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 Von Gott zu Allah?

Christentum und Islam in der liberalen Fortschrittsgesellschaft


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Spätestens seit dem 11. September 2001 ist die Frage, ob der Westen und der Islam in einen "Kampf der Kulturen" verwickelt sind, auf der politischen Tagesordnung westlicher Gesellschaften ganz nach oben gerückt. Der Orientalist Hans-Peter Raddatz, einer der profiliertesten und kenntnisreichsten, aber auch umstrittensten Islamkritiker Deutschlands, beantwortet sie mit "Ja" - und sieht den Islam in diesem Kampf auf der Siegerstraße.

In seinem bereits 1999 erstmals erschienen Buch "Von Gott zu Allah?" untermauert er diese These, indem er die islamische Zivilisation einerseits, die westliche andererseits in abwechselnden Kapiteln einer vergleichenden historischen Längsschnittanalyse von den jeweiligen Anfängen bis zur Gegenwart unterzieht.

Der Islam, so Raddatz, wird bis heute geprägt von den Erfahrungen der formativen Periode seiner Geschichte, also der Zeit vom siebten bis neunten Jahrhundert. Er ist nicht einfach eine Religion in unserem Verständnis des Wortes (die man in die Unverbindlichkeit des Privaten abschieben könnte), sondern eine allumfassende, dem Anspruch nach gottgewollte Lebensordnung, in der Religion, Politik, Recht, Kultur und Sitte untrennbar miteinander verwoben sind. Die "Umma”, also die islamische Gemeinschaft, war von Anfang an ebenso eine Kampf- wie eine Glaubensgemeinschaft (und ist es im Kern bis heute geblieben).

Nach dem Tode des Propheten wurde die prophetische Überlieferung zu einem System verwoben, das buchstäblich jeden Bereich des menschlichen Lebens regelte und sich zugleich durch die unmittelbare Berufung auf den Willen Gottes gegen jede Kritik immunisierte. Die Ur-Umma von Medina galt dabei fortan als ideale Verwirklichung des Islams und avancierte als solche zur alternativlosen Grund-Utopie des islamischen politischen Denkens.

Da der islamische Rationalismus des Mittelalters (Al-Farabi, Ibn Sina, Ibn Ruschd etc.) die ideologische Geschlossenheit des Systems gefährdete, wurde er gewaltsam ausgemerzt. Der orthodoxe Islam wurde so zu einem, wie wir heute sagen würden, totalitären System, das auf intellektuelle Herausforderungen und Anfechtungen nicht anders reagieren konnte als mit affirmativer ideologischer Verhärtung und, soweit möglich, mit Gewalt. Hierbei stellte das sakrosankte Medina-Ideal (der Islam als Kampfgemeinschaft, die Djihad im militärischen Sinne des Wortes betreibt!) ein Modell bereit, das jederzeit aktiviert werden konnte und kann. Der moderne islamische Fundamentalismus ist insofern keine Abweichung vom "eigentlichen ” Islam, sondern die konsequente Verwirklichung seiner Grunddisposition im Umgang mit Herausforderungen, heute also der westlichen Dominanz.

Während der Islam auf diese Weise eine starke, auf Unterwerfung Andersgläubiger gerichtete Kollektividentität konserviert hat, steht der Westen im Begriff, sich aufzulösen. Die tiefste Ursache hierfür sieht Raddatz im Programm der Aufklärung, das den expliziten Verzicht auf letzte Wahrheiten enthielt und damit die Abwendung der westlichen Zivilisation vom Christentum einleitete. Da die abendländische Identität auf dem Christentum basierte, führte dessen schrittweise Auflösung, verbunden mit der aufklärerischen Forderung nach allseitiger Toleranz, zu einer "Ich-Schwäche" westlicher Gesellschaften, die sie zum leichten Opfer des islamischen Djihad macht - worunter nicht etwa nur Terrorismus zu verstehen ist, sondern eine durch Masseneinwanderung hervorgerufene schleichende Islamisierung.

Raddatz sieht die Funktionseliten westlicher Gesellschaften, insbesondere die katholische Kirche, das wissenschaftliche Establishment, internationale Konzerne und die Politik als Steigbügelhalter einer fortschreitenden Islamisierung der Gesellschaft. Diese Funktionseliten - unter denen die Freimaurer seines Erachtens eine herausragende Rolle spielen - benutzten die Einwanderung von Muslimen zur gezielten Zersetzung gewachsener Strukturen, Weltbilder und Identitäten, um dadurch ihre eigene totalitäre Herrschaft zu errichten beziehungsweise zu konsolidieren.

Raddatz’ Werk zerfällt in zwei Teile, die im Hinblick auf ihre Qualität gegensätzlicher kaum sein könnten:

Seine Thesen zum Islam sind schlüssig entwickelt und empirisch kenntnis- und detailreich untermauert, ohne dass der Autor sich dabei verzetteln würde; sie sind - im Gegensatz zum Rest seines Werkes - leserfreundlich auch für Laien formuliert und nicht ohne Unterhaltungswert. Man merkt, dass hier der Orientalist Raddatz, der lange Jahre im Nahen Osten gelebt hat, in seinem Element ist. (Von islamischer Seite wurden seine Thesen übrigens nicht etwa mit schlagkräftigen Argumenten gekontert, sondern, als wollte man ihm ausdrücklich Recht geben, mit einem als "Gebet” getarnten Mordaufruf im Internet.)

Seine Thesen über die westliche Gesellschaft dagegen sind nicht mehr und nicht weniger als ein Generalangriff auf die Grundlagen der liberalen Demokratie, vorgetragen von einem katholisch-fundamentalistischen Standpunkt. Raddatz vermischt bedenkenlos Fakten mit Spekulationen, wärmt den uralten gegenaufklärerischen Topos von der Weltverschwörung der Freimaurer auf, schreckt selbst vor primitivsten Klischees und aus der Luft gegriffenen Verdächtigungen nicht zurück, zitiert dabei ausgiebig dubioseste Quellen und zeigt starke Affinität zu rechtstotalitärem Denken. Dieser Teil des Buches spottet allen Standards sozialwissenschaftlichen Argumentierens und ist allenfalls für christliche Fundamentalisten und Liebhaber von Verschwörungstheorien genießbar - und auch für diese nur dann, wenn sie kein Problem mit dem hochtrabend selbstgerechten Tonfall des Doktrinärs, seiner Neigung zu ermüdenden Wiederholungen und dem schlechten, zum Teil sinnentstellenden Deutsch haben ("das allmächtige Gottesbild"), in dem weite Teile des Werks verfasst sind.

Manfred Kleine-Hartlage



Hardcover | Erschienen: 01. Januar 2005 | ISBN: 9783776630107 | Preis: 14,90 Euro | 528 Seiten | Sprache: Deutsch

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