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 Die Frau in der hinteren Reihe

Autoren: Francoise Dorner
Produzenten: Günther Krusemark
Regisseure: Günther Krusemark
Sprecher: Anna Schudt
Übersetzer: Christel Gersch
Verlag: Diogenes

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


Zu Beginn dieses Romans zieht Nina, Protagonistin des vorliegenden Roman-Hörbuchs, die Bilanz ihres Lebens. Diese fällt ernüchternd aus, beginnend mit:
"Entstehung: zwei zärtliche Stunden in einem Kurort
Geburt: zu früh" und hinauslaufend auf:
"Tod: schiefgelaufen"
In 181 Minuten lernt der Hörer Ninas Leben kennen, das Leben einer einfachen Pariserin, die als ungeliebtes, uneheliches Kind einer egoistischen Mutter aufgewachsen ist und den ersten Mann geheiratet hat, der Interesse an ihr zeigte. Mit ihrem Mann Roger - die Scheidung ist im Gange - betreibt sie einen Zeitungskiosk. Der Tagesablauf ist reine Routine, die mit dem Aufstehen um fünf Uhr und einer anschließenden dreiminütigen ehelichen Pflichtübung anfängt und in keinerlei Hinsicht Höhepunkte bereithält.
Lange hat sich Nina gefragt, was die männlichen Kioskkunden an gewissen Magazinen so sehr fesselt, die sie heimlich betrachten, und sie beginnt, selbst hineinzusehen. Und plötzlich nimmt sie sich als Frau wahr, spürt etwas von den Femmes fatales in sich, denen sie da begegnet. Eher aus Versehen lässt sie sich von einem Kioskkunden flüchtig und auf eine ihr bislang unbekannte Weise sexuell benutzen, weniger versehentlich landet sie bald darauf im Bett eines Lokalpolitikers und entdeckt, dass sie mit ihrer Sexualität Macht auf ihn ausüben kann, und dass ihr das gefällt.
Eigentlich aber möchte sie nur eines: eine erfüllte Beziehung zu ihrem Roger, der ihr, wie sie fühlt, durch den Alltagstrott entgleitet; sofern sie beide überhaupt je zueinander gehörten. Als sie beobachtet, dass er donnerstags, einen Spaziergang vorschützend, ins Kino geht, verkleidet sie sich als aufreizende Chinesin, setzt sich im Kino in die Reihe hinter ihm und zieht alle Register. Roger wird der exotisch-verruchten Schönen aus der hinteren Reihe hörig, die sich ihm immer im letzten Augenblick entzieht.
Doch Nina, neu verliebt in ihren Mann, der sich der Fremden, ganz anders als der echten Nina, absolut hinzugeben bereit ist und sie selbst gar nicht mehr wahrnimmt, wird eifersüchtig auf ihr Alter Ego. Sie beschließt den Tod der Widersacherin und leitet dadurch eine verhängnisvolle Entwicklung ein.

Nina sitzt in der Tat in jeder Hinsicht in der hinteren Reihe, sowohl, was ganz pauschal ihr ereignisloses, an Liebe armes Leben betrifft, als auch später im Kino. Dort aber spielt sie die dominante, fordernd-herausfordernde Rolle, die ihr Roger im wahren Leben niemals zubilligen würde. Denn eigentlich ist er ein Spießer im unangenehmsten Sinne, und wenn er sich auch von Ninas raffiniertem Spiel fesseln lässt, kann die Frau, die er geheiratet hat, doch nur Teil der täglichen Routine sein, eingesperrt in eine Schublade seines Denkens.
Wären die von den Männern verstohlen betrachteten Zeitschriften nicht gewesen, so wäre Nina die gehorsame, angepasste Tochter und Ehefrau geblieben. Aber sie stellt plötzlich ihre Weiblichkeit bewusst zur Schau, und die beiden Seitensprünge und ihre Rollen darin ändern ihr Selbstbild dramatisch. Sie hinterfragt ihr bisheriges Leben. Während viele Männer eine ähnliche Entwicklung in einer zur Routine erstarrten Ehe begrüßen würden, ist Roger mit seinem fest gefügten Weltbild hoffnungslos überfordert - und zugleich für die Reize einer mysteriösen Fremden überaus empfänglich.
Françoise Dorner legt mit "Die Frau in der hinteren Reihe" einen bezaubernden Roman vor: fein ironisch bis hin zu beißendem Sarkasmus, melancholisch, tiefsinnig, manchmal hinreißend komisch. Die Auswahl an Charakteren, die sich gegenseitig das Leben vergällen, wurde von der Autorin großartig getroffen; sie wirken lebensecht, und auch die gesamte Erzählung fesselt den Hörer durch die wechselnden Stimmungen, zum Teil unerwarteten Wendungen und das bereits zu Anfang ersichtliche Fehlen eines "Happy Ends".
Ein Hörbuch kann freilich eine noch so gute Vorlage haben, es lebt letztlich vom Sprecher oder der Sprecherin. Anna Schudt findet sich großartig ein in die Rolle der Ich-Erzählerin Nina, weiß die erwähnten wechselnden Stimmungen nuanciert wiederzugeben und bietet somit ein spannendes Hörerlebnis.
Kurz, "Die Frau in der hinteren Reihe" ist die gelungene Umsetzung eines so originellen wie nachdenklich machenden Kurzromans zu einem überzeugenden Hörbuch, das im Übrigen auch mit ansprechender Aufmachung punkten kann.

Regina Károlyi



CD | CD-Anzahl: 3 | Erschienen: 01. Oktober 2008 | ISBN: 9783257802139 | Laufzeit: 181 Minuten | Originaltitel: La fille du rang derrière | Preis: 22,90 Euro

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