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 Unalaska

Autoren: Cindy Dyson
Übersetzer: Barbara Schaden
Verlag: Berlin Verlag

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Aus der Luft aufgenommen wirkt Unalaska - zumindest im Winter - wie ein Haufen schroffer, eisbedeckter Felsen. Fast unvorstellbar, dass hier Menschen wohnen, doch sie tun es. Als es die 31-jährige Brandy nach Unalaska verschlägt, weil sie ihrem neuen Freund Thad folgt, muss sie sich erst an den Gang der Dinge auf dieser südwestlich von Alaska gelegenen Insel gewöhnen.
Brandy kann ihr Leben, obwohl sie schon über dreißig ist, mit wenigen Sätzen zusammenfassen: Sie ist naturblond, sie ist die Tochter einer Schlampe und eines Säufers, ihr Leben spielt sich ab zwischen verschiedenen Kellnerjobs und verschiedenen Männern. Ihre Eltern hielten es für eine gute Idee, ihr den Namen eines alkoholischen Getränks zu geben. Von ihrer Mutter hat sie früh gelernt, dass die Waffen der Frau Minirock und Haarspray sind und ihr Vater ist früh von Zuhause ausgezogen, gescheitert an seiner Frau. Und doch gibt es auch andere Seiten an Brandy. Fast hätte sie studiert, wäre vielleicht Historikern geworden; sie interessiert sich brennend für römische Geschichte.

Auf Unalaska, wo sie viel Zeit allein verbringt, während Thad als Fischer auf See ist, muss die junge Frau sich sich selbst stellen. Zwischen den Einheimischen, den Alëuten, fühlt sie sich als Außenseiterin, als unwichtig und klein. Zwischen anderen blonden Kellnerinnen ist sie nur eine unter vielen. Und dann geschehen seltsame Dinge. Auf dem Klo der Kneipe, wo Brandy kellnert, findet sie merkwürdige hingekritzelte Sprüche, die von Mord sprechen. Und tatsächlich gibt es Tote, werden Leichen gefunden. Eine Gruppe alter Frauen scheint Merkwürdiges im Schilde zu führen. Je weiter Brandy eindringt in die Historie der Insel, in die seltsamen Vorkommnisse, umso unwillkommener ist sie auf Unalaska.

"Unalaska" ist der Debütroman der US-amerikanischen Autorin Cindy Dyson; von Kritikern wurde das Buch mit Annie ProulxÂ’ "Schiffsmeldungen" verglichen.
Hält man dieses Taschenbuch in den Händen, liest man die ersten Seiten, verspricht man sich zunächst nicht allzu viel. Das liegt vielleicht am etwas beliebigen Covermotiv, an dem etwas labberigen Gefühl des Buchs. Und die Geschichte beginnt merkwürdig, erzählt in Rückblenden von den alëutischen Bewohnern Unalaskas im Jahr 1751 und dann plötzlich von Brandy, einer ziellosen jungen Frau, die kokst und trinkt und die Männer wechselt wie Hemden. Liest man sich weiter in die Geschichte ein, stellt man fast überrascht fest, dass dieses Buch gut ist, sogar sehr gut - und anders als viele Bücher, schwer einzuordnen und doch ungeheuer anziehend und tiefgründig.
Das Genre lässt sich nur schwer bestimmen, es ist ein bisschen von allem: Selbstfindungsgeschichte, historischer und übersinnlicher Roman, Ethno-Studie, auch ein Hauch Krimi schwingt mit. Vor allem aber handelt dieses Buch von starken Frauen, und doch kann man ihm keinesfalls den Stempel "Frauenroman" aufdrücken. In zahlreichen Rückblenden berichtet die Autorin von der Geschichte und dem Schicksal der Frauen, die auf Unalaska lebten, und von dem Unrecht, das sie erfahren mussten - bis sie notgedrungen zu Mörderinnen wurden, um sich und ihr Land zu retten. Die Alëuten bevölkerten seit Tausenden von Jahren Unalaska, bis die Russen das Land für sich beanspruchten, die Einwohner unterdrückten, ermordeten, ausbeuteten. Auch in der Neuzeit hatte Unalaska viel zu erdulden, die Insel wurde 1942, während des Zweiten Weltkriegs, von den Japanern angegriffen. Die beiden Handlungsstränge - die vergangenen Generationen von alëutischen Frauen und Brandys Entdeckungen in der Gegenwart - werden Stück für Stück elegant zusammengeführt und faszinieren den Leser.

Die amerikanische Autorin Cindy Dyson hat selbst einige Zeit auf Unalaska gelebt und in der Kneipe gejobbt, in die es auch Brandy verschlägt. Sie kann also die Orte, die Menschen sehr genau und authentisch beschreiben. Ihr Bericht von Land und Leuten ist detailreich und spannend, so atmosphärisch, dass man sich einfühlen kann in das Inselleben und sich gleichzeitig, wie Brandy, als Außenstehender fühlt, der nie alle Geheimnisse ergründen kann. Sehr gelungen ist der Stilmix, den Dyson hier benutzt - die Geschichte in der Gegenwart, erzählt aus Brandys Sicht, wirkt locker, modern, rotzig, die Rückblenden sind jedoch stilistisch vollkommen der damaligen Zeit angepasst und berichten von einem ganz anderen Leben, in dem Jagd, Aberglauben und die Rituale den Alltag bestimmten.

"Unalaska" überrascht und fesselt. Ein spannendes Puzzle, das Gegenwart und Vergangenheit gelungen verknüpft und eine eigenwillige Kultur ebenso portraitiert wie eine eigenwillige Protagonistin.

Christina Liebeck



Taschenbuch | Erschienen: 01. Dezember 2007 | ISBN: 9783833303609 | Originaltitel: And She Was | Preis: 10,50 Euro | 400 Seiten | Sprache: Deutsch

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