Media-Mania.de

 Das Monster aus der Spätvorstellung


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Leitbarkeit
Preis - Leistungs - Verhältnis
Gerade Fans des Genres kennen sicherlich den schon lange existierenden Überlebensleitfaden für Horrorfilme. In ihm werden so wichtige Dinge festgehalten wie unbedingt den Satz "Wir trennen uns!" zu sagen, bei einem Axtmörder im Haus auf jeden Fall die Treppe rauf zu rennen statt nach draußen und derlei mehr. Auch einer der Darsteller aus dem Teen-Slasher "Scream" kannte einige Geheimnisse des Horrorfilms ... und wenn man all diese Sachen zusammen nimmt und in ein Rollenspiel verpackt, dann hat man: Das Monster aus der Spätvorstellung.

Zunächst einmal wird der Leser von Dämonna begrüßt, einer echten Koryphäe in der Welt des Films. In diesem Buch nimmt sie sich, reichlich angeödet von ihrem Job, die Zeit, dem Leser vom Filmgeschäft zu erzählen und sich an allen möglichen und unmöglichen Stellen im gesamten Buch einzumischen.
Dann geht es nach Klärung der Erfordernisse für dieses Spiel aber auch schon damit los, dass die üblichen Begriffe aus dem Rollenspiel kurzerhand umgetextet werden. Aus dem Spieler wird der Regisseur, aus den Spielern die Darsteller, aus dem Abenteuer das Drehbuch und die Zeit wird in Aufnahmen, Szenen und Filmrollen gezählt. Natürlich gibt es auch kein Charakterblatt, sondern eine Setcard, und dieses Spiel hat sogar etwas, das andere nicht haben: Einen Drehplan.

Gewürfelt wird in diesem Spiel auch, und zwar mit zehnseitigen Würfeln, die entweder in verschiedener Anzahl oder als Prozentwürfel eingesetzt werden.
Doch bevor es ans Würfeln geht, sollte natürlich die Setcard ausgefüllt werden, sprich: Charaktererstellung ist vonnöten.
Daten wie Name, Künstlername, Markenzeichen, Profil und derlei mehr sind frei auszuwählen.
Im Spiel gibt es die fünf Eigenschaften Power, Schwung, Aufmachung, Grips und Ruhm, die durch Punkteverteilung oder per Zufallsprinzip (auswürfeln) festgelegt werden. Dadurch ergeben sich dann noch ein Power-Bonus, das Rückgrat (in etwa mit Lebenspunkten vergleichbar) und das Rückgrat des Stuntmans.
Vierzehn Kampftalente sind auf der Setcard vorgedruckt, nach Wahl des Spielers können dann noch Talente aus einer über sechzig Talente umfassenden Liste ausgewählt oder neue Talente erfunden werden, doch Vorsicht: Es ist bei der Erschaffung nur zehn Mal möglich, zu würfeln. Man kann zu Anfang also entweder zehn Talente wählen oder auch weniger, wenn man zwei oder mehr Würfe auf ein Talent verwenden möchte.

Vor dem Spielbeginn bekommt jeder Spieler einen Drehplan, der den Namen des Films enthält, Rollenname und Beschreibung für den Darsteller, Garderobe, Requisiten, Waffen und Talente. Hierbei gibt der Regisseur zwar die Vorgaben an, aber letztlich besteht eine Zusammenarbeit, denn die Darsteller haben vermutlich Fragen zu ihren Rollen, haben Sonderwünsche und dürfen sich zudem auch noch zusätzliche Requisiten von Hause aus notieren.

Verlorenes Rückgrat kann man in diesem Spiel durch normale Heilung, durch den Einsatz von Medizin, aber auch durch das Auffrischen des Make-ups am Ende jeder Szene zurück gewinnen.
Ist der Darsteller schwer verletzt, kann er sich aber auch selbstständig für eine Sterbeszene entscheiden.

Der wichtigste Wert in diesem Spiel ist ohne Frage der Ruhm. Umso höher der Ruhm, umso besser sind Garderobe und Requisite, aber man kann mit dem entsprechenden Ruhm in diesem Spiel auch vieles einfordern: Proben, das Set zur Veränderung des Drehbuchs und Neuverhandlungen wutentbrannt verlassen, seinen Agenten zu Hilfe rufen oder sogar Flashbacks wünschen, mit deren Hilfe eine Szene komplett wiederholt wird. Zwar darf in diese Szene nicht eingegriffen werden, aber diese Option kann helfen herauszufinden, ob etwas Wichtiges übersehen wurde oder ähnlich.

In diesem Spiel gibt es auch Werbepausen, in denen die Darsteller über Szenen sprechen und sich beraten können, Angemessen blödes Verhalten ("Wir sollten uns trennen!") sowie leere Worthülsen ("Alles wird gut!") werden gefördert und gefordert und für den Spielleiter gibt es neben den NSC - Verzeihung: Statisten! - auch noch die Möglichkeit, beispielsweise wohlwollende Außerirdische als Deus ex Machina auf den Plan zu rufen.

Ausführlich werden auch Kampfregeln, Monster, Drehbuchentwurf und Beispiel-Statisten benannt, und zum krönenden Abschluss enthält das Buch auch das komplette Drehbuch "Angriff der untoten Sporttaucher-Zombies auf Bikini Beach".

Keine Frage, das Spiel dient in erster Linie dem Spaßfaktor und stellt nicht den Anspruch, bierernst genommen zu werden. Es gibt beim Lesen viel zu lachen, was auch beim Spielen sicherlich nicht anders ist.
Ein sehr wichtiger Punkt ist jedoch: Man kann dieses Spiel überraschenderweise ernst nehmen!
Tatsächlich sind alle denkbaren Situationen und Erfordernisse in Regeln gepackt, die aber sehr einfach gehalten und sehr eingängig sind. Beinahe automatisch werden jedoch bestimmte Aspekte üblichen Rollenspiels, die nicht selten zu Diskussionen führen können, durch die Umsetzung des Spiels schon im Vorfeld ad acta gelegt.
In diesem Spiel wird es keinen Spielleiter geben, der sich darüber ärgert, dass mal wieder niemand mitgeschrieben hat - die Spieler wiederholen die Szene einfach.
Auch zuviel Gequatsche beim Spielen, das so genannte Offplay, oder noch schlimmer Spieler, die sich nicht am Ort des Geschehens befinden, einem anderen Spieler aber sagen, was er zu tun hat, wird es nicht geben - stattdessen einfach einen Werbeblock.
Da es in erster Linie um den Spaß geht, wird wohl kaum jemand ernsthaft böse sein, wenn er seinen Charakter verliert, aber dieses Spiel erhöht mit dem Einsatz von Stuntmen oder auch der Make-Up-Auffrischung die Lebenserwartung und auch Heilung eines Charakters und fördert zugleich Dinge wie das bereits erwähnte Angemessen blöde Verhalten durch diese Merkmale oder auch Proben.
Zu guter letzt wissen die Spieler einfach viel mehr, worauf sie sich einlassen und haben vielfältige Möglichkeiten, sich selbst einzubringen und auch ihre eigenen Wünsche und Forderungen umzusetzen.
Auf den ersten Blick also einfach ein kleines Just for Fun-Spiel, in dem auf den zweiten Blick aber verdammt viel an Innovation steckt!

Der Preis ist natürlich für ein broschiertes Buch dieser Seitenanzahl und im Format DIN A 5 hoch angesetzt, aber es gilt zu bedenken, dass dieses Spiel eben einer kleinen Spieleschmiede entstammt - und wert ist das Spiel sein Geld allemal, wenn man auch mal "anders" spielen mag.

Das Buch enthält übrigens ein Fehlerbehebungslesezeichen für die Seite 127, das man dem Werk schon allein wegen des "Nobody is perfect-Ideas"-Copyrights nicht übel nehmen kann.
Was ich allerdings von der Liste der am Ende des Buches aufgeführten schlechtesten Filme halten soll, die mindestens zwei meiner Meinung nach recht guter Filme enthält, weiß ich nun nicht ... aber irgendwas ist ja immer ...

Tanja Elskamp



Ähnliche Titel
Savage WorldsWeiden des WindesScion: HeroDe ProfundisDas Monster aus der Spätvorstellung 2