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 Das Experiment


Cover
Gesamt +++++
Action
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Brutalität
Extras
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


Als der Ex-Journalist Tarek in der Zeitung eine Anzeige für ein zweiwöchiges Experiment liest, in dem eine Gefängnissituation simuliert werden soll, wittert er eine große Story und seine Chance, wieder in den Beruf als Reporter einsteigen zu können. Er und neunzehn andere Freiwillige erklären sich dazu bereit, an diesem Universitätsprojekt teilzunehmen. Anfangs werden die Probanden zufällig in Gefangene und Wärter eingeteilt und dann in ihre Rollen eingewiesen. Die Wärter, uniformiert, bewaffnet und frei. Die Gefangenen, halb nackt, numeriert und eingesperrt. Anfangs ist die Geschichte für alle Beteiligten noch ein Spiel, doch Tarek provoziert die Wärter und stichelt seine Mitgefangenen zu kleinen Revolten an.
Schon bald gehen die Strafvollzugsbeamten daraufhin ernster vor und machen von ihrer Macht Gebrauch. Einer von ihnen, Berus, weiß am besten, wie man mit aufmüpfigen Gefangenen wie Tarek umgeht: Erniedrigung. Was gerade noch ein Spiel war, wird bald bitterer Ernst. Was soeben noch ein kontrolliertes Experiment war, läuft langsam, aber sicher völlig aus dem Ruder.

Im Jahr 1971 führte die Stanford University ein Experiment genau wie das oben beschriebene durch, das unter 24 Probanden eine Gefängnissituation simulierte. Das Experiment sollte ursprünglich zwei Wochen dauern, wurde jedoch bereits nach sechs Tagen abgebrochen, da die Wärter zunehmend sadistische Verhaltensweisen an den Tag legten und die Gefangenen emotionale Extremsituationen durchmachen mussten. Dies war die Grundlage für den Roman "Black Box" des deutschen Autors Mario Giordano, der seinerseits als Vorlage für das Regiedebüt des Regisseurs Oliver Hirschbiegel diente, der sich mittlerweile mit "Der Untergang" oder "Invasion" auch international einen Namen gemacht hat. Und kaum ein junger deutscher Regisseur hat in den letzten Jahren ein derart furioses Debüt hingelegt wie Hirschbiegel mit "Das Experiment", ein sehr untypisches Projekt für den von Beziehungskomödien und -dramen so geprägten deutschen Film. Anstatt Schmalz und billiger Witzchen wird dieser Film von knallhartem Psychoterror regiert, der die Figuren der Geschichte und die Zuschauer bis an ihre Grenzen treibt. Deutschland braucht mehr solche Regisseure von internationalem Format, die sich trauen, die heimischen Genres zu verlassen und etwas zu wagen!

Obwohl "Das Experiment" auf sehr begrenztem Raum spielt, holt der Film dennoch alles aus seinem Setting heraus. Die Beleuchtung ist stets kalt, düster und bedrohlich, die Gefangenen, von deren Warte aus man den Film überwiegend rezipiert, wirken verletzlich und dehumanisiert. Es sind vor allem die schauspielerischen Leistungen von Moritz Bleibtreu und Christian Berkel als Gefangene sowie von Justus von Dohnànyi als schleimiger, sadistischer Wärter, die den Film auf so kleinem Raum tragen und das Verhalten ihrer Charaktere in dieser Extremsituation glaubhaft machen. Man kann, wie von den Machern anscheinend intendiert, den Film als eine Parabel auf die deutsche Vergangenheit lesen. Doch zeigt er ganz grundsätzlich, wozu Menschen imstande sind, wenn man sie bis an ihr Äußerstes treibt. So führt Aufbegehren zu Erniedrigung und Unterwerfung, so führt strukturelle zu psychischer und schließlich physischer Gewalt, wenn alle Kontrollinstanzen versagen. Um dem Film beizuwohnen, braucht man also starke Nerven, denn bei der Inszenierung der Gewaltspirale passt kein Blatt Papier dazwischen, wird die Stellschraube immer unerbittlicher angezogen. Lediglich auf die Szenen einer Zufallsbekanntschaft der Hauptfigur Tarek mittendrin hätte man teilweise verzichten können, reißen sie einen doch zu sehr aus der klammen und hochspannenden Atmosphäre des Films.

"Das Experiment" zählt ohne Frage zu den besten deutschen Filmen des neuen Jahrtausends und ist ein Paradebeispiel dafür, dass man hierzulande auch andere Genres beherrscht als nur den schnöden Einheitsbrei.

Die DVD bietet einige interessante Extras wie geschnittene Szenen oder improvisierte Interviews mit den Wärtern und Gefangenen des Films sowie umfangreiche Biografien der Beteiligten und einen Audiokommentar von Oliver Hirschbiegel und Moritz Bleibtreu, der sich hören lassen kann, ist er doch nicht ganz so sehr von Selbstverliebtheit geprägt wie seine amerikanischen Pendants.

Julius Kündiger



DVD | Disc-Anzahl: 1 | Erschienen: 01. Januar 2002 | FSK: 16 | Laufzeit: 120 Minuten | Preis: 15 Euro | Untertitel verfügbar in: Deutsch | Verfügbare Sprachen: Deutsch

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