Lesen ist der Schlüssel zu Information und Bildung. Gleichwohl gehören die deutschen Schüler beim PISA-Test 2013 trotz deutlicher Verbesserungen seit der ersten Studie im Jahre 2000 noch nicht zur absoluten Spitze. Es gibt also immer noch einiges auf diesem Feld zu tun. Mit dem vorliegenden Band bieten Cornelia Rosebrock, eine ausgewiesene Leseexpertin mit zahlreichen Veröffentlichungen in diesem Bereich, und Heike Wirthwein, eine erfahrene Ausbildnerin in der zweiten Phase der Lehrerbildung, einen integrativen Ansatz zur systematischen Förderung der "Lesekompetenz" und der "literarischen Rezeptionskompetenz", die so die beiden Autorinnen, nicht losgelöst voneinander sind, sondern sich gegenseitig ergänzen.

Den theoretischen Unterbau des Bandes bilden dabei zunächst eine kurze Einführung in die Bildungsstandards sowie eine längere Darlegung eines Kompetenzmodells des Lesens, um die zentralen Teilkompetenzen des Leseprozesses zunächst einmal offenzulegen. Nach der knappen Skizzierung der Ergebnisse einer Normierungsstudie im Bereich Lesen und Literatur erfolgt dann der Hauptteil des Bandes, welcher knapp hundert Seiten umfasst. Diesen gliedern die beiden Autorinnen in insgesamt sechs Unterkapitel, welche die unterschiedlichen Dimensionen im Bereich der "Lese- und literarischen Rezeptionskompetenz" abbilden. Diese bestehen in der Automatisierung von Teilkomponenten des Leseprozesses, der Anwendung von Lesestrategien, der Kenntnis von Textsorten, der Entfaltung von Interpretationspotentialen, der Stabilisierung der Lesemotivation und der Entfaltung lesekultureller Fähigkeiten sowie in der Ausdifferenzierung der Anschlusskommunikation. Jede dieser sechs Dimensionen beginnt dabei zunächst mit einer theoretischen Einführung, welche am Ende stets mit der Darlegung der entsprechend angestrebten Standards schließt, bevor dann an einem praktischen Aufgabenbeispiel jeweils eine konkrete Möglichkeit aufgezeigt wird, wie die besprochene Dimension konkret gefördert werden kann. Zum Abschluss folgt schließlich noch ein kurzes Kapitel, welches Hinweise enthält, um einem echten praktischen Problem zu begegnen: nämlich der Unterscheidung von schwierigen und weniger schwierigen Texten.

Standardorientierung hält immer mehr Einzug in die deutschen Schulen. Doch klaffen Theorie und Praxis bisweilen weit auseinander. Umso erfreulicher ist es, dass bei diesem Band konsequent ein praktisches Aufgabenbeispiel jede entsprechende Teilkompetenz des Lese- und Literaturunterrichts konkretisiert. Auch wenn dabei nicht alle Vorschläge in gleicher Weise überzeugen, so haben Lehrer zumindest einen Anhaltspunkt, um sich über eine praktische Umsetzung der Standards klarer zu werden. Sehr hilfreich sind dabei die durchgängig vorzufindenden didaktischen Kommentare, welche einen guten Einblick in die Planungsüberlegungen bieten. Hinzu kommen mehr oder weniger ausführliche Hinweise zu den zugrundeliegenden Texten sowie Lösungserwartungen.

Besonders hervorzuheben ist insbesondere das Aufgabenbeispiel zum "Nachvollzug von Perspektiven", welches von der Gastautorin Julia Starz verfasst wurde. Denn diese beschreibt auch die eigenen Unterrichtsbeobachtungen bei der Durchführung des Unterrichtsmodells, aus denen nachahmende Lehrer wertvolle Erkenntnisse entnehmen können. Auch die entsprechenden Ausführungen zum Lesetandem von Nadine Zimmer überzeugen, da sie das bereits bekannte Verfahren nicht nur vorstellt, sondern ebenfalls Erfahrungswerte aus der Praxis mit einfließen lässt. Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch Beispiele wie jenen zur Anwendung von Lesestrategien oder zur Reflexion über Fiktionalität, bei denen sich so mancher Deutschlehrer fragen wird, ob diese in der Praxis so durchführbar sind. Gerade hier hätte es durchaus auch Sinn gemacht, die bereits erfolgten Unterrichtsbeobachtungen beizugeben, um diese Zweifel etwas auszuräumen.

Nichtsdestotrotz kann der Band überzeugen, da es den beiden Autorinnen gelingt, eine klare strukturelle Ausdifferenzierung der Teildimensionen der "Lese- und literarischen Rezeptionskompetenz" vorzunehmen, welche eine gute Orientierung bei der praktischen Arbeit bietet.

Fazit: Ein hilfreicher Band, um den Lese- und Literaturunterricht systematischer zu gestalten. Da jedoch nicht alle Aufgabenbeispiele gleichermaßen überzeugen, ist jedoch auch die Kreativität der Lehrer gefragt, um noch bessere praktische Umsetzungen zu entwickeln.

Weitere Informationen zum Buch sowie ein Blick ins Inhaltsverzeichnis finden sich auf der Webseite des Verlags.