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 Das rote Haus

Autoren: Mark Haddon
Übersetzer: Dietlind Falk
Verlag: Heyne

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Als Angela und Dominic von Angelas Bruder Richard zu einem Urlaub in ein Ferienhaus an der walisischen Grenze eingeladen werden, sind die beiden zunächst nicht gerade begeistert, sagen aber dennoch zu, da das Geld gerade knapp ist und sie sich sonst keinen Urlaub leisten könnten. Gemeinsam mit ihren drei Kindern Alex, Daisy und Benji verbringt das Ehepaar, dessen Liebe schon vor einiger Zeit erloschen ist, eine gemeinsame Woche mit Richard, seiner Frau Louisa und seiner Stieftochter Melissa. Doch das rote Haus, die unberührte Natur und das enge Zusammenleben von acht sehr unterschiedlichen Menschen beschwören statt Ruhe und Erholung eine Reihe lang schwelender Konflikte herauf: Begehren und Betrug, Einsamkeit und Lieblosigkeit, Streit und Wut.

"Das rote Haus" ist der vierte Roman von Mark Haddon (rechnet man sein Kinderbuch "Boom" dazu) und liegt seit November 2013 als Taschenbuchausgabe vor. Wer etwas im Stil von "Supergute Tage" erwartet, jener grandiosen Geschichte, mit der Haddon berühmt wurde, der liegt mit diesem Buch eher falsch. "Das rote Haus" ist ein großartiger Roman, aber auf eine völlig andere Weise. Der Zugang gestaltet sich auf den ersten Seiten ziemlich schwierig für den Leser, denn er sieht sich mit acht sehr unterschiedlichen, ihm völlig unbekannten Menschen konfrontiert, deren Handlungen und Gedankenwelten Haddon genüsslich und minutiös ausbreitet, ohne Zeit für Erklärungen oder Einführungen zu verlieren. Gerade zu Beginn bleibt oft rätselhaft, wer gerade etwas denkt oder tut, denn der Autor gibt sehr häufig nur Gedanken und Gefühle seiner Figuren wieder und wechselt von Absatz zu Absatz die Sichtweise. Mal präsentiert er dem Leser lediglich ein Fragment eines Traums, den jemand gerade träumt, mal zeigt er einen Absatz aus einem Buch, den eines der Kinder gerade liest, sodass der Leser sich unweigerlich fragt, wer nun gerade beschrieben wird.
Dieser sperrige Zugang ist aber gut gewählt, denn er zwingt den Leser dazu, sich intensiv hineinzuversetzen in diese inhomogene Gruppe von Erwachsenen, Teenagern und Kindern, die sich für eine Woche miteinander arrangieren müssen - und dies mehr schlecht als recht tun.
Das rote Haus, der Urlaub in der Stille und die ungewohnte, teils fast feindselige Natur, die Handyempfang und Zerstreuung unmöglich macht, sind natürlich - wie in einem Kammerspiel - nur die willkommene Kulisse für die Konflikte, die sich endlich einen Weg an die Oberfläche bahnen, für Gespräche, die schon lange hätten geführt werden sollen, und für Verletzungen, die seit Jahren vor sich hinbrodeln.

Bald kann man die einzelnen Figuren anhand ihrer Gedanken und Gefühle so deutlich auseinanderhalten, als würde man sie schon länger kennen. Es ist bewundernswert, wie scharf Mark Haddon beobachtet und sich gleichermaßen gut in einen erfolgreichen, aber leidenschaftslosen Arzt hineinversetzen kann, in einen achtjährigen Jungen, der einen Großteil seiner Zeit in seiner Phantasiewelt verbringt, oder in eine unglückliche Frau mittleren Alters, die fürchtet, verrückt zu werden. Die Präsentation der Figuren ist sensibel und authentisch und geht dem Leser nahe, auch wenn die Konflikte und Kämpfe, die hier ausgefochten werden, genau genommen sehr normal und alltäglich sind: ein Jahre zurückliegender Verlust, unausgesprochene Vorwürfe, Schuldgefühle, Einsamkeit, die Verwirrung des Erwachsenwerdens, unerfülltes Begehren, die Angst, nicht lieben zu können und die Angst, nicht geliebt zu werden.
Der Reiz ist damit weniger die Handlung an sich, denn viel passiert in dieser beschriebenen Woche tatsächlich nicht, sondern der Einblick in fremde Leben, fremde Gedanken und fremde Sehnsüchte - "Wie alltäglich", mag der Leser denken, oder manchmal auch "Wie bei mir". Folgerichtig lässt Haddon die Handlung nicht mit einem großen Knall enden, sondern so, wie es im echten Leben wohl auch laufen würde.

"Das rote Haus" ist eine intensive, psychologisch gut durchdachte und durch die Intimität der eingefangenen Gedanken sehr packende Beschreibung von acht verschiedenen Leben, in deren Gedanken und Gefühle Mark Haddon für genau sieben Tage Einblicke gewährt, die manchmal lustig und spannend sind, häufiger aber geprägt von Unsicherheit, Einsamkeit und Zweifeln. Lesenswert!

Zur Leseprobe auf der Verlags-Website: "Das rote Haus"

Christina Liebeck



Taschenbuch | Erschienen: 11. November 2013 | ISBN: 978-3453410091 | Originaltitel: The Red House | Preis: 8,99 Euro | 336 Seiten | Sprache: Deutsch

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