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 Die Tuchvilla

Autoren: Anne Jacobs
Verlag: Blanvalet

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Diese Anstellung muss Marie unbedingt behalten. Die junge Waise hat schon mehrere Stellen verloren und weiß genau, dass die Fabrikantenfamilie Melzer ihre letzte Chance ist. So gibt sie sich alle Mühe und verrichtet still und zuverlässig ihren Dienst. Schnell findet sie Freunde unter den Angestellten und lernt die Eigenheiten der Familienmitglieder kennen. Besonders mit der jüngsten Tochter, der künstlerisch veranlagten Kitty, verbindet sie bald eine Freundschaft und sie kann der jungen Dame zur Seite stehen, als sich herausstellt, dass auch bei den Melzers nicht alles eitel Sonnenschein ist. Da kehrt Paul zurück, der Sohn und Erbe. Ihm fällt Marie sofort ins Auge und auch ihr gefällt der junge Mann. Seinem Werben jedoch will sie nicht nachgeben, ist sie doch überzeugt, dass es nur Unglück für sie bedeuten kann

Mit ruhiger Hand lässt Anne Jacobs eine interessante Geschichte entstehen, die mehr als nur einen Handlungsstrang besitzt. Geschickt verknüpft die Autorin sowohl die Schicksale der in der Villa lebenden Personen als auch die sich im Wandel befindende Welt miteinander. Wirkt der ältere Herr Melzer zu Beginn der Geschichte wie ein klassischer Patriarch, der die Geschicke der ihm anvertrauten Menschen sicher lenkt, so wird im Laufe des Romans immer deutlicher, dass er mit den Änderungen in der Gesellschaft nicht zurechtkommt. Seine Kinder dagegen müssen ihren Platz in der Welt erst finden. Paul kommt mit seinem, vom Vater gewünschten, Studium nicht zurecht. Viel lieber würde er schon in der Fabrik mitarbeiten. Kitty sieht sich selbst als Künstlerin und kann bei aller Begabung in der Realität nur schwer Fuß fassen und ihre ältere Schwester Elisabeth muss mit mehr als nur einer Enttäuschung leben.
Marie dagegen scheint endlich ihr Glück gefunden zu haben. Bescheiden und bodenständig wird sie immer unentbehrlicher für die Familie und den Haushalt und schon bald ist sie mehr als nur eine einfache Hausmagd. Warum das so ist, findet sie durch Zufall heraus und es verändert ihre Welt vollkommen.

Spektakulär klingt das nicht und so lebt die Geschichte nicht von Spannung, sondern von vielschichtigen, gut durchdachten Figuren, deren Lebensweg den Lesern nicht gleichgültig sein kann. Dabei sind die Personen keineswegs alle liebenswert. Anne Jacobs verzichtet lediglich auf künstliche Dramatik und erweckt Interesse alleine durch die menschlichen Fehler und Entscheidungen. Ganz nebenbei geht sie auf den Sozialismus und auf die Gründungen der Gewerkschaften ein, aber diese großen Ereignisse finden nur am Rand statt und geben lediglich den einen oder anderen Anstoß für die Figuren, ihr Verhalten zu ändern oder sich dagegen zu sperren.
„Die Tuchvilla“ ist ein historischer Roman im besten Sinne. Wer pseudohistorische Kulisse für einen Liebesroman erwartet, ist hier falsch. Anne Jacobs Figuren passen perfekt ins Jahr 1913 und verhalten sich auch so. Da gibt es keine dramatischen Schwüre, keine heißen Liebesszenen, sondern Marie und ihre Begleiter sind sich jederzeit bewusst, dass Verliebtheit viele Probleme schaffen, aber nur wenige lösen kann. Wenn sie dann doch ihr Herz verlieren, dann mit allen Konsequenzen, die ihr Verhalten in der damaligen Zeit mit sich bringt.

Das Ende des Romans ist in sich abgeschlossen, eine Fortsetzung ist jedoch vorstellbar. Das wäre schön, denn es sind noch viele andere liebgewordene Figuren im Roman enthalten, deren Lebensweg die Leser gerne erfahren würden.

Ein Blick ins Buch ist auf der Verlagsseite möglich.

Iris Jockschat



Taschenbuch | Erschienen: 15. Dezember 2014 | ISBN: 978-3-442-38137-1 | Preis: 9,99 Euro | 704 Seiten | Sprache: Deutsch

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