Noch immer werden die Fruchtbaren Länder von einem mächtigen Feind bedroht. Aus der Alten Welt, einem Kontinent jenseits des Ozeans, setzt eine neue Flotte ihre Segel, die - wie bereits im ersten Band der Reihe - nur eines im Sinn hat: die Versklavung der freien Stämme südlich der Grenzhügel. Diesmal haben sie ein Bündnis geschlossen, mit den mächtigen Sonnenherren, die von dem eigensüchtigen Molitzmos angeführt werden. Und auch hinter dieser Invasion steckt kein Geringerer als der dämonische Misianes, der sogar seine Mutter, die sagenumwobene Schattenfrau, über das Wasser entsendet.
Nun richtet sich alle Hoffnung auf die Verteidiger der Fruchtbaren Länder, allen voran der Häuptlingssohn Thungür und der alte Astronom Zabralkan. Aber in ihrem Lager herrscht Angst. Thungürs Führerschaft ist nicht unumstritten, und der Verrat von Molitzmos schwächt die Reihen der Unterstützer. Diesmal scheint Misianes den Sieg davonzutragen ...

Auch im zweiten Teil ihrer Fantasytrilogie "Die Grenzländersaga" verzaubert die argentinische Autorin Liliane Bodoc mit einem ruhigen, getragenen Stil. Ihre Quelle und Inspiration ist die süd- und mittelamerikanische Mythologie, und die Invasion durch Völker eines hochentwickelten Kontinents jenseits des Meeres ist eine unverkennbare symbolische Aufbereitung der Unterdrückung und Versklavung Südamerikas in der Frühen Neuzeit. Der symbolhafte Misianes, halb Dämon, halb Conquestador, richtet sich vor allem gegen die traditionelle Lebensweise der Husuilkes und ihrer Nachbarstämme, die mit ihrer Verehrung der Natur und der Sterne amerikanischen Naturvölkern gleichen. Schlachten und Waffengeklirr stehen dabei nach wie vor im Hintergrund; dieser zweite Band ist viel mehr geprägt durch die Neuorientierung und Bündnisgespräche der bedrohten Stämme, die sich den Invasoren entgegenstellen. Immer wieder brechen aber auch die märchenhaften und mythischen Elemente durch; sprechende Vögel, astronomische Riten und die unmittelbare Verbindung von Mensch und Natur sorgen für stillere Szenen in einer Kulisse des Niedergangs.

Wer Bodocs Auftaktband "Die Tage des Hirsches" schätzte, sollte sich auch diesen Teil nicht entgehen lassen, da er die Handlung nahtlos fortsetzt. Zugleich ist dieses Buch - trotz höherer Seitenzahl - temporeicher geschrieben und wartet mit neuen Figuren auf. Vor allem der wankelmütige Molitzmos ist der Autorin sehr gut gelungen. Wer allerdings eisenstarrende Schlachtenfantasy erwartet, sollte einen großen Bogen um Bodocs Trilogie machen; er wird dem Zauber dieser eher ruhigen Reihe nichts abgewinnen können.