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 Van Gogh at Work


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Im Allgemeinen gilt Vincent van Gogh als ein ausgesprochen intuitiver Künstler, der abseits des akademischen Betriebs seinen eigenen, unvergleichlichen Stil entwickelte. Dies stimmt zwar, doch war Gogh alles andere als ein Naturtalent: Als er sich, bereits 27-jährig, entschloss, Künstler zu werden, musste er sich jede einzelne Technik, jede Motivgruppe hart und umfassend erarbeiten, und er fand im Lauf seines Schaffens immer wieder Kollegen, mit den er sich austauschen und von denen er lernen konnte. Völlig isoliert hat er sich keineswegs.
Die meisten von van Gogh Begeisterten dürften wenig über die nachhaltige Auseinandersetzung des Künstlers mit den unterschiedlichsten Materialien und Werkzeugen – teils für seine Zeit sehr innovativ -, seine Techniken , seine Konzepte und deren Umsetzung wissen, sprich: über "van Gogh at Work". Dass dieser Aspekt jedoch gerade in Bezug zu ihm äußerst interessant ist, zeigen die entsprechende Ausstellung und deren hier besprochener Katalog.

In vier Kapiteln führt Marije Vellekoop, Leiterin Sammlung, Forschung und Ausstellungen des Van-Gogh-Museums Amsterdam, durch das Leben und Schaffen des Künstlers. Neun weitere, kürzere Kapitel anderer Autorinnen befassen sich detailliert mit den von van Gogh verwendeten Materialien und der Interaktion mit anderen Malern in Bezug auf Material. Der abschließende Abschnitt zeigt die neusten Erkenntnisse aus technischen Untersuchungen mit verschiedensten Verfahren an Gemälden des wohl berühmtesten niederländischen Künstlers auf. Bibliografie, Register und Informationen zu den Autorinnen runden das Werk ab.

Mit dem "Making-of", um es salopp auszudrücken, der Werke berühmter Maler vergangener Epochen befassen sich Veröffentlichungen nur selten. Doch gerade hinsichtlich van Gogh erweist sich eine Analyse seines Vorgehens und seiner Materialien als äußerst interessant, nicht zuletzt auch zum Nachvollziehen seines von Brüchen geprägten künstlerischen Werdegangs.
Bereits die vier biografischen Kapitel enthalten diesbezüglich zahlreiche Informationen, bedingten sich doch für den finanziell immer "klammen" Künstler verfügbares, bezahlbares Material und die Hinrichtung zu einem bestimmten Genre bisweilen gegenseitig: Konnte er sich keine Leinwand, keine Farben leisten, so zeichnete er eben und versuchte, sich hierin zu perfektionieren. Doch auch Marktneuheiten beeinflussten unter Umständen seinen Stil enorm. Nach der Lektüre besitzt der Leser ein äußerst differenziertes Bild von seinem hochinteressantem Werden und Wirken, ebenso von seinen zahlreichen familiären und finanziellen Problemen, dem bis zu seinem Tod ausbleibenden Erfolg und den Ursachen für diese Schwierigkeiten, die letztlich sicher seine psychische Erkrankung und seinen Selbstmord mit bedingten, wenn nicht auslösten.
Eine Fülle an vielfach großformatig abgedruckten Werken aus der Ausstellung sowie vielen Auszügen aus Briefen mit Skizzen und Entwürfen sowie weitere Abbildungen ergänzen die biografischen Kapitel; etliche abgebildete Werke stammen von anderen Künstlern; sie dienen zum Vergleich oder sind im jeweiligen Kontext relevant.
Als nicht minder fesselnd erweisen sich die nachfolgenden Kapitel, die verblüffende Hintergründe aufzeigen von den verwendeten Pigmenten über vom Künstler aus Geldmangel unmittelbar übermalte ältere Bilder, Art und Weise des Auftrags, wie sie nur unter dem Mikroskop erkenntlich werden, seiner Anwendung der Farbtheorie bis hin zu dem Problem, dass wir viele Van-Gogh-Gemälde und auch Zeichnungen heute gar nicht mehr in ihren ursprünglichen, sorgfältig auskomponierten Farben sehen, weil manche eingesetzten Farbpigmente wie auch Tintenbestandteile rasch verblassten – und viele Themen mehr. Diese Kapitel sind ebenfalls nicht nur bestens verständlich und in gut lesbarem Stil verfasst, sondern zudem reich illustriert und dadurch sehr anschaulich.
Nicht zuletzt punktet der nicht ganz billige Band durch hochwertiges Material (!) und ebensolche Verarbeitung.
Dieses Buch ist ein moderner Ausstellungskatalog par excellence: Weit davon entfernt, in klassischer Weise lediglich die Exponate abzubilden und mit ergänzenden Informationen zu versehen, bietet es sich auch ohne Ausstellungsbesuch als inhaltlich wie gestalterisch herausragender Sach- und Bildband perfekt an. Kunstgeschichte kann sicher nicht besser präsentiert werden.

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 1. Mai 2013 | ISBN: 9783777420462 | Preis: 49,90 Euro | 304 Seiten | Sprache: Deutsch

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