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 DSA-Roman, Band 9: Der Göttergleiche


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Brutalität
Gefühl
Humor
Spannung
Dieser neunte Band der DSA-Romanreihe beinhaltet sechs Erzählungen aus Aventurien. Drei davon, unter anderem die Titel gebende Geschichte von Herausgeber Ulrich Kiesow, waren schon fünf Jahre zuvor in "Mond über Phexcaer" veröffentlicht worden.

Maligno (Petra Baum)
Die Geschichte einer Verwandlung. Mehr darf man nicht andeuten, denn diese Geschichte ist die einzige richtige Kurzgeschichte dieser Sammlung, dicht und pointiert und gut geschrieben, ein gelungener Einstieg.

Der Göttergleiche (Ulrich Kiesow)
Zwei Söldner, Thornhild und Dajin, begleiten einen Händlertreck über den Eisenwaldpass. In einem Gasthaus in der Wildnis kommt es zur Konfrontation zwischen den angetrunkenen Fuhrleuten und einem seltsamen Duo, bestehend aus einem geisteskranken Krüppel und dessen Bruder. Als sich Thornhild einmischt, beginnt die Situation zu eskalieren ...
Eine spannende Geschichte hat der Erfinder des Schwarzen Auges hier geschrieben, und diese wartet mit einigen Änderungen gegenüber der Originalfassung von 1990 auf. Zum einen ist sie länger, da Kiesow manche Details genauer ausführt und das Ende stark erweitert hat, zum anderen ist die Hauptfigur jetzt eine Frau - früher hieß Dajins Gefährte Thimorn. Für die Geschichte ist das Geschlecht irrelevant, vielleicht diente dieser Geschlechtswandel nur zur Erklärung, warum Fuhrmann Ulfas einen Narren an dieser Söldnerfigur gefressen hatte.
Dem Leser wird hier ein wenig mehr an Erklärungen mit auf den Weg gegeben, aber notwendig wäre das nicht gewesen. Eine gute Geschichte, die inzwischen auch als Hörbuch erhältlich ist.

Die Freifrau und der Zauberlehrling (Ina Kramer)
Abelmir, Lehrling im Hause des Magiers Xerber und mitten in der Pubertät, hat ein Problem: Rahja selbst muss diese Freifrau geschaffen haben, mit der der Meister seit einiger Zeit verkehrt, und das körperliche Verlangen nach dieser Frau nimmt Überhand in dem Jungen. Wie soll er sie nur für sich gewinnen? Zauberei? Alchimistische Mixturen? Ohne solche Hilfsmittel würde sie ihn doch niemals beachten! Er forscht und sinnt, und dann kommt ihm die rettende Idee ...
Eine sehr vergnügliche Geschichte hat Ina Kramer hier erdacht. Die Handlung wird aus der Ich-Perspektive des jungen Abelmir geschildert, und die Autorin legt ihm gekonnt immer wieder pubertierenden Trotz in die Ausführungen, etwa wenn der Meister ihn wieder mit seiner Meinung nach entwürdigenden Aufgaben betraut, die er als Schikane schildert, während der Leser daraus filtern kann, dass es einfach Teil der Ausbildung ist. Das Ende kann man vorhersehen, aber es macht sehr viel Spaß mitzuverfolgen, wie der Junge unweigerlich darauf zu steuert.
Auch diese Geschichte ist schon etwas älter, sie erschien bereits 1991 in dem Phantastik-Magazin "WunderWelten".

Einen Drachen zu töten (Jörg Raddatz)
Die Geschichte handelt von einem Halbelfen namens Golambes, zugleich darpatischer Landgraf am Fuß der Trollzacken, der auszieht, um dem Titel der Geschichte gerecht zu werden. Ihn ereilt die Nachricht, dass ein gefräßiger Drache sich im Gebirge breit gemacht hat und nach ihm verlangt. Mit ein paar Getreuen reitet er los, um sich dem Ungetüm zu stellen, und muss nach einer gefahrvollen und verlustreichen Reise am Ziel feststellen, dass es mehr als eines scharfen Schwertes bedarf, um diesen Gegner zu schlagen ...
Golambes ist ein Ausbund an Wortgewandtheit und so gerissen, dass es ein Vergnügen ist, seine Abenteuer mitzuverfolgen. Diese Geschichte war das Highlight in "Mond über Phexcaer" und kann auch in der vorliegenden Sammlung ganz vorne mithalten. Mit dieser Erzählung hat sich Raddatz selbst übertroffen, und später hat er diese Qualität wohl auch nicht mehr erreicht.

Die Diebe von Rashdul (Christel Scheja)
Die Königin der Diebe von Rashdul, die rothaarige Djamilla, will ihren gewagtesten Beutezug durchführen; der Anlass dazu ist jedoch vom Hauptmann der Stadtwache geschickt eingefädelt worden, um sie endlich zu fassen zu bekommen. Die Shanja, die mächtigste Person der Stadt, treibt nebenbei ein undurchsichtiges Spiel, und der ganze Coup gerät aus dem Ruder, als sich ein angeblicher Palastwächter namens Amehn einmischt ...
Christel Scheja, die inzwischen fleißig DSA-Romane schreibt, hat mit dieser Geschichte ein nettes kleines stimmiges Diebesstück abgeliefert, kein literarisches Prunkstück, aber angenehm zu lesen. Die dritte Geschichte aus "Mond über Phexcaer".

Wolfstränen (Lena Falkenhagen)
Als Wölfin giert Kantala nach Menschenblut, als Nivesin beweint sie ihre Opfer. Ihr letztes, ein kleiner Junge, hat ihren Angriff überlebt, und nun grämt sich Kantala. Ihre Chance, ihr Gewissen zu beruhigen, sieht sie mit einer Horde Orks kommen, die dem Jungen, seine Mutter und ihrem Begleiter gefährlich werden könnten. Zusammen mit ihrem Freund, dem Wolf Ruokol, kann sie die drei Menschen in Sicherheit bringen. Doch dann zwingt Madas volles Schandmal die Verwandlung herbei ...
Diese Geschichte liest sich beinahe spirituell, und nach einem etwas beschwerlichen Einstieg wird sie sehr atmosphärisch und spannend, ein gelungener Ausflug in die Welt der Himmelswölfe.

Das Buch ist mit einer Aventurienkarte zu Beginn und der damals obligatorischen Erklärung aventurischer Begriffe am Schluss ausgestattet. Angesichts der Tatsache, dass zwei Wolfsgeschichten enthalten sind, ist das Cover gut gewählt - bei DSA-Romanen keine Selbstverständlichkeit.
Die Geschichten decken die unterschiedlichsten Gebiete und Möglichkeiten Aventuriens ab: Diebe in Rashdul, Söldner im Gebirge, Zauberei im Mittelreich, Wölfe im hohen Norden, Drachen, Halbelfen, Wolfsmenschen, aber auch ganz normale Menschen wie Fuhrleute und Tulamiden. Das beste aber ist, dass keine der Erzählungen als schlecht bezeichnet werden kann: Alle bieten etwas Besonderes, sei es in der Erzählweise, sei es die Pointe oder einfach ein gelungenes Gesellschaftsbild, so dass die vier Sterne hier guten Gewissens gegeben wurden. Und alle bieten ein schlüssiges und stimmiges Bild der Rollenspielwelt, es gibt nichts, worüber sich der Aventurienkenner die Haare raufen würde. Fazit: Diese Anthologie lohnt sich!

Stefan Knopp



Taschenbuch | Erschienen: 1. Januar 1995 | ISBN: 9783453094949 | 221 Seiten | Sprache: Deutsch

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