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 Jeanne oder Die Lerche

Schauspiel in zwei Teilen

Autoren: Jean Anouilh
Verlag: Reclam

Cover
Gesamt ++++-
Brutalität
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Die Geschichte um das junge Mädchen, das in göttlicher Mission aufbricht, um Frankreich von den Engländern zu befreien, wurde schon oft von Schriftstellern und Autoren aufgegriffen. Auch der französische Dramaturg Jean Anouilh hat sich in seinem 1953 veröffentlichten Theaterstück "L’Alouette" des Mythos um Jeanne d’Arc angenommen - und es auf amüsante Art und Weise lesenswert aufbereitet.

Die kleine Jeanne ist erst dreizehn Jahre alt, als sie zum ersten Mal göttliche Stimmen zu sich sprechen hört. Geh, befreie Frankreich aus den Händen der Engländer und kröne den Dauphin Charles zum wahren König, so lautet der Auftrag, den Jeanne vom heiligen Michael, der heiligen Margareta und der heiligen Katharina übermittelt bekommt. Doch es soll noch vier weitere Jahre dauern, bis Jeanne d’Arc nach zwei fehlgeschlagenen Versuchen zu Robert de Beaudricourt, dem Stadthauptmann von Vaucouleurs, vordringen und diesen davon überzeugen kann, ihr eine Eskorte bewaffneter Männer zur Verfügung zu Stellen, die sie nach Chinon zu Charles VII begleiten soll. Da der König beim Empfang Jeannes um sein Leben fürchtet, setzt er kurzzeitig einen seiner Getreuen auf den Thron und mischt sich unter seine Gefolgsleute. In Chinon angekommen durchschaut Jeanne den Schwindel jedoch sofort und erkennt Charles - obwohl sie diesen nie zuvor gesehen hat - als wahren König. Derart von Jeannes göttlicher Mission überzeugt worden, erklärt sich der Dauphin bereit, ihr eine Armee zur Verfügung zu stellen und nach Reims aufzubrechen, welches seit je her Krönungsort französischer Könige war, nun jedoch in dem Teil Frankreichs liegt, der von den Engländern besetzt wurde. Mit Jeanne d’Arc an ihrer Spitze gelingt es der königlichen Armee nicht nur, Orléans zu befreien, sondern auch, nach Reims vorzudringen, wo Charles VII schließlich zum König über Frankreich gekrönt wird. Jeanne ist gerade einmal achtzehn Jahre alt, als sie im Mai 1430 gefangen genommen und an die Engländer ausgeliefert wird - die ihr daraufhin den Prozess machen ...

Noch heute untersuchen Forscher und Wissenschaftler, was es mit der Identität des armen Bauernmädchens, das augenscheinlich hervorragend reiten und kämpfen konnte, tatsächlich auf sich hatte. Theorien besagen sogar, dass Jeanne d’Arc in Wirklichkeit ein Mädchen adeligen Standes gewesen sei und dass die Geschichte um die Bauernstocher in göttlicher Mission lediglich ein ausgeklügelter Versuch des französischen Königshofes war, den erschöpften und demotivierten Soldaten neuen Mut zum Kampf zu geben. Eng an diese Theorien geknüpft finden sich Aussagen, dass Jeanne (als Mitglied des Adelshofs) gar nicht verbrannt, sondern an ihrer statt eine andere Gefangene auf den Scheiterhaufen geführt worden sei. Derartige Vermutungen berufen sich dabei auf Zeugenaussagen, die besagen, dass das Bauernmädchen noch Jahre nach ihrer angeblichen Hinrichtung gesehen worden sei.
Jean Anouilh jedoch greift bei der Beschreibung seiner Jeanne d’Arc auf das klassische Bild des gläubigen, armen Bauernmädchens zurück, das von der Göttlichkeit seiner Mission überzeugt ist. Der übrige Aufbau seines "Schauspiels in zwei Teilen" ist dabei allerdings alles andere als klassisch. Um dem Leser beziehungsweise Zuschauer das Leben Jeanne d’Arcs näher zu bringen, erzählt Jean Anouilh auf drei verschiedenen Ebenen und greift dabei auf ein stets neutral gehaltenes Bühnenbild zurück, bei welchem sich alle Schauspieler die gesamte Zeit der Aufführung über auf der Bühne befinden. So beginnt der Schriftsteller seine Geschichte mit dem Prozess, der Jeanne gemacht wird, nachdem sie den Engländern ausgeliefert wurde. Dieser Prozess zieht sich durch den gesamten Handlungsablauf von "Jeanne oder Die Lerche", wird jedoch immer wieder von einer zweiten Ebene durchbrochen, in welcher Jeanne dem Gericht verschiedene Szenen aus ihrem Leben - etwa die Begegnung mit Beaudricourt oder den Empfang beim Dauphin - vorspielt und damit Rückblicke gibt, die laut Cauchon, dem Vorsitzenden des Gerichts, für eine gerechte Verurteilung unabdingbar seien. Neben der äußerst amüsanten Ausarbeitung der verschiedenen Charaktere, die sich in witzigen Dialogen unterhalten, ist es jedoch vor allem die dritte Ebene, die dem vorliegenden Theaterstück seinen unterhaltsamen und humorvollen Charakter verleiht. Diese Ebene stellt nämlich die Schauspieler selbst dar, die nach Regieanweisung auf der Bühne tuscheln, ihren Text oder Einsatz vergessen oder etwas sagen, das definitiv nicht in ihre zu spielende Rolle passt. Die verschiedenen Ebenen auseinander zu halten fällt dabei zuweilen recht schwer, während die Sprünge an anderen Stellen nicht zu übersehen sind. Dadurch wird die Lektüre von Jean Anouilhs "Jeanne oder Die Lerche" zu einem vergnüglichen und sehr amüsanten Ausflug in die mythische Geschichte um Jeanne d’Arc. Lediglich die Dialoge fallen trotz ihres humoristischen Gehalts etwas langatmig aus, da sie sich meist aus sehr ausschweifenden Kommentaren der Dialogpartner zusammensetzen. Der überraschend offen gehaltene Schluss des Stückes verwundert den Leser dann jedoch und wirkt sehr befremdlich.

Fazit:
Mit seinem Theaterstück "Jeanne oder Die Lerche" hat der Franzose Jean Anouilh 1953 ein Werk geschrieben, das sich auch heute noch amüsant und unterhaltsam lesen lässt. Seine Art, die Geschichte Jeanne d’Arcs zu vermitteln, präsentiert sich zudem nicht nur sehr einfallsreich, sondern weiß auch von Beginn an zu faszinieren. Lediglich die Dialoge erscheinen ein wenig zu ausschweifend und nehmen der Handlung oft das Tempo.

Hinweis: Der französische Originaltext mit dem Titel "L’Alouette" ist ebenfalls im Reclam-Verlag erschienen (Reclam Universal-Bibliothek, Band 9126; ISBN: 3-15-009126-8); um diese Originalfassung jedoch lesen und verstehen zu können, bedarf es weit fortgeschrittener Französisch-Kenntnisse. Ausgestattet mit vielen Wortangaben am Fuß jeder Seite sowie eines informativen Anhangs umfasst das kleine Taschenbuch 199 Seiten und kostet 4,60€.

Valentino Dunkenberger



Taschenbuch | Erschienen: 01. Januar 1992 | ISBN: 3150089700 | Originaltitel: L’Alouette | Preis: 3,00 Euro | 112 Seiten | Sprache: Deutsch

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