Im 19. Jahrhundert ist München auch schon eine große Stadt voller Kultur, Literatur und Schöngeister. Hier treffen sich die geistigen Eliten des Landes, um zu diskutieren und zu studieren. Und manchmal treffen dabei zwei eigentlich grundverschiedene Studenten im Sinne einer Wohngemeinschaft zusammen, die sich sonst nie kennengelernt hätten. Für Ian McMullen ist das Studium in München die einzige Möglichkeit, nicht den Verstand zu verlieren. Der junge Mann und sein Körper waren vor einiger Zeit ein Gefäß für ein Fey-Wesen gewesen, was ihn zwar verlassen hat, doch er spürt immer noch dessen Nachhall. Zu seiner und der Sicherheit anderer Menschen wurde beschlossen, dass er ein arkanes Studium beginnen soll. So kann er seine Fähigkeiten vervollkommnen und die Magierloge hat gleichzeitig ein waches Auge auf ihn.

Sein Mitbewohner Thorolf Maximilian Treustern hingegen hat keinen so ernsten Hintergrund, er zog es vor, seiner angebahnten erfolgreichen Juristenkarriere zu entfliehen und versucht seitdem, sich als Künstler in München zu etablieren. Mit Ian verbindet ihn der ständige Mangel an Geld und die gemeinsame Wohnung. Und im Gegensatz zu dem arkanen Studenten ist Thorolf ein sehr geselliger Mensch, der zum Leidwesen seiner Mutter auch in der Damenwelt Gefallen findet. Was er aber erst eröffnet bekommt, ist, dass in seine Adern Fey-Blut fließt, denn seine so ehrbare Mutter hatte eine Affäre mit einem Vampir, in den sie verliebt war.

Catrin Lybratte ist eine junge Dame, die allerdings noch nicht in die Gesellschaft eingeführt worden ist. Seit ihr Vater eine neue Frau geheiratet hat, ist ihr Leben trist und langweilig. Hinzu kommt, dass sie nachts immer wieder von schrecklichen Träumen heimgesucht wird, die ihr den Schlaf und die Ruhe rauben. Wüsste sie, dass sie Thorolfs heimliche Muse ist und dass sie ebenso wie der Maler und sein Mitbewohner bald in unheimliche Geschehnisse um eine Spinne und eine Katze verstrickt werden würde, würde sie wohl noch schlechter schlafen ...

"Jenseits des Karussells" von Ju Honisch führt locker die Personen und deren Erlebnisse aus "Das Obsidianherz" und "Salzträume" fort. Allerdings haben sich die Charaktere weiterentwickelt und erleben eine komplett neue Geschichte, so dass der Roman sich auch für Neueinsteiger lohnt, die die anderen beiden Bücher noch nicht kennen. Auch wenn die Handlung selbst im aufgeklärten München angesiedelt ist, steckt sie dennoch voller Magie und Zauber. Es existieren in dieser Realität Feyon, zauberkräftige Wesen, deren Denken sich sehr von dem menschlichen unterscheidet. Sie nutzen die Menschheit entweder als Jagdrevier oder als Spielplatz für ihre grausamen Machtspiele. Und ein eben solches Spiel führt die drei so unterschiedlichen Charakteren zu einem ganz besonderen Abenteuer zusammen.

Ju Honisch gelingt es perfekt, die vielen verschiedenen Handlungsstränge und Schauplätze zu einem großen Ganzen zu verweben. Auch wenn anfangs der Leser von den unterschiedlichen Charakteren etwas überfordert ist, findet er sich doch schnell in das Geschehen ein und verfolgt begeistert diese vielschichtige Erzählung weiter. Da jede der handelnden Personen ihren ganz persönlichen Handlungsfaden erhält, wirken sie alle sehr überzeugend und lebendig. Die Grunderzählung entwickelt sich langsam und ist erst im Lauf des Buches vom Leser ganz zu überblicken. Bis dahin wechseln sich abenteuerliche Erlebnisse, spannende Ereignisse, beklemmende Geschehnisse und erläuternde Rückblicke ab und fesseln den Leser jedes Mal aufs Neue.

Es fällt schwer, diesen hintergründigen und niveauvollen Roman richtig einzuordnen. Er besitzt die Symbolkraft und Klasse eines Edgar Allen Poes, wenngleich er nicht ganz so viel Grusel entwickelt. Wer neue gute Literatur entdecken will, der macht mit diesem Kauf nichts falsch.