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 Der weiße und der schwarze Bär


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis


Mit offenen Augen liegt das Mädchen in ihrem Bett. In ihrem Zimmer ist es dunkel. So dunkel, dass man sich darin verlaufen kann, wie in einem Wald, denkt es. Ihre Puppen haben auch Angst vor der Dunkelheit, dass hat ihr der weiße Bär erzählt, der so weiß ist, damit er im Dunkeln schimmern kann. Der weiße Bär ist immer da. Nachts sitzt er am Bett des Mädchens und schimmert. Aber eines Nachts ist der weiße Bär fort und kommt nicht wieder. Neben ihrem Bett ist es stockfinster. Doch dann hört das Mädchen ein Schnaufen und weiß, dass nun ein schwarzer Bär neben ihrem Bett sitzt und durch den schwarzen Bären erkennt sie, dass die Nacht zutraulich ist und Kinder sich nicht fürchten müssen.

Fast jeder kennt die Angst im Dunkeln und vielleicht kann sich auch jeder erinnern, dass der Furcht mit sachlichen und logischen Argumenten nicht beizukommen ist. Denn die Furcht nährt sich nicht aus einer realen Gefahr, sondern aus der Fantasie. Wenn das Zimmer plötzlich wie ein Wald aussieht, in dem man sich verlaufen kann, dann kann man sich noch so oft sagen, dass da kein Wald im Zimmer ist, der Wald wird weiterhin im Zimmer sein und man wird sich weiterhin fürchten. Das namenlose Mädchen ist da viel schlauer und versucht, der Furcht mit Fantasie beizukommen: "Gottlob ist der Wald von Bären bewohnt", denkt sie und schläft ein. Zusätzlich zu den Bären im Wald wacht der weiße Bär jede Nacht an ihrem Bett. Er sagt nichts, aber auf den Bildern beansprucht er viel Raum. Er schimmert zwar im Dunkeln, aber so richtig glücklich ist das Mädchen nicht, dass der weiße Bär da ist, denn er ist sehr aktiv und braucht sehr viel Platz. Wenn von nebenan Musik kommt, dann tanzt der weiße Bär und das Mädchen kann nicht schlafen und auf dem Bild sieht man, wie sehr sie das ärgert. Als dann der weiße Bär verschwindet und statt seiner der schwarze Bär auftaucht wird es ruhiger. Der schwarze Bär braucht nicht so viel Platz, so dass das Mädchen nicht mehr an den Bildrand gedrängt wird. Stattdessen wartet der Bär vor der Tür, während das Mädchen auf der Toilette ist, umgibt sie mit seiner beruhigenden und sanften Schwärze oder trägt sie auf seinem Rücken durch die Nacht, vorbei an schlafenden Kindern.

Das Buch ist ein wunderschönes und fantasievolles Spiel mit Licht und Dunkelheit, die durch den weißen und schwarzen Bären symbolisiert werden. Das gelingt mit seltsamer Tiefe, so dass man den Inhalt des Buch und die Fantasien des Mädchens zwar deuten, aber auf wunderbare Weise intellektuell nicht komplett entschlüsseln kann. So wie der Furcht nicht mit Vernunft beizukommen ist, reicht die Vernunft auch nicht aus, um die Tiefe und Kraft des Buches wahrzunehmen. Die Illustrationen von Eva Muggenthaler sind dabei ein absolut notwendiger Bestandteil der Geschichte. Die Bilder sind nicht austauschbar, denn sie gehen weit über das Erzählte hinaus und eröffnen dadurch gänzlich neue Einblicke in die Fantasie des Mädchens. Ohne die Illustrationen von Eva Muggenthaler wäre die Geschichte eine andere geworden oder zumindest hätte ihr einiges an Intensivität gefehlt. Sie lassen den Leser am Weg des Mädchens - ausgehend von der Furcht hin zu einem Gefühl der Geborgenheit - teilhaben. Irgendwelchen Kinderbuch-Konventionen entsprechen die Bilder nicht. Ganz im Gegenteil. Da es um Licht und Dunkelheit geht, sind die vorherrschenden Farben Schwarz und Weiß. Das Fenster hängt lose am schwarzen Sternenhimmel. Der weiße Bär tanzt und seine Konturen gehen dabei über das Licht hinaus, während man gleichzeitig den Nachbarn am Klavier spielen sieht und das Bett des Mädchens irgendwo im schwarzen Raum steht. Im Grunde sind die Bilder nicht einmal schön, sondern eher ein wenig schrullig und grob. Auf den ersten Blick wünscht man sich das vielleicht anders und denkt an all die anderen hübschen und niedlichen Kinderbuch-Illustrationen. Aber wer auch Wege fern des Mainstream mag, den werden die Bilder schnell faszinieren. Der Reiz des Buches liegt vor allem in der symbiotischen Beziehung von Text und Illustration. Das Ganze ist dabei weit mehr als nur die Summe seiner Teile und genau das macht das Buch für Kinder wie Erwachsene gleichermaßen interessant.
Durch die Aufnahme allabendlicher Rituale wie zum Beispiel das Zähneputzen, können sich die Kinder gut identifizieren. Obwohl viele Bilder recht dunkel gehalten sind, erschrecken sie die Kinder nicht, sondern wirken durch ihre Vielfalt anregend und letztlich ist auf jeder, außer auf der ersten, Doppelseite auch immer der weiße oder schwarze Bär dabei. Das Buch ist deshalb für alle Kinder ab vier Jahren geeignet, egal ob sie Angst im Dunkeln haben oder nicht.

Katja Maria Weinl



Hardcover | Erschienen: 01. Januar 2007 | ISBN: 9783779500780 | Preis: 14,90 Euro | 32 Seiten | Sprache: Deutsch

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