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Arkham Horror - Ein Brettspiel im Gespräch
Interview mit Heiko Eller
"Arkham Horror" erschien in den USA bereits im Jahr 1987 und hat dort unzählige Fans. Wie kam es nun, fast zwanzig Jahre später, zu einer Neuauflage und zur deutschen Übersetzung?

Vor circa 20 Jahren gab es eine Welle von, ich sage mal ungewöhnlichen und auch komplexeren Spielen in den USA und GB, die für eine hartgesottenere Kundschaft gedacht war. Die Auflagen waren kleiner als heute und zum Beispiel in Deutschland waren diese exotischen Spiele auch nur schwer zu bekommen. Am ehesten noch in den wenigen Fantasyläden. Das kultige Thema solcher Spiele wie "Arkham Horror" traf eben vor allem den Nerv einer kleinen Fangemeinde. Die Spiele unterschieden sich sehr vom Mainstream, alleine schon durch die Spieldauer und auch die komplexen Regeln. Heute ist die Situation anders. Seitdem Fantasy und Horror nicht mehr nur freakige kleine Runden interessiert, gibt es durchaus auch ein größeres Interesse an Brettspielen mit diesem Thema. Zugleich hat sich jedoch auch der Anspruch an solche Spiele geändert. Eine kultige Idee und ein kultiges Thema reichen nicht aus, vielmehr muss ein solches Spiel mit einem runden, funktionierenden Mechanismus ausgestattet und auch eben der anderen Spielkultur angepasst sein. Und dann kommen wir auch zu Arkham Horror: Das alte Arkham war zwar originell, aber doch auch eine echte Würfelorgie. Das Thema und auch die witzige Idee in ein runderes Spiel zu bringen war dann die Herausforderung, die FFG in unseren Augen sehr gut vollzogen hat. Die grafische Aufwertung ist natürlich noch eine besondere Augenweide. Auch wenn Arkham dadurch noch kein Mainstream ist - immerhin dauert eine Partie immer noch recht lange und auch das Regelwerk ist nicht ohne - gibt es heute einfach mehr Spieler, die dafür offen sind. Auch dank des Mediums Internet!
Früher verbreiteten sich solche Spiele ausschließlich über Mundpropaganda. Da Cthulhu in Deutschland heute viele Fans hat, unter anderem wegen des sehr gut gepflegten Rollenspiels von Pegasus, war es für uns keine Frage, "Arkham Horror" auf Deutsch umzusetzen. Ein so textlastiges Spiel öffnet sich trotz der weit verbreiteten Englischkenntnisse auf jeden Fall auf Deutsch viel mehr Spielern ...

Welche Unterschiede bestehen zur 1987er-Ausgabe?

Ich selbst habe die alte Ausgabe nie gespielt, immerhin ist sie in Deutschland sehr selten. Jedoch konnte ich mir die alte Version mal ansehen und habe mit vielen Fans des Originals gesprochen. Das alte "Arkham" war in der Tat recht würfellastig. Während die Ermittler heute viele Entscheidungen treffen müssen, um ihren Charakter einzustellen und auch richtig auszurüsten, so waren beim alten Spiel deutlich mehr Glückselemente enthalten. Man hat im neuen "Arkham" einfach mehr Kontrolle über sein Tun. Das Grundprinzip der Kooperation ist jedoch gleich. Der Mechanismus wurde natürlich auch stark angepasst, jedoch traue ich mir hier keine differenzierte Aussage zu. Wer das alte "Arkham" kennt, der hat jedoch keinen großen Vorteil, wenn er die neue Regel liest. Dafür sind einfach viel zu viele neue Kleinigkeiten und Regeln hinzugekommen.

Das Spielbrett der deutschen Ausgabe wirkt etwas heller als das englische Original. Habt ihr als deutscher Verlag hier nochmals Hand an die Gestaltung gelegt - und wenn ja, wo noch?

Manchmal nehmen wir solche Anpassungen vor, aus Zeitdruck konnten wir bei Arkham das jedoch nicht machen. Der englische Nachdruck, der zeitgleich zur deutschen Ausgabe erschien, war ebenso hell wie der deutsche. FFG hat hier auf Kritik der Spielcommunity reagiert, die das Brett als unübersichtlich und schlecht erkennbar bezeichnet hatte. Hätten wir mehr Zeit gehabt, dann hätten wir gerne eine Kurzregel beigefügt und auch die Spielregel komplett neu strukturiert. In den USA ist es für Spieler kein Problem, wenn die Regel viele Fragen offen lässt oder auch verworren ist, man liest dann immer in den FAQs nach. Die Deutschen haben schon eher den Anspruch, eine "komplette" Spielregel in Händen zu halten. Normalerweise wollen wir dem gerne Rechnung tragen. Und auch wenn wir uns bemüht hatten, die offenen Fragen zu beantworten, so sind, wie in unserem Forum zu sehen, immer noch Fragen offen. Bei einem Reprint werden wir uns hier sicher wieder engagieren ...

Die Übersetzung der Spielmaterialien - die Karten enthalten ja unglaublich viel Text - ist mit sichtbarer Liebe erstellt. Gehörte dazu nicht auch ein profundes Wissen über Lovecraft und sein Werk?

Zum Glück bin ich selbst ein Szenekenner, wenn auch nicht auf dem allerneuesten Stand der Community. Ich habe einen Fan gefunden, der sich für die Übersetzung eingesetzt hat, und mir den Text danach selbst im Lektorat vorgenommen. Ursprünglich wollten wir gerne Pegasus ins Boot nehmen, die ja sehr guten Zugang zur Community haben. Leider hat sich das dann doch nicht ergeben. Kurz vor Druck habe ich dann über Umwege jedoch noch einen Cthulhu-Redakteur gefunden, der sich den Text noch mal vorgenommen hat und auch einige Verbesserungen einbringen konnte. Wir haben bisher immer bessere Erfahrung mit Übersetzungen von Szenekennern gehabt als mit professionellen Übersetzern, die das Thema überhaupt nicht kennen. Der Traum ist natürlich ein Diplomübersetzer, der Cthulhu spielt ?

"Arkham Horror" bietet gerade für experimentierfreudige Spieler unzählige Möglichkeiten, sich Hausregeln auszudenken und das Spiel zu variieren; einige solcher Ideen lassen sich im Netz, zum Beispiel unter http://www.boardgamegeek.com/game/15987 nachlesen. Wisst ihr von solchen Haus- und Variationsregeln, spielt ihr sie selbst oder könnt ihr sogar eine empfehlen?

Einige FFG-Spiele wie "Descent" sind sicher noch variabler als "Arkham", jedoch bietet natürlich auch "Arkham" ein solches Potenzial. Das Schöne an der Community ist wirklich ihr Wille, sich selbst in ein Spiel einzubringen. Jede Regel ist ja irgendwie nur ein Vorschlag, und jeder biegt sich das Spiel auch immer so hin, wie es am meisten Spaß macht. Was nicht gefällt, soll weggelassen werden. In unserem Forum betreue ich die zwei unterschiedlichen Fraktionen. Die Regelkonformen, die gerne an der Regel bleiben und auch immer gerne eine offizielle Antwort auf offene Fragen haben. Und die Kreativen, die sich die Regeln auch gerne umbauen. Diese Leute sind der Grund für das Entstehen von Varianten und Hausregeln. Jede Variante bringt das Spiel in eine Richtung, die dem einen besser, dem anderen weniger gefallen mag. Habe ich zum Beispiel das Bedürfnis nach einem höheren Schwierigkeitsgrad, nach mehr Interaktion, nach mehr Kämpfen, nach einem schnelleren Spiel oder nach mehr Variabilität? Ein Fan hat zum Beispiel einen Editor entwickelt, mit dem man neue Ermittler und Große Alte erstellen kann. Ich muss mich entscheiden, ob ich am Grundspiel etwas vermisse oder ob ich zum Beispiel in einer Spielrunde bin, die andere Bedürfnisse hat. Manchmal bevorzuge ich Varianten, die das Spiel beschleunigen, da leider nicht jeder die Ausdauer hat, das Spiel in voller Länge durchzuziehen. Kurz und gut, ich kenne die Varianten, da ich jedoch oft auch Neulinge in der Spielrunde habe, bleibe ich zumeist erst mal am Original. Erst wenn ich in einer erfahrenen Runde bin, überlegen wir uns eine Anpassung.

"Arkham Horror" wird ja bald ein paar Erweiterungen bekommen, deren Namen allesamt das Herz eines Lovecraft-Fans höher schlagen lassen. Welche Möglichkeiten bieten die Ausbausets "Dunwich Horror", "Fluch des schwarzen Pharao" und "Der König in Gelb", und wann werden sie auf Deutsch erscheinen?

Der "Fluch des schwarzen Pharao" und "Dunwich Horror" werden voraussichtlich im Herbst zur Spielmesse in Essen auf Deutsch erscheinen. "Der König in Gelb" kommt ja erst in Kürze auf Englisch heraus. Da wird also erst 2008 etwas in Deutsch passieren. Wir wollen uns immer erst von der Qualität eines Spiels und einer Erweiterung überzeugen, bevor wir uns für eine deutsche Umsetzung entscheiden. Deshalb warten wir meist circa sechs bis zwölf Monate ab. Und dann hängt auch einiges an dem gemeinsamen Druck mit FFG. "Fluch des Schwarzen Pharao" ist ja eine reine Kartenerweiterung. Sie bringt erst mal mehr von den ganzen Kleinigkeiten, wie Zauber und Gegenstände. Wichtigste Neuerung ist jedoch, dass es einen kleinen Extraplot im Spiel gibt, der sich auf eine ägyptische Ausstellung und damit verbundene Vorkommnisse bezieht. Man kann die Erweiterung also zum reinen Auffüllen der Kartenstapel verwenden, oder man nutzt auch die, in meinen Augen bessere, Ergänzung des Spielplots. Wer jedoch ein komplett anderes Spiel von dieser Erweiterung erwartet, den muss ich enttäuschen. Auch wenn ich die Neuerungen spannend finde, so ist das Spiel immer noch sehr nahe am Grundspiel, was ja auch nicht verkehrt ist. "Dunwich Horror" ist da schon ein anderes Kaliber. In dieser Box ist von allem etwas drin. Ein neues Brett, mehr Ermittler und Große Alte, mehr Karten und Standorte. Der Spielplan ersetzt jedoch nicht den alten, er wird einfach daneben gelegt. Die Stadt Dunwich, welche auf dem Plan zu sehen ist, wird über den Bahnhof erreicht, so dass die Ermittler von Spielplan zu Spielplan springen können. Und das müssen sie auch, denn Dunwich bietet eine ganz neue Gefahr, die jedoch zusätzlich besteht. Es gibt also deutlich mehr zu tun. Die Zeit des ruhigen Ausrüstens ist mit dieser Erweiterung sicher vorbei. Der "König in Gelb" geht dann wieder mehr in Richtung der ersten Kartenerweiterung. Ein neuer Plot rund um eine merkwürdige Aufführung, deren Besucher dann als willenlose Helfer des Gelben Königs über die Stadt schwärmen. Wie "Fluch des Schwarzen Pharao" bietet diese Erweiterung einen neuen Extraplot und auch wieder mehr Material für die Kartenstapel. Leider habe ich sie noch nicht spielen können, da sie ja erst demnächst herauskommt.

Eine "Heidelberg Horror"-Ergänzung ist bislang noch nicht geplant, oder?

Eine lustige Idee wäre das natürlich. Da FFG so fleißig mit Erweiterungen ist, kommen wir jedoch erst mal nicht zu solchen Liebhaberprojekten. Zu viele Extras überladen ein Spiel, wir möchten gerne, dass "Arkham" langfristig neue Fans gewinnt, die sich nicht von einer Flut von Erweiterungen abschrecken lassen. In gemäßigtem Zeitabstand kann man dann ja über Extras nachdenken, also schließe ich mal nichts aus.

Zu guter Letzt: welche Ermittler empfiehlst du Neueinsteigern?

Tja, je nach Spieleranzahl und Großem Alten als Gegner würden mir da andere einfallen. Es ist auf jeden Fall immer gut, wenn die Ermittler aus verschiedenen Ecken kommen. So macht es Sinn, wenn einer sich mit Zaubern auskennt, jemand anderes aber ordentlich mit Waffen umgehen kann.
Einige Ermittler können alles ein bisschen, das ist zwar hilfreich in allen Lebenslagen, aber auch schwerer zu spielen. Zum Beispiel sind Typen wie Michael McGlen oder auch Monterey Jack ganz gut. Man darf sich halt nichts vormachen und sollte den Dingen, die Geistige Gesundheit kosten, möglichst aus dem Weg gehen. Ein gut zu spielender Zauberertypus ist in meinen Augen ganz klar Harvey Walters, der weniger anfällig für den Verlust seiner Geistigen Gesundheit ist.

Herr Eller, wir danken für dieses tolle Interview und wünschen "Arkham Horror" allen Erfolg.
Geführt von Hagen Hoffmann