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 Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand


Cover
Gesamt ++++-
Action
Anspruch
Aufmachung
Bedienung
Bildqualität
Brutalität
Extras
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton
Allan Karlsson feiert Geburtstag. Seinen einhundertsten Geburtstag, nur leider in einem schwedischen Altersheim. Der triste Alltag und die Langeweile wecken wenig Lust in dem alten Herrn, seiner eigenen Geburtstagsfeier beizuwohnen. So entschwindet er der Eintönigkeit, indem er aus dem Fenster klettert, zum nächsten Busbahnhof geht und sich in ein Abenteuer stürzt, dessen Ablauf er, mit der stoischen Ruhe des Alters, über sich ergehen lässt. Er findet nicht nur einen Koffer voll Geld, sondern auch neue Freunde, trifft auf Gauner, Kleinkriminelle und Ganoven und beendet seinen Ausflug sicher nicht dort, wo er es zu Beginn geahnt hätte.

"Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" ist nicht nur ein unglaublich sperriger Filmtitel, es ist auch der Versuch, den Roman-Bestseller von Jonas Jonasson auf die Filmleinwand zu zaubern. Zuerst war also wie so oft das Buch, danach folgt der Film. Beide Veröffentlichungen finden ihre jeweiligen Liebhaber, haben ihre Berechtigung und versprühen ihren eigenen, voneinander unabhängigen Charme.

Allan Karlsson (Robert Gustafsson) langweilt sich in seinem kargen Zimmer des örtlichen Altenheimes. Nun gut, die Angelegenheit mit dem in die Luft gesprengten Fuchs war nicht nett, aber die Faszination Sprengstoff begleitet ihn bereits sein ganzes Leben. Noch lange kein Grund, mit zahlreichen Gästen eine Marzipan-Torte zu verschlingen und dem Leben in freier Wildbahn gänzlich abzuschwören. Kurzerhand steht der Senior mit Pantoffeln auf dem Fensterbrett und flüchtet.

Das Geld ist knapp, das Ziel nicht vorgegeben, der Zufall spielt Schicksal - optimale Voraussetzungen für ein klassisches und vergnügliches Roadmovie. Ehe Allan die Situation begreift, ist er - noch unbewusst - im Besitz eines Koffers mit 50 Millionen Kronen und strandet per Bus im schwedischen Niemandsland. Dort trifft er auf den pensionierten Bahnwärter Julius (Iwar Wiklander). Bei Speis und Trank entwickeln die beiden schnell eine spontane Männerfreundschaft, deren witzige und skurrile Dialoge jäh gestört werden, als der ursprüngliche Bote des Geldkoffers Bulten (Simon Säppenen) in der Tür steht. Mit gemeinsamen Kräften entledigten sich die beiden rüstigen Herren dem Problem aus dem Rocker-Milieu, allerdings nachhaltiger als gewollt, denn der Prügelknabe erfriert kurzerhand in der Kühlung. Spätestens jetzt haben die zwei nicht nur eine Menge Geld, sondern auch eine Leiche an der Backe. Und plötzlich sind es sehr viele Menschen, die nachhaltig am Verbleib des Rentner-Duos interessiert sind, auf jeden Fall die schwedische Polizei und ein Rocker-Klub unter Führung der Mafia.

Die Voraussetzungen für eine gelungene Flucht aus der Misere sind nicht optimal, aber Allans Lebensweisheit und Erfahrung sorgen für eine erstaunliche Gelassenheit. Fortan bewegt sich der Film zwischen Rückblenden in die Vergangenheit des Hauptprotagonisten und der fortschreitenden Handlung der Gegenwart. Ironisch, lustig und mit einem Feuerwerk an Seitenhieben wird dabei das politische Weltgeschehen eines Jahrhunderts auf den Arm genommen, denn Allan hat als Sprengstoffexperte und Geheimdienstmitarbeiter zahlreiche Tänze mit den Mächtigsten der Weltgeschichte geführt. Und das, obwohl Männer seiner Ansicht nach gar nicht tanzen (aber trinken...) sollten. Sei es General Franco, die US-Präsidenten Ronald Reagen und Harry S. Truman, der Diktator Stalin oder der Erfinder der Atombombe, Julius Robert Oppenheimer. Allan sorgte schon immer für Jubel, Trubel und Heiterkeit.

Dabei ist es fast unerheblich, dass aus dem Duo im Laufe der Spielzeit ein waschechtes Quartett, verstärkt durch den ewigen und unvollkommenen Langzeitstudenten Benny (David Wiberg) und die Hofbesitzerin Gunilla (Mia Skäringer), geworden ist. Letztere bringt auch noch ihre schwergewichtige Elefantendame in das Geschehen mit ein, was den weiteren Ablauf nun wesentlich beeinträchtigt, bevor das indonesische Bali als geeignetes Ziel und Ende aller Strapazen auserkoren wird.

Die Lebensgeschichte von Allan ist umfangreich, die Handlungsstränge ebenso. Die Bemühungen, ein sehr umfangreiches Buch in einen Film von nicht ganz zwei Stunden zu pressen, sind unübersehbar. Der Film lebt von der Rolle Allans, dessen lakonische, fast schon völlig gleichgültige Art, eine gesunde Portion Ironie, Witz und Charme versprüht. Es ist bizarr, wenn ein Mann von 100 Jahren mit dem Tod bedroht oder als Gammelfleisch bezeichnet wird. Die stoische Ruhe und Gelassenheit von Allan wirken tiefschwarz und begleiten den kompletten Film. Der ist per se nicht übermäßig lustig, sondern stimmt vor allem nachdenklich, veralbert herrlich die Politik der Vergangenheit und ist dabei unterhaltsam, verstörend und herrlich unkorrekt.

Freunde von Absurditäten und Zynismus werden diesen Film lieben. Nur Anhänger von Comedy-Filmen a`la Schenkelklopfer, tränenden Augen und vibrierenden Magenwänden, sollten um diese schwedische Verfilmung einen weiten Bogen machen. Denn Popcorn-Kino sieht anders aus. Ob leider oder zum Glück, entscheidet der jeweilige Betrachter.

Tom Schuster



DVD | Disc-Anzahl: 1 | EAN: 4010324200938 | Erschienen: 7. August 2014 | FSK: 12 | Laufzeit: 111 Minuten | Originaltitel: Hundraåringen som klev ut genom fönstret och försvann | Preis: 12,99 Euro | Untertitel verfügbar in: Deutsch, und Deutsch für Hörgeschädigte | Verfügbare Sprachen: Schwedisch, Deutsch

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