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 Die Eleganz des Igels


Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


Paris, siebtes Arrondissement, Rue de Grenelle No. 7: ein Haus voller nobler Appartements mit Wohnflächen von zweihundert Quadratmetern und dementsprechend wohlhabenden Bewohnern. In diesem Pariser Luxuspalais ist Renée Michel Concierge. Die 54-jährige bemüht sich nach Kräften, dem typischen Bild zu entsprechen, das alle Welt ihrer Meinung nach von Concierges hat: spröde, unansehnlich, von schlichtem Gemüt, die Tage vor dem Fernseher verbringend, eine dicke Katze haltend. Dabei ist Renée alles andere als ungebildet. Sie macht sich lediglich ein Vergnügen daraus, ihre Intelligenz vor den bornierten Bewohnern des Hauses geheim zu halten und sich ihrerseits Gedanken über deren Geisteszustand zu machen.

In ebenjenem Haus, in dem Renée Concierge ist, lebt auf der vierten Etage die zwölfjährige Paloma mit ihren reichen Eltern und ihrer Schwester. Paloma besitzt eine überdurchschnittliche Intelligenz, verbirgt dies aber ebenfalls vor der Umwelt. In ihren Tagebüchern kommentiert das Mädchen die Welt, wie sie sie sieht. Es soll ein Vermächtnis sein, denn Paloma hat den Plan gefasst, sich an ihrem dreizehnten Geburtstag umzubringen und vorher das elterliche Luxusappartement in Brand zu stecken. Doch es kommt anders: Ein neuer Bewohner zieht in die Rue de Grenelle ein. Der japanische Geschäftsmann Kakuro Ozu bringt die Leben von Renée und Paloma ganz schön durcheinander ...

"Die Eleganz des Igels" ist der zweite Roman von Muriel Barbery; das Buch avancierte zunächst in Frankreich und dann auch in anderen Ländern rasch zum Bestseller und wurde mit dem Prix des Libraires 2007 ausgezeichnet. Die Erwartungen sind dementsprechend hoch - von einer bitterbösen Satire ist in den Kritiken die Rede, von amüsantem Geschehen, das den Vergleich mit der fabelhaften Welt der Amélie nicht zu scheuen braucht (ein häufig strapazierter Vergleich bei französischer Literatur). Leider entpuppt sich die Geschichte aber dann als ziemlich träge und anstrengend. Das liegt daran, dass es praktisch keine Handlung gibt und dass die Hauptpersonen kaum bis gar nicht aktiv das Geschehen vorantreiben. Hauptsächlich wird hier beobachtet, gedacht, sinniert, gegrübelt, kommentiert, in langen, ja endlos langen geistigen Monologen, und das auf durchaus hohem Niveau.

Als Hörer dieser Lesung aus dem Verlag Hörbuch Hamburg fragt man sich bei so manchen Satz bang und etwas beschämt, ob man in den Welten Tolstois, Kants und Husserls uneingeschränkt zuhause sein muss und ob man am Ende vielleicht sogar zu den Menschen gehören würde, auf die Renée und Paloma mit leiser Verachtung herabblicken.
Das Hörbuch ist - obwohl sehr ansprechend und passend gelesen von Anna Thalbach und ihrer Tochter Katharina Thalbach - als Medium ziemlich ungeeignet für den stellenweise schweren Stoff. Wenn Renée einen ihrer langen Sätze beginnt, die im Buch sicherlich mühelos halbe Seiten oder gar mehr füllen, hat man am Ende des Satzes den Faden teilweise schon verloren. Im Buch kann man solche Sätze natürlich mehrfach lesen, entschlüsseln und entwirren und nochmals darüber nachdenken; bei einer Lesung führt das zu dem Effekt, dass so manch hochgeistiger Erguss an einem vorbeizieht. Vor allem auf Autofahrten wird "Die Eleganz des Igels" bald zum Hintergrundrauschen, das man geistig kaum fassen kann, wenn man sich aufs Fahren konzentrieren muss. Dieses Hörbuch will bewusst konsumiert werden, nicht nebenbei, was ja an und für sich nichts Schlechtes ist.

Im Endeffekt sind die Hauptcharaktere dieser Buchvorlage aber unbefriedigend, denn sie wirken erstarrt, verkopft und insgesamt recht negativ. Als Hörer fragt man sich nun mehrfach, was an Renées Leben erstrebenswert sein soll. Statt zu leben und etwas mit ihrer Intelligenz anzufangen, verbirgt sie ihr wahres Ich und empfindet Schadenfreude und Genugtuung darüber, dass niemand hinter ihre Fassade blicken kann. Natürlich gibt es für die freudlose Concierge eine Läuterung - sonst hätte dieser Roman kaum Sinn -, aber bis dahin ist es ein weiter Weg. Und so wie die stachelige Madame Michel sich verwandelt und ihren Panzer ein Stück weit ablegt (endlich erfährt der Hörer, was es mit ihrem Verhalten auf sich hat), so wandelt sich auch der Tenor des Hörbuches von intellektuell-betrachtend zu sehr emotional und anrührend - wozu nicht zuletzt das Ende beiträgt, das vielen Hörern ganz und gar nicht gefallen wird. Gegen Ende hin ist "Die Eleganz des Igels" dann auch weitaus besser zu "ertragen" und reißt wirklich mit, weil die Charaktere endlich menschlich werden und ihre Masken ablegen. Eine schöne Metamorphose, für die der zugezogene Japaner Kakuro verantwortlich ist.

Wer anspruchsvolle Romane mag und sich gerne mit den Fragen des Lebens auseinander setzt, wer gern die Theorien von Geisteswissenschaftlern verfolgt, wer wenig Handlung in einer Geschichte nicht als Manko ansieht und natürlich wer die Stimmen von Anna und Katharina Thalbach schätzt, der wird an diesem Hörbuch bestimmt seine Freude haben. Alle anderen sollten zunächst einen Blick in das Buch werfen und dann entscheiden, ob Muriel Barberys Art zu schreiben ihnen liegt.

Christina Liebeck



CD | CD-Anzahl: 6 | Erschienen: 01. Mai 2008 | ISBN: 9783899036077 | Laufzeit: 467 Minuten | Originaltitel: L`élégance du hérisson | Preis: 24,95 Euro

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