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 Speak German!

Warum Deutsch manchmal besser ist

Autoren: Wolf Schneider
Verlag: Rowohlt Tb

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Preis - Leistungs - Verhältnis


Sprache wandelt sich, also wandelt sich auch die deutsche. Immer mehr englische Begriffe werden uns um die Lauscher geknallt und finden Eingang in den Duden. Gegenwehr bemerkt man meistens nur in Kreisen greiser Leserbriefschreiber - aber seit ein paar Jahren ändert sich das. Bastian Sick sorgt durch Dative und Genitive für ein neues Interesse an unserer Sprache, und auch Wolf Schneider, Korrespondent der Süddeutschen Zeitung und Ausbilder an diversen Journalistenschulen, wendet sich nun in seinem Buch "Speak German!" an über hundert Millionen Sprecher der deutschen Sprache.

In vier großen Teilen wirft sich Wolf Schneider für die Sprache in die Bresche, in der er schreibt und denkt, für ein lebendiges und möglichst farbiges Deutsch. Der erste Teil begründet sein Handeln. Ausdrücklich lobt er die englische Sprache ob ihrer Einfachheit in der Grammatik, für die Kürze vieler Worte, und genauso ausdrücklich bewillkommnet er die englischen Worte, die aufgrund ihrer Kürze und Sinnhaftigkeit deutsche Worte verdrängt haben - "Fan, fair, Grill" oder "Sex" will er nicht zurückersetzen, diese Worte sind einfach praktisch.
Aber Deutsch ist eben auch in Teilen einfach, kurz und klar: Natürlich ist "Rat" schicker als "advice", "Mut" als "courage" - das nebenbei zumindest deutschen Englischsprechern auch noch Ausspracheprobleme bringt - und wer möchte lieber "coincidence" statt "Zufall" sagen? Diese Qualität will Wolf Schneider seinen Lesern vermitteln.
Im zweiten Teil geht es dann um den größten Blödsinn, den es so im Bereich der Anglizismen gibt, um Wirtschaftsdeutsch, das mit wenigen Worte beweisen kann, dass Sprache manchmal auch Freiwild für Menschen ist, denen es wichtiger ist, modern zu klingen, als selbst zu verstehen, was sie da sagen, um Werbesprüche wie "Powered by Emotion" - in einer Umfrage unter anderem als "von Gefühlen gepudert" oder "Kraft durch Freude" übersetzt -, die einfach von großen Teilen der Bevölkerung gar nicht verstanden werden.
Das geringe Selbstvertrauen, das mit der deutschen Sprache verbunden wird, ist aber nicht nur eine Erfindung von Werbung und Industrie. Es gibt germanistische (!) Kongresse, auf denen der größte Teil der Vorträge auf Englisch gehalten wird. In Politik und Wissenschaft gibt es unglaublich viel vorauseilenden Gehorsam, nimmt ein Amerikaner an einer Besprechung teil, werden dreißig Deutsche selbstverständlich ins Englische wechseln - oft zum Leidwesen des Amerikaners, denn wer hört schon gern die eigene Sprache vergewaltigt. Deutsch als Wissenschaftssprache geht laut Schneider den Bach herunter, ist nicht mehr am Puls der Zeit, da es auf unseren Universitäten nicht mehr die Hauptsprache ist. Dabei beherrscht niemand eine Fremdsprache so gut wie seine Muttersprache. Da aber Forschung auf Kreativität beruht, und die direkt mit Sprache und ihrer Beherrschung verbunden ist, kann man in der fremden Sprache nie so innovativ sein, wie man es in der eigenen wäre.
Im letzten Teil skizziert Wolf Schneider, was man gegen die schlimmen Auswüchse des schlechten Englischen im Deutschen tun kann. Zum Beispiel führt er einige Denker der Vergangenheit an, die Fremdworten einfach gut funktionierende Begriffe entgegensetzten, die sich teilweise durchsetzten. So wurde aus dem "Moment" der "Augenblick", aus der "Pistole" allerdings kein "Meuchelpuffer". Auf ähnliche Art und Weise versucht die Aktion "Lebendiges Deutsch" nun englische Begriffe zurückzudrängen. Wolf Schneider gehört hier zu den Gründungsmitgliedern. Hier wird nach möglichem Ersatz gesucht, und der dann an Zeitungen und Presseagenturen geschickt. So schlägt man beispielsweise "Denkrunde" statt "Brainstorming" vor, oder "E-Müll" statt "Spam" - ob das immer so knackig ist und wirklich funktionieren kann, sei mal dahingestellt, auf jeden Fall sind die weniger ernsthaften Vorschläge, die die Aktion eingesammelt hat, höchst unterhaltsam. "Brainstorming" durch "Bullshit-Bingo" zu ersetzen, oder "Airbag" durch "Autopuffi", da triumphiert die Fantasie.

Natürlich beherrscht Wolf Schneider die deutsche Sprache so gut, dass dieses Buch eigentlich immer unterhaltsam ist, immer gut lesbar und interessant. Hier und da - besonders in Bezug auf Lehnübersetzungen wie "Das macht Sinn" - ist er recht päpstlich, andererseits befürwortet er sogar das Wort "Handy", das ja auch aus einer absoluten Unsitte heraus entstanden ist.
Besonders die Ansprache an das Selbstbewusstsein der deutschen Sprache und ihrer Sprecher ist wichtig und die klare Trennung dieses Selbstbewusstseins von einem ekelerregenden Nationalismus. Deutsch sollte in Deutschland keine Fremdsprache sein und deshalb muss gerade in der Schule angepackt werden, da kann man Wolf Schneider eigentlich nur zustimmen.
Schneider setzt sich für Bildung und eine klare Sprache ein, dieses Buch sollte jeder Lehrer - egal, ob er das Fach Deutsch unterrichtet - dringend lesen, noch viel mehr sollte es jedem Erfinder kranker scheinenglischer Begriffe und Sprecher von Wirtschaftsdenglish um die Ohren gehauen werden. Dieses Buch gehört in den Schrank jedes Menschen, der mit der deutschen Sprache arbeitet.

Holger Hennig



Hardcover | Erschienen: 01. Januar 2008 | ISBN: 9783498063931 | Preis: 14,90 Euro | 192 Seiten | Sprache: Deutsch

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