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 Himmelsstürmer

Zwölf Portraits

Autoren: Alex Capus
Verlag: Knaus

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Biografien werden gewöhnlich nur über sehr bekannte Persönlichkeiten verfasst. Alex Capus hat hier bei einem Teil der von ihm portraitierten Personen eine Ausnahme gemacht. In seinen zwölf Portraits finden sich Kapitel zu Madame Tussaud, die in ihrem späteren Leben das nach ihr benannte Wachsfigurenkabinett in London eröffnete, Jean-Paul Marat, einer ungewöhnlichen Persönlichkeit zu Zeiten der Französischen Revolution, oder Fritz Zwicky, der das erste von Menschenhand geformte Objekt in den Weltraum schoss. Während diese Persönlichkeiten mehr oder weniger bekannt sein dürften, sind andere in Vergessenheit geraten, so Samuel Johann Pauli, der im frühen 19. Jahrhundert ein revolutionäres Hinterladergewehr erfand sowie bereits Jahre zuvor das erste lenkbare Luftschiff der Welt. Beide Erfindungen konnten sich (zu dieser Zeit) nicht etablieren. Oder auch Adolf Haggenmacher, der als einer der ersten Europäer das Somaliland am Horn von Afrika betrat und ausführlich berichtete, bevor er ein gewaltsames Ende durch Somalikrieger in der Nähe des Assalsees fand.

Was haben nun all diese Menschen und die sieben weiteren, die in "Himmelsstürmer" portraitiert sind, gemeinsam? Sie sind alle in der Schweiz geboren, kamen aus kleinen bis gutbürgerlichen Verhältnissen, mussten in ihrer Kindheit und Jugend oft Widrigkeiten überstehen und zogen schließlich in die Welt hinaus, um in verschiedensten Ländern zu arbeiten, zu forschen und zu leben. Dabei ist ihnen allen gemein, dass sie zuversichtlich an der Erfüllung ihrer Träume arbeiteten und sich auf von Rückschlägen nicht entmutigen ließen.
Die meisten Portraits sind als Serie in der "Schweizer Familie", einer Zeitschrift, erschienen. Zwei Portraits, diejenigen über Fritz Zwicky und Ferdinand Hassler, der den USA auf Kosten Kanadas nicht unerheblichen Landgewinn verschaffte, sind zuerst in der "Süddeutschen Zeitung", eins über Eduard Spelterini, der als Flieger und Ballonfahrer mit der gerade erst aufgekommenen Fotografie Luftbilder erstellte, im Magazin des Zürcher "Tages-Anzeigers" erschienen. Trotz dieser Herkunft wirkt "Himmelsstürmer" keineswegs wie ein zusammengesetztes Werk, denn Alex Capus versteht es meisterlich, die verschiedenen Portraits miteinander zu verknüpfen.

Zeitlich reichen die Geschehnisse von den Anfängen der Französischen Revolution bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, also über rund dreihundert Jahre. In jedem Portrait gibt es Querverbindungen; so nahm zum Beispiel Madame Tussaud die Totenmasken von Jean-Paul Marat ab, und am selben Tag, an dem Isabelle Eberhardt ertrank, nachdem sie ein unglaublich abenteuerliches Leben in der arabischen Welt geführt hatte, stieg Pierre Gilliard, der letzte Hauslehrer der Romanow-Kinder, in den Orientexpress nach Russland. Diese kleinen Verbindungen, zusammen mit der sehr angenehmen Schreibweise von Alex Capus’, führen dazu, dass diese Biografien außerordentlich spannend und unterhaltsam zu lesen sind. Jedes Portrait ist ausführlich recherchiert, im Anhang befinden sich weiterführende Literaturhinweise zu allen zwölf Himmelsstürmern. Dank dieser genauen Recherchen muss Alex Capus manchmal auch den eigenen Memoiren der Portraitierten widersprechen, etwa wenn Madame Tussaud behauptet mit der Prinzessin Marie eng befreundet gewesen zu sein und jahrelang neben ihr in Versailles gewohnt zu haben, ihr Name aber nicht im "Almanach de Versailles" auftaucht, der sämtliche Bedienstete und Lohnempfänger namentlich und mit Funktion aufführt. Doch auch wenn er solche Ungereimtheiten aufdeckt (und davon gibt es viele), merkt man dem Autor immer die Sympathie für seine "Helden" an, nutzt er doch dieses Wissen nicht, um sie bloßzustellen, weil sie im Nachhinein die Geschichte geschönt haben, sondern er weist lediglich darauf hin, dass es so sein könnte, wie es in den Memoiren steht, aber vielleicht auch ganz anders war. Dieser sanfte und respektvolle Umgang mit den dargestellten Menschen und der Humor, mit dem Alex Capus kurzweilig und geschickt schreibt, macht "Himmelsstürmer" zu einer spannenden Lektüre, auch für Nicht-Schweizer.

Hervorragend recherchiert und mit einem liebevollen Blick auf die Eigenheiten seiner "Himmelsstürmer" gelingt Alex Capus ein spannendes und interessantes Werk über Schweizer mit ungewöhnlichen Biografien.

Nele Kohrs



Hardcover | Erschienen: 01. September 2008 | ISBN: 9783813503142 | Preis: 14,95 Euro | 200 Seiten | Sprache: Deutsch

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