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 Benjamin Kiesel


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


Benjamin Kiesel ist ein Einzelgänger. Nicht weil er keine Freunde haben will oder weil irgendetwas mit ihm nicht stimmen würde. Außer vielleicht, dass er rot wird. Dunkelrot. Und das zu jeder Tages- und Nachtzeit. Ohne Anlass. Ohne besonderen Grund. Nur ohne besonderen Grund! Denn das Problem Benjamins ist es eben nicht, dass er sich schämt, oder besonders viel Unsinn macht, oder peinliche Sachen macht. Nein, bei diesen Gelegenheiten bleibt Benjamin blass. Rot wird er einfach so. Ohne Vorwarnung, ohne es selber zu merken.
Bis in seinem Mietshaus oben im vierten Stock Rudi Rettich einzieht. Und gleich die erste Begegnung ist mehr als ungewöhnlich. Rudi nämlich findet es reizend, dass Benjamin rot wird. Und Benjamin seinerseits stört es kein bisschen, dass Rudi immerzu niesen muss. Ohne jemals erkältet zu sein. So werden die beiden Jungs bald unzertrennlich. Wenn irgendwo ein Junge auftaucht, der seltsam rot im Gesicht wird, dauert es nicht lange und in seiner Nähe hört man ein lautes Niesen.
Bis zu dem Tag, an dem Benjamin aus einem Kurzurlaub zurückkommt und Rudi verschwunden ist. Weggezogen. Aus Benjamins Leben für immer ausradiert. Für immer? Nein, nicht für immer. Aber existiert eine Freundschaft, so schön und fest sie auch gewesen sein mag, auch zehn Jahre später noch, wenn man auf der Straße, an der Bushaltestelle, unvermutet ein lautes Niesen in der Nähe vernimmt und einem das Gesicht so furchtbar bekannt vorkommt?

"Marcellin Caillou", so der französische Originaltitel dieser Geschichte, erschien erstmals 1969 und verzaubert seitdem Generationen von Kindern und Erwachsenen. Die liebenswerte Geschichte des Autors und Illustrators Jean-Jacques Sempé ist kurz, knapp und weise. Sie vermittelt das Bild einer wundervollen Freundschaft, die sich nicht an Kleinigkeiten oder scheinbaren Makeln misst, sondern an der Stille, der Zuneigung ohne Worte, der Ruhe zwischen zwei Menschen - auch Jahrzehnte später und über die Kluft getrennter Lebenswege hinweg.

Doch ein Großteil des Charmes dieser Geschichte entsteht durch die Zeichnungen Sempés. Da ist es zumindest gewagt vom Diogenes-Verlag, ein Hörbuch daraus zu machen. Ein immerhin dreißig Minuten langer Vortrag, der ohne ein einziges Bild von Benjamin und Rudi auskommen muss. Denn wenn man von drei winzigen Skizzen absieht, die sich auf der Papphülle der CD finden, entsteht diese Freundschaft ohne Zuhilfenahme der Zeichnungen, allein durch die Wirkung des Vortrags von Nikolaus Heidelbach. Und der Autor, Illustrator, Sprecher und studierte Theaterwissenschaftler Heidelbach hat es nicht leicht mit diesem Text. Muss er doch an die fünfzig mal das Wort "rot" vortragen, und vermutlich ebenso oft niesen, um den beiden Jungs und ihrem "Gebrechen" die volle Aufmerksamkeit des Lesers zu verschaffen.

Zur Erleichterung der Fans des Buchs, des Autors oder der Diogenes-Hörbücher und zur Freude der unbedarften Zuhörer - einerlei ob alt oder jung - funktioniert die Geschichte auch ohne Bilder. Zwar fehlt etwas, doch macht Heidelbach dies mehr als wett. Er gibt der Geschichte einen gefühlvollen, warmherzigen Unterton, eine Leichtigkeit und Verspieltheit, die der einfachen Geschichte Halt gibt. Zwar bleibt der Text simpel und schlicht, doch gelingt es Nikolaus Heidelbach ihren Kern herauszuarbeiten, die grenzenlose Menschenliebe, die die Figuren Sempés - einerlei ob beschrieben oder gezeichnet - auszeichnet.

Stefan Erlemann



CD | CD-Anzahl: 1 | Erschienen: 1. Juni 2008 | Laufzeit: 30 Minuten | Originaltitel: Marcellin Caillou | Preis: 14,90 Euro

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