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 Halbstark und cool

Ausgewählte Jugendkulturen seit den 1950er Jahren


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis


Über Jugendkultur ist schon seit hunderten von Jahren viel geredet worden. Damals wie heute hat das Thema Jugend eine hohe Brisanz. So nehmen inzwischen Jugendkulturen einen immer höheren Stellenwert in der Sozialisierung ein und sind ebenso wichtig wie Familie und Schule. Es hat sich eine fast unüberschaubare Vielfalt von Jugendkulturen mit eigenen Norm- und Wertvorstellungen, einer eigenen Kleiderordnung und Sprache herausgebildet.

"Halbstark und cool" von Jakob Kandlbinder beschäftigt sich mit ausgewählten Jugendkulturen seit den 1950er Jahren. Dem Buch liegt die Diplomarbeit des Autors zugrunde. Nach einer Einleitung folgt der Hauptteil des Buches, in dem sich Jakob Kandlbinder mit der Jugend und Jugendkultur der 50er und 60er Jahre und der Gegenwart beschäftigt. Nach einer Begriffsbestimmung, in der Schlüsselbegriffe wie "Jugend", "Kultur" und "Szene und Clique" erläutert werden, widmet sich der Autor der Jugend und Jugendkulturen der 50er Jahre. Hierbei erläutert er zuerst die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Hintergrundwissen zu dieser Zeit, wie etwa die Rückbesinnung auf alte Tugenden nach den Trümmerjahren oder der weit verbreitete Bedarf nach Korrektheit.
Weiter geht er ein auf den Kampf zweier Kulturen, der reaktionär-nationalistischen Linie und der Orientierung auf den Westen, besonders die USA. Die sich entwickelnden eigenen Jugendstile wurden durch die immer weitere Verbreitung und Entwicklung der Medienwelt unterstützt. Vielerorts wurde ein Kleiderkampf geführt, der sich gegen die Diktatur der "Korrektheit" wehrte; so setzten sich viele Mädchen dafür ein auch Hosen tragen zu dürfen.
Über die so genannten "Halbstarken" informiert der Autor, in dem er historische Vorläufer nennt und detailliert über das Erscheinungsbild, die Filme und Musik der Halbstarken sowie ihre soziale Herkunft und die Altersstruktur schreibt. Über die zweite große Gruppe von jungen Menschen in den 1950er Jahren, den Teenagern, ist anschließend die Rede. Diese Teenager stellten das erste Bündnis zwischen Jugend- und Freizeitkultur da und hatten als erste den Konsum als Bezugsrahmen, der sie deutlich von allen vorherigen Jugendgenerationen unterschied und wegweisend für spätere Jugendkulturen war. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der 50er Jahre wurden Teenager als Konsumenten entdeckt, eine immer größer werdende Industrie kreierte und verkaufte Artikel für eine ganze Jugendkultur.
Ein weiteres Thema ist die Jugend und Jugendkultur der 60er Jahre. Auch hier nennt der Autor die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und die zu beachtenden Hintergründe. Besonders zu nennen sind hier der sich fortsetzende Siegeszug der Unterhaltungsindustrie, die Amerikanisierung sowie die Emanzipation und die sexuelle Revolution. Anschließend schreibt Jakob Kandlbinder über die Beat-Kultur. Hier ist es besonders die Beat-Musik als Katalysator für ein neues Lebensgefühl und der Beat als Massenbewegung, der von einem lokalem zu einem nationalem und dann einem globalen Phänomen wurde. Die Studentenproteste und die Jugend- und Studentenkrawalle werden anschließend erwähnt und auf ihre Vorboten, die politischen Hintergründe und ihre Entwicklung und den Verlauf hin untersucht. Abschließend zu den 60er Jahren wird auf die Hippiekultur eingegangen.

Anschließend folgt ein Zeitsprung in die Jugend und Jugendkulturen der Gegenwart, hier werden besonders die Technokultur, die (rechte) Skinhead-Bewegung und Rap/Hip-Hop genannt. In Bezug auf die Technokultur informiert der Autor über die Musik, die Werteorientierung der Szene, den Zusammenhang von Techno und Drogen, den Stil und die Mode und nimmt folgend eine Deutung und Bewertung der Techno-Bewegung vor, in der er sich dagegen ausspricht, der Techno-Bewegung jegliche politische Relevanz in Abrede zu stellen.
In Bezug auf die (rechte) Skinhead-Bewegung folgt eine Beleuchtung der Wurzeln und der sozialen Herkunft und Wertorientierung der Skins. Weiter werden mögliche Entstehungsbedingungen für die Bildung rechter Skinhead-Gruppen und Gründe rechtsextremer Gewalt genannt.
Auf Rap/Hip-Hop wird nur mit einem kurzen Überblick über die Entwicklung von der Straßenkultur der verarmten Schwarzen-Viertel amerikanischer Großstädte zur weltweit etablierten Musik- und Jugendbewegung eingegangen.

Im Schlussteil des Buches unternimmt der Autor den Versuch einer Beleuchtung des Wandels von Jugend und Jugendkultur und schreibt hier vor allem über den Wertewandel seit den 50er Jahren und den Wandel der Bedeutung von Peergroups und Jugendkultur. Jugend und Jugendkultur der Gegenwart sind besonders von Individualisierungs-, Pluralisierungs-, Differenzierungs-, Kommerzialisierungs-, und Mediatisierungsprozessen betroffen. Einem kurzen Ausblick folgt ein sehr umfangreiches Literaturverzeichnis.

Jakob Kandlbinders Buch merkt man die Diplomarbeit deutlich an. Die Aufzählungsstruktur wurde beibehalten, so dass man auf Kapitel stößt, die - neben einem prägnanten Titel - "3.3.5" heißen. Die Fußnoten verweisen auf weiterführende Literatur und ermöglichen einem interessierten Leser so eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema. Wer auf eine umfassende Darstellung aller bekannten Jugendkulturen hofft, wird enttäuscht. "Halbstark und cool" präsentiert bei der Beschäftigung mit ausgewählten Jugendkulturen seit den 1950er Jahren die wichtigsten Punkte kurz und bündig. Leider wurde hier lediglich der Text der Diplomarbeit in Buchform herausgegeben; Fotos, Zeichnungen oder Übersichten hätten das Lesen manchmal kurzweiliger gestaltet. Für einen Überblick über die genannten Jugendkulturen und zur weiteren Auseinandersetzung des Themas mithilfe des umfangreichen Literaturverzeichnisses ist es aber gut geeignet.

"Halbstark und cool" bietet in optisch reduzierter Form einen Überblick über ausgewählte Jugendkulturen seit den 1950er Jahren mit vielen Text- und Literaturhinweisen.

Nele Kohrs



Taschenbuch | Erschienen: 01. Mai 2005 | ISBN: 9783933060181 | Preis: 12,00 Euro | 122 Seiten | Sprache: Deutsch

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