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 Film - Kino - Zuschauer: Filmrezeption / Film - Cinema - Spectator: Film Reception


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis
Die Frage, was genau Filme mit dem Zuschauer machen und welche Wirkungen spezielle Filme auf ein bestimmtes Publikum haben oder hatten, ist aktuell eine der wichtigsten Problemstellungen der Filmwissenschaft. Schon lange fußt sie nicht mehr auf einem behavioristischen Rezeptionsmodell, nach dem audiovisuelle Stimuli einseitig auf einen passiven Zuschauer einwirken.
Filmbetrachtung wird mittlerweile als eine kulturelle Praxis betrachtet, bei der die Rezipienten maßgeblich an der Bedeutungskonstruktion beteiligt sind.
Diese Prämisse liegt auch dem Sammelband zum Thema Filmrezeption zugrunde, in dem Mitglieder des Züricher Seminars für Filmwissenschaft 25 Beiträge zu einer internationalen Tagung versammeln, die 2008 in Kooperation der Universitäten Zürich und Bremen mit drei italienischen Universitäten stattgefunden hat. Die Aufsätze sind fünf verschiedenen Unterthemen zugeordnet.

Deren erste Überschrift, "Topografien der Rezeption", ist etwas vage gehalten und trägt dem Umstand Rechnung, dass sie eine Reihe sehr unterschiedlicher Untersuchungen der Interaktion zwischen Film und Zuschauer zusammenfasst: Sie reichen von einer historischen Auswertung von Interviews mit britischen Kinobesuchern in den 1930er-Jahren bis hin zu allgemeineren Überlegungen zum Beispiel zu den veränderten Rezeptionsbedingungen im so genannten 'post-kinematografischen Zeitalter', in dem Filme größtenteils gar nicht mehr im Kino gesehen werden.
Leichter erschließt sich der Fokus des Blocks "Film/Kino, selbstreflexiv": Die drei hier vertretenen Aufsätze beschäftigen sich mit Filmen und filmtheoretischen Werken, die die konkrete Rezeptionssituation des Filmzuschauers im Kino thematisieren. Die folgenden Texte beleuchten unter dem Titel "Schlaglichter auf die deutsche Geschichte: Kino, Alltag und Affekt" Auswirkungen deutscher Filme auf die Alltagswelt ihres zeitgenössischen Publikums – von der Stummfilmära, über das Kino des Drittens Reichs bis zum bundesdeutschen Nachkriegskino der 1950er und 1960er Jahre. Ebenfalls um historische Rezeptionsstudien handelt es sich bei den Beiträgen zu "Cinema-Going: Sozialisierungen und Diskurse", die die kulturellen und sozialen Bedingungen der Kinoerfahrung anderer europäischer Länder nachzeichnen.
Der letzte Themenblock, "Transnationale Praktiken", weitet schließlich den Blick auf Phänomene der Rezeption von Filmen über die Grenzen ihres Produktionslandes hinaus: Sechs Fallstudien zeigen auf, welche kulturellen und ideologischen Unterschiede zutage treten, wenn beispielsweise amerikanische Spielfilme in der DDR rezipiert werden.

Das Buch hat mit den typischen Schwierigkeiten eines derartigen Sammelbands zu kämpfen: Hier werden viele, teils sehr disparate Spezialuntersuchungen unter einen Hut gebracht, noch dazu aus ganz unterschiedlichen Forschungskontexten und nationalen -traditionen.
Diese Weite zeigt sich auch in der Sprachwahl: Die Herausgeber betonen mit dem Nebeneinander eines deutschen und eines englischen Titels die Adressierung einer internationalen Leserschaft; auch die Einleitung gibt es in beiden Sprachen. Insofern irritiert es, dass die deutschsprachigen Beiträge (etwa die Hälfte der Beiträge ist auf Englisch verfasst) nicht zumindest mit einer englischen Kurzzusammenfassung eingeleitet werden. Deutschsprachige Interessierte (und selbstverständlich werden nur die diese Rezension lesen) wird das nicht stören; dieser Umstand offenbart jedoch eine gewisse allgemeine Unsicherheit darüber, an wen sich der Sammelband eigentlich richten soll. Käufer mit sehr unterschiedlichen Interessen werden den einen oder anderen Aufsatz interessant finden, mit anderen aber wiederum weniger anfangen können. Der Vorteil dabei ist, dass man in dieser Zusammenstellung aber einen Überblick über ganz verschiedene Zugänge zu unterschiedlichen Rezeptionsphänomenen gewinnen kann – und genau dies will das Buch auch leisten.

Mehr Informationen zum Buch, unter anderem das Inhaltsverzeichnis und eine Leseprobe, gibt es auf der Verlags-Website.

Silke Hettich



Softcover | Erschienen: 22. September 2010 | ISBN: 978-3894725242 | Preis: 29,90 Euro | 482 Seiten | Sprache: Deutsch, Englisch

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