck hier veranstaltet, ist beeindruckend. Seine Alice, Alyss, Redd, Genevieve, sein Dodd, Doppel, Gänger, MacRehut, Karo Bube, Kater, König Nolan, seine Kartensoldaten und Alyssianer sind markant, fast immer unterscheidbar und so wundervoll intoniert, dass dieses Hörbuch fast zu einem Hörspiel mutiert. Es ist eine Freude diesem Vollblutsprecher zuzuhören und ihm nach Wunderland folgen zu können.
Auch wenn viel zu viele Grausamkeiten geschildert werden und die Geschichte gelegentlich etwas zu viele Längen und Abwege enthält, vermag Steck immer zu fesseln und zu begeistern.

Am Ende ist der Hörer etwas enttäuscht, denn die Geschichte endet abrupt und überraschend offen. Erst im angekündigten zweiten und dritten Teil wird der erwartete Höhepunkt erreicht werden und der Hörer darf sich auf viele weitere Stunden in der eigentümlichen, grandios erdachten Fantasie-Welt freuen.

Wer mehr über die Welt von Alyss erfahren will, sollte die sehr gelungene Website besuchen, die der Autor und sein Team entworfen haben. Sie ist unter www.lookingglasswars.com erreichbar.


Stefan Erlemann



CD | CD-Anzahl: 6 | Erschienen: 01. Juli 2007 | ISBN: 9783867426015 | Laufzeit: 450 Minuten | Originaltitel: The Looking Glass War | Preis: 24,95 Euro

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