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 Abisag Tüllmann: 1935-1996 Bildreportagen und Theaterfotografie


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Bis zum 27. März 2011 ist im Historischen Museum Frankfurt eine Sonderausstellung anlässlich des 75. Geburtstags der 1996 verstorbenen Fotografin Abisag Tüllmann zu sehen. Tüllmann lebte und wirkte über Jahrzehnte in Frankfurt. Als Bildjournalistin hielt sie Momente in Fotos fest, die heute zeitgeschichtliche Dokumente sind, doch gehen sie weit über eine distanzierte Dokumentation und erst recht über den zunehmend praktizierten reinen Sensationsjournalismus hinaus.
Das hier besprochene Buch, Band 30 der "Schriften des historischen museums frankfurt", soll mehr sein als ein Ausstellungskatalog. So sind dem eigentlichen Fototeil nebst einem Vorwort drei Essays vorgeschaltet mit den Titeln "Sehen – Hinsehen", "Schauplatz Großstadt" und "Zwischen Tagespresse und Fotobuch". Der erste Essay führt ins Werk der Fotografin ein und zeigt die außergewöhnliche Spannbreite ihres Schaffens auf, aber auch ihre Motivation und Entwicklung, im zweiten geht es um das Frankfurtbuch der Künstlerin von 1963 mit seinen scheinbar alltäglichen Ansichten, während der dritte sich mit der "Spannweite des gedruckten Werks" befasst, war Tüllmann eben nicht einfach eine Bildjournalistin.
Den größten Teil des Fotoabschnitts nehmen Reportage-Bilder ein, doch wird in weiteren Kapiteln auch Tüllmanns Schaffen in Bezug auf die Themen Kunst und Kultur gewürdigt: Bilder aus Film, Kunst und Theater bereichern das Gesamtwerk der Fotografin. Eine Kurzbiografie sowie eine Bildsequenz zu Tüllmanns Publikationen und ein umfangreicher Anhang schließen das Buch ab.

Altersgenossen der Fotografin werden Aspekte Frankfurts in Buch oder Ausstellung entdecken, die ihnen seinerzeit nicht begegnet sind oder die sie verdrängt haben; später Geborene finden eine Fülle außergewöhnlicher zeitgeschichtlicher Dokumente. Manche, doch beileibe nicht alle sprechen für sich selbst. Die differenzierten und informativen Essays geben hierzu wichtige Informationen und ermöglichen es dem Leser und Betrachter, Entwicklung und Persönlichkeit der Abisag Tüllmann kennen zu lernen.
Tüllmann verstand sich auf die alltäglichen Szenen: Schlafende im Wartesaal des Hauptbahnhofs, Obdachlose, Fließbandarbeiterinnen, arbeitende und ruhende Menschen in Deutschland wie auch in Ländern wie Israel. Ebenso hielt sie den historischen Augenblick fest, unter anderem zahlreiche Demonstrationen, etwa solche, die sich gegen den Abriss von Gebäuden im Frankfurter Westend richteten. Sie portraitierte Prominente, lieferte Bilder für Filme, hielt Theaterszenen fest, nicht zuletzt sehr umstrittene, fasste zeitgenössische Kunst ins Auge, zum Beispiel auf der "documenta". Architektur gehörte ebenso zu ihrer Motivwelt wie manches "Street".
Tüllmann fotografierte auch in Farbe, zog aber offensichtlich wie so viele ihrer Kollegen Schwarzweiß vor, auch bevorzugte sie das vorhandene Licht gegenüber dem Blitz. So wirken viele ihrer Aufnahmen stark körnig, was die grundsätzliche Stimmung unterstützt. Die Bilder sind stets spannend und geschickt aufgebaut, die Aussage wirkt klar, technisch stimmt alles, gemessen an den Standards der jeweiligen Zeit. Und dann ist da noch die erwähnte persönliche Komponente: Die zentralen Aussagen der Fotos erschließen sich dem Leser unmittelbar.
Buch wie Ausstellung eröffnen dem Betrachter eine neue Welt, teils untergegangen, aber in vielen Gedanken noch präsent, teils unmittelbar modern. Empfehlenswert!

Einen Blick ins Buch gibt es auf der Verlagswebsite.

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 1. Dezember 2010 | ISBN: 9783775727082 | Preis: 29,80 Euro | 304 Seiten | Sprache: Deutsch

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