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 Zamonien: Die Stadt der Träumenden Bücher

Serie: Zamonien
Autoren: Walter Moers
Sprecher: Dirk Bach
Verlag: Hörbuch Hamburg

Cover
Gesamt ++++-
Aufmachung
Brutalität
Humor
Spannung
Ton


Ja, ich rede von einem Ort, wo einen das Lesen in den Wahnsinn treiben kann. Wo Bücher verletzen, vergiften, ja, sogar töten können. Nur wer wirklich bereit ist, für die Lektüre dieses Buches derartige Risiken in Kauf zu nehmen, wer sein Leben auf’s Spiel setzen will, um an meiner Geschichte teilzuhaben, der sollte mir folgen. Allen anderen gratuliere ich zu ihrer feigen, aber gesunden Entscheidung, zurückzubleiben. Macht’s gut, ihr Memmen! Ich wünsche euch ein langes und sterbenslangweiliges Dasein und winke euch in diesem Satz Adieu!
(Hildegunst von Mythenmetz in seiner Einleitung zu "Die Stadt der Träumenden Bücher")

Über ein Jahr ist es nun bereits her, seit der deutsche Schriftsteller Walter Moers "Die Stadt der Träumenden Bücher" veröffentlichte und damit den bereits vierten Roman um den von ihm entdeckten Kontinent Zamonien vorlegte. Wie auch die drei Vorgängerromane - "Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär", "Ensel und Krete" und "Rumo & Die Wunder im Dunkeln" - wurde auch der vorliegende Band rasch zum Bestseller ausgerufen. - Und das durchaus zu Recht, denn Walter Moers entführt seinen Leser erneut in ein spannendes, fantastisches und vergnügliches Abenteuer. Nun, im November 2005, ist endlich auch das von Fans lang erwartete Hörbuch zum Roman erschienen, welches von Dirk Bach gelesen wird, der zum wiederholten Male eines von Walter Moers’ Werken vorträgt.

Es ist ein trauriger Tag für den jungen Lindwurm Hildegunst von Mythenmetz, als sein Dichtpate Danzelot von Silbendrechsler im Alter von achthundertachtundachtzig Jahren seinen letzten Atemzug macht. Doch noch auf dem Sterbebett erzählt Danzelot seinem Schüler von einem Manuskript, das ihm einst von einem unbekannten Absender zugeschickt wurde, um es zu beurteilen. Obwohl nur ein handgeschriebenes Schriftstück, war Danzelot so überwältigt von diesem perfekten Stück Literatur, dass er selbst angesichts der Tatsache, dass er niemals so Vollkommenes schaffen könne, das Schreiben aufgab. In einer Antwort riet er dem Verfasser nach Buchhaim, der Stadt der Bücher, zu gehen und sich dort verlegen zu lassen. Doch wie Danzelot sich nach langen Jahren eingestehen muss, war dieser Rat ein großer Fehler, denn gerade in Buchhaim gibt es viele Neider, die zudem nur wenige Skrupel haben. Von dem unbekannten Verfasser hat Danzelot seit seinem Ratschlag nichts mehr gehört und stirbt mit dem nagenden Gedanken, dass er den Untergang dieses Talents heraufbeschworen haben könnte. Als Mythenmetz das Manuskript schließlich selbst liest, ist auch er hellauf begeistert und ihm wird klar, dass Danzelot Recht gehabt hatte: mit diesem Schriftstück hielt er etwas Vollkommenes in seinen Klauen. Um herauszufinden, was tatsächlich aus dem Verfasser geworden ist, beschließt Mythenmetz nach kurzem Zögern, sich auf die Suche nach dem Unbekannten zu machen und herauszufinden, was mit diesem geschehen ist. So macht sich der Dinosaurier auf den Weg nach Buchhaim - einer Stadt, die alle seine Träume wahrwerden zu lassen scheint. Bücher über Bücher, alte, neue, kostbare, billige, schäbige, teure. Eine Zeit lang scheint es, als verliere sich Mythenmetz in all den Wundern dieser Stadt, doch dann besinnt er sich wieder auf den eigentlichen Zweck seines Aufenthalts und beginnt mit den Nachforschungen. Schon bald werden einige zwielichtige Gestalten auf den jungen Dichter aufmerksam, der mit einem so perfekten Stück Literatur in der Tasche quer durch Buchhaim marschiert und es jedem unter die Nase hält und nach dem Verfasser fragt. Es kommt, wie es kommen muss: Hildegunst von Mythenmetz wird hereingelegt und als der Lindwurm wieder zu sich kommt, befindet er sich in den berüchtigten Katakomben von Buchhaim - dem Revier der Bücherjäger, der Heimat gefährlicher Kreaturen und dem Reich des schrecklichen Schattenkönigs...

Nach "Ensel und Krete" ist "Die Stadt der Träumenden Bücher" der bereits zweite Zamonien-Roman, den der deutsche Autor Walter Moers aus Sicht des zamonischen Dichters Hildegunst von Mythenmetz erzählt. Um diesen Umstand noch glaubwürdiger in seine Geschichte einbetten zu können, erfindet der Schriftsteller kleine Details, die im ersten Moment kaum außergewöhnlich auffallen mögen, die sich aber bei genauerem Überlegen als Grundlage der Erzählperspektive erweisen. So bezeichnet Moers sich selbst als Übersetzer der Geschichte und erzählt in einem kurzen Nachwort von der Arbeit mit Mythenmetz und dessen Werk "Reiseerinnerungen eines sentimentalen Dinosauriers". Ein Interview mit Hildegunst von Mythenmetz auf der Homepage zu den Zamonien-Romanen (www.zamonien.de), in welchem es unter anderem um die Zusammenarbeit zwischen Walter Moers und dem zamonischen Dichter geht, rundet den Eindruck dieses einfallsreichen Hintergrundes ab.

Auch während seiner Erzählung besticht der Schriftsteller durch breitgefächerten Einfallsreichtum. Egal ob man den Plot an sich betrachtet, die Beweggründe der Figuren, die Methoden der Bücherjäger, sich gegenseitig aus dem Weg zu räumen, oder die Vielfalt der Geschöpfe und Kreaturen Zamoniens und der Katakomben von Buchhaim (da gibt es Spinxxxxe, Harpyre, Eydeeten, Schrecksen, Gefährliche Bücher, Trompaunen, Schreckliche Buchlinge, den Schattenkönig und viele andere) - Walter Moers scheint vor Kreativität zu sprühen. Angesichts dieser Ideenvielfalt fallen - zumindest in der Buchfassung - auch die längeren Textpassagen, in denen der Erzähler allein durch die Gassen Buchhaims oder die Katakomben streift und während denen man sich ab und an nach dem einen oder anderen Dialog sehnt, nicht weiter negativ ins Gewicht.
Einen langen Teil seines Abenteuers verbringt der junge Lindwurm bei den sogenannten Schrecklichen Buchlingen, die Leser sowie Hörer gleichermaßen sofort in ihr Herz schließen können. Schnell gewinnt man die kleinen Geschöpfe und deren Art, sich zu verhalten und ständig Ausschnitte aus den Gesamtwerken verschiedener Dichter zu zitieren, lieb und trauert ihnen sehnsüchtig nach, als Mythenmetz seine putzigen Freunde schließlich wieder verlassen muss.

Noch zu gut erinnert sich der Leser daran, wie Hildegunst von Mythenmetz in seiner Erzählung "Ensel und Krete" in einer seiner "Mythenmetz’schen Abschweifungen" über Laptantidel Latuda hergezogen ist, welcher zu diesem Zeitpunkt einer der größten Kritiker von Mythenmetz’ Werken ist. Umso mehr erfreut es nun den Leser - beziehungsweise Hörer -, wenn Moers in seinem vorliegenden Roman immer wieder Bezüge auf Gegebenheiten nimmt, die bereits in "Ensel und Krete" erwähnt wurden. So erfährt man unter anderem mehr über das schicksalhafte erste Treffen zwischen Hildegunst von Mythenmetz und Laptantidel Latuda und wie es dazu kam, dass der eine des anderen größter Kritiker wurde (- Allein die Banalität dieses Grundes lässt den Leser schon schmunzeln). Einen großen Nachteil haben diese Rückbezüge allerdings: Man muss zumindest "Ensel und Krete", wenn nicht sogar auch die beiden anderen Zamonien-Romane kennen, um diese entdecken und sich darüber amüsieren zu können. Wer jedoch in Sachen Zamonien bereits ein wenig bewandert ist, der wird viele kleine Köstlichkeiten in diesem Buch entdecken, die für heitere und amüsante Unterhaltung sorgen.
Natürlich bietet Walter Moers nicht nur Komik, die sich auf andere seiner Geschichten bezieht, im Gegenteil: feiner als auch grober Humor, Wortwitz, Sarkasmus und Ironie - all dies sind Elemente, derer sich der Autor großzügig bedient. Und dabei rücksichtslos das Büchergewerbe auf die Schippe nimmt. Denn während "Die Stadt der Träumenden Bücher" im Grunde eine Hommage an die Literatur ist, bekommen alle, die durch ebendiese ihr Geld verdienen - seien es nun Agenten, Händler, Antiquare, Kritiker oder gar Schriftsteller - durch sarkastische Seitenhiebe ihr Fett weg. Dabei zögert Walter Moers nicht einmal, sich durch eine herrliche Selbstironie selber zu kritisieren.

Die vorliegende Hörbuchfassung des Romans umfasst nun eine ungekürzte Lesung, die aus stolzen vierzehn CDs mit einer Gesamtlaufzeit von 1050 Minuten besteht, was einer Spielzeit von 17 ½ Stunden entspricht. Als Sprecher des Hörbuchs konnte erneut Dirk Back engagiert werden, der auch schon die bisherigen Zamonien-Romane Moers’ eingesprochen hat. Man liegt wohl kaum falsch, wenn man behauptet, dass sich beide - Autor und Sprecher - gegenseitig bewundern. Auch diesmal kann Dirk Bach den Hörer durch seine Interpretation der Geschichte faszinieren. In einer überdrehten Art und Weise, die genau zum Inhalt der Erzählung passt, schafft es der Sprecher, den unterschiedlichsten Figuren und Kreaturen durch abwechselnde und teilweise grundverschiedene Stimmfärbungen Leben einzuhauchen und lässt die Geschöpfe Zamoniens vor dem inneren Auge des Hörers noch plastischer werden als sie es schon in Walter Moers’ Beschreibungen sind. Besonders hervorheben möchte ich hier die Szene, in welcher Hildegunst von Mythenmetz am Eingang der Kammer der Gefangenen Echos steht und ihm all die klagenden Echos entgegenhallen, da diese Szene mich wirklich sehr fasziniert hat und ich den auf- und abschwellenden Rufen sowie dem technisch eingefügten Nachhall gespannt gelauscht habe. Doch auch Figuren wie Phistomefel Smeik mit seinem brummigen Bass, der Schattenkönig mit seiner kräftigen Stimme oder Buchlinge wie Danzelot mit seinem piepsigen Gequieke verleihen dem Hörbuch Tiefe.
Dennoch konnte mich die Lesung im Gesamten nicht ganz so sehr faszinieren wie es das Buch getan hat. Vielleicht - oder sogar höchstwahrscheinlich - lag dies daran, dass ich diese wunderbar fantastische Geschichte bereits in sämtlichen Einzelheiten kannte und mir so die fesselnden Geheimnisse der Erzählung dieses Mal größtenteils verborgen blieben. Doch auch die Textpassagen, in denen Mythenmetz einsam durch die Gänge und Gassen Buchhaims streift und die aus reiner Beschreibung der Umgebung bestehen, kamen mir während des Hörens plötzlich viel langatmiger vor. Schnell sehnt man sich als Hörer danach, auch wieder andere Stimmen zu hören, neue Modulationen von Dirk Bachs Sprachkünsten kennenzulernen und wieder in den Sog der Abwechslung zu gelangen.

Die vom Verlag als "Schmuckkassette" bezeichnete Pappbox des Hörbuchs kann sich wiederum sehen lassen. Unter Verwendung der von Walter Moers selbst angefertigten Titelillustration und des ganz zu Beginn dieser Rezension aufgeführten Zitats auf der Rückseite des Hörbuchs enthält die Box neben einem Booklet vierzehn CDs, die jeweils in eine eigene Papphülle - ebenfalls mit dem Motiv Moers’ versehen - verpackt sind, welche ein Loch in ihrer Mitte haben, durch das die entsprechende CD zu sehen ist. Diese sind mit schwarzer Schrift auf weißem Grund bedruckt und wurden zudem mit sieben verschiedenen Abbildungen der Lebenden Bücher verziert. Auch das Booklet, das ansonsten nur die Tracklisten der einzelnen CDs enthält, weist kurze Textausschnitte sowie einige der wunderbaren und hervorragenden Illustrationen des Autors auf. - Mit der Vielfalt an künstlerischer Gestaltung des Buches kann das Hörbuch freilich jedoch nicht mithalten.

Fazit:
Walter Moers liefert mit "Die Stadt der Träumenden Bücher" nicht nur eine einfallsreiche, sondern auch eine spannende, humorvolle und fantastische Geschichte, die durch die herausragenden Sprecherleistungen von Dirk Bach noch mehr an Tiefe gewinnt, als sie von Anfang an schon besitzt. Dennoch war die Faszination der Erzählung beim Hörbuch nicht ganz so groß wie beim eigentlichen Roman, was vermutlich daran liegt, dass man, wenn man dieses vierte Zamonien-Buch von Walter Moers bereits gelesen hat, die Geheimnisse Buchhaims schon ergründet hat.

Hinweis: In seinem Nachwort zu "Die Stadt der Träumenden Bücher" hat Walter Moers seinen Lesern zwei Vorschläge für eine Fortsetzung des Zamonien-Zyklus gegeben. - So können sich interessierte Leser auf weitere Abenteuer um Hildegunst von Mythenmetz freuen, die hoffentlich in nicht allzu weiter Ferne erscheinen werden. Dann wird es den Lindwurmfestedichter entweder in die Friedhofsstadt Dullsgard verschlagen oder es wird ein Wiedersehen mit den Schrecklichen Buchlingen in den Katakomben Buchhaims geben. Welches von beiden Abenteuern Mythenmetz auch erleben wird - man darf auf jeden Fall gespannt sein!

Bartimäus



CD | CD-Anzahl: 14 | Erschienen: 01. November 2005 | ISBN: 389903225X | Laufzeit: 1050 Minuten | Preis: 49,90 Euro

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