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 In 72 Tagen um die Welt

Wie sich zwei rasende Reporterinnen im 19. Jahrhundert ein einmaliges Wettrennen lieferten


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Am Ende des 19. Jahrhunderts wird die Welt kleiner. Dampfschiffe und Eisenbahnen bewältigen Distanzen in Stunden für die Reisende zu Pferd Tage brauchen. Telegrafen ermöglichen eine Nachrichtenübertragung in Echtzeit. 1889 war es daher keine Überraschung, dass der Versuch gestartet wurde, Jules Vernes' Reise um die Welt in weniger als 80 Tagen zu versuchen. Überraschend war aber, dass zwei Frauen diesen Versuch starteten ...

Matthew Goodman erzählt die Geschichte von zwei Frauen, die sich 1889 im Auftrag zweier New-Yorker-Zeitungen auf ein Wettrennen mit Phileas Fogg begeben. Auf gut 700 Seiten schildert der Autor das Leben der beiden Frauen, ihre Reiseerfahrungen und in einem Epilog ihr weiteres Schicksal.
In den 17 Kapiteln wechselt Goodman dabei zwischen den beiden Protagonistinnen, Elizabeth Bisland und Nellie Bly, hin und her. Unterbrochen werden die Erzählungen immer wieder durch historische Hintergrundinformationen und Exkurse, beispielsweise zur amerikanischen Presse der Zeit, den Klassenschranken, der technischen Entwicklung oder dem Leben Jules Vernes'. Wie ein roter Faden zieht sich die Rolle der Frau im ausgehenden 19. Jahrhundert durch das Buch. Häufig wird auf die Widerstände, die die beiden Reporterinnen in einer Männerdominierten Welt überwinden mussten, hingewiesen.

Das Buch ist mit einigen schwarz-weiß-Fotografien bebildert. Außerdem finden sich im Anhang ein Anmerkungsapparat sowie eine Bibliographie.

Matthew Goodmans Buch "In 72 Tagen um die Welt" ist eine Art historische Reportage in Romanlänge. Der Autor hat eine enorme Rechercheleistung vollbracht und zu Personen, Orten und Zeit des behandelten Themas derart viele Informationen zusammengesucht, dass er ein lebendiges Bild des viktorianischen Zeitalters zeichnen konnte.

Es gelingt ihm auch, insbesondere im ersten Drittel des Buches, das Leben seiner beiden Protagonistinnen einprägend vor dem Hintergrund der amerikanischen Geschichte zu beschreiben. Insbesondere die Kämpfe zweier unterschiedlicher Frauen um eine gleichberechtigte Stellung im Berufsleben werden spannend geschildert.

Der Hauptteil des Buches, die Weltreise beider Frauen, nimmt aber deutlich an Spannung ab. Zum einen wiederholen sich die Motive ein wenig, insbesondere das Motiv der Hektik und Geschwindigkeit. An sich ist es zwar interessant zu lesen, wie sich die Menschen durch die neuen Kommunikations- und Transportmittel zu Sklaven der Zeit machen. Aber nach einigen hundert Seiten hat der Leser es einfach verstanden. Außerdem erleben die beiden Damen gar nicht so viel auf ihrer Reise, da sie einfach nur von Ort zur Ort rasen und die Spannung meistens nur darin besteht, ob sie den Anschluss bekommen oder nicht. Auffällig ist auch, dass das ganze Buch hindurch die Kapitel zu Nellie Bly, der bekannteren Frauen von beiden, viel lebendiger und ausführlicher sind als jene zu Elizabeth Bisland, die diese Reise auch gegen ihren Willen antritt. Während Bly diese Reise selbst anstrebt, wird Bisland dazu mehr oder weniger gezwungen. So sind die Kapitel zu Bly auch spannender als die zu Bisland.

Dennoch lohnt sich die Lektüre dieses Buches. Es vermittelt ein lebendiges Bild einer vergangenen Zeit, die unserer gar nicht so unähnlich ist. Es beschreibt den Kampf zweier Frauen um Gleichberechtigung und hat eine Menge interessanter Anekdoten und Informationen zu bieten. Die eine oder andere Länge und Redundanz kann der Leser dafür sehr wohl verzeihen.

Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagswebsite.

Andreas Schmidt



Hardcover | Erschienen: 16. Dezember 2013 | ISBN: 978-3442753994 | Originaltitel: Eighty Days | Preis: 22,99 Euro | 720 Seiten | Sprache: Deutsch

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