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Die Einzelfalluntersuchung eines jeden Patienten umfasst eine sorgfältige Erfassung der klinischen Vorgeschichte und eine prägnante Zusammenfassung aller sozialen, psychologischen und biologischen Faktoren, die zu ihrer Entwicklung geführt haben. Daher ist es unzureichend, bei der Ableitung einer Diagnose die einzelnen diagnostischen Kriterien einfach im Sinne einer Checkliste zu nutzen.
Das Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen (DSM) der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft gehört neben dem von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegebenen Klassifikationssystem ICD zu den bedeutendsten Klassifikationen psychischer Erkrankungen weltweit. Im Mai 2013 erschien die neue Ausgabe des DSM, das sogenannte DSM-5, welches die gültige Vorgängerversion, das DSM-IV, abgelöste. Die von Peter Falkai, Hans-Ulrich Wittchen und dem Hogrefe Verlag herausgegebene deutsche Übersetzung des DSM-5 erschien schließlich im Dezember 2014.
Das DSM-5 beginnt mit einer Auflistung aller einzelnen in zweiundzwanzig Kategorien eingeteilten Störungen. In dieser Liste findet der Leser zudem die ICD-10-CM-Codes – so vorhanden – sowie die entsprechenden Seitenzahlen, auf denen die weiteren Informationen zu den Störungen zu finden sind. Es schließen sich zwei Vorwörter, eine Einleitung sowie acht Seiten mit Hinweisen zum Gebrauch des Manuals an.
Es folgt der zweite und wichtigste Teil des Buches: zweiundzwanzig Kapitel mit den diagnostisch relevanten Informationen zu den einzelnen Störungen. Jedem Kapitel ist dabei eine kurze Einführung der Störungskategorie vorangestellt. Anschließend werden die einzelnen Störungen vorgestellt, wobei direkt zu Beginn innerhalb eines Kastens die diagnostischen Kriterien zu finden sind. Es folgen Informationen zu möglichen Subtypen, zu diagnostischen Merkmalen, zu zur Diagnosesicherung zugehörigen Merkmalen, zur Prävalenz, zu Entwicklung und Verlauf, zu Risiko- und prognostischen Faktoren, zu kulturellen und geschlechtsspezifischen Besonderheiten, zu diagnostischen Markern, zum Suizidrisiko, zu funktionellen Folgen, zu Differenzialdiagnosen sowie zur Komorbidität.
Der dritte Teil des Manuals umfasst in der Entwicklung befindliche Instrumente und Modelle, die Zusammenfassung wichtiger Änderungen von DSM-IV zu DSM-5 sowie ein Glossar der Fachbegriffe. Es folgen drei Listen: eine Liste alphabetisch sortiert nach DSM-5-Diagnosen mit entsprechenden ICD-10-CM- als auch ICD-9-CM-Codes, eine Liste der DSM-5-Diagnosen nach den numerischen ICD-9-CM-Codes sortiert und eine Liste der DSM-5-Diagnosen nach den alphanumerischen ICD-10-CM-Codes sortiert.
Das DSM-5 beinhaltet gegenüber der Vorgängerversion einige größere Änderungen, die bereits im Vorfeld der Veröffentlichung zu einigen kritisch geführten Diskussionen geführt haben. So wurde unter anderem auf eine Inflation der Diagnosen hingewiesen: Während es im DSM-III noch circa 180 Einzeldiagnosen gegeben habe, seien es im DSM-IV bereits circa 300, deren Zahl nun auf circa 400 Einzeldiagnosen im DSM-5 angewachsen seien. 400 Diagnosen, die der Pharmaindustrie Tür und Tor öffneten, um noch mehr Medikamente unters Volk mischen zu können. Die Grenze zum Normalen werde immer mehr verwischt, bis es schließlich kaum noch nicht-psychisch Kranke gebe.
Auf der anderen Seite stehen Kritiker, die meinen, dass Hilfe jenen geboten werden sollte, die dieser bedürfen. So stellen die Kriterien sicher, dass auch Menschen mit einer leichten Ausprägung der Symptomatik auf therapeutische Hilfe hoffen können. Auch wenn im deutschen Gesundheitssystem die Abrechnung therapeutischer Interventionen auf Basis der ICD Kriterien erfolgt, spielt das DSM in Forschung und Praxis eine herausragende Rolle, zudem gleichen sich beide Klassifikationssysteme immer mehr an. Ob es eine psychische Erkrankung gibt, ob jemand, der leidet oder beeinträchtigt ist, Unterstützung in pharmakologischer oder psychotherapeutischer Form als Kassenleistung in Anspruch nehmen darf, entscheiden damit das DSM und die ICD. Diagnosen, die nicht gelistet sind, gibt es nicht. Eine Vielzahl an Diagnosen soll somit sicherstellen, dass Menschen mit Problemen nicht alleine gelassen werden.
Klassifikationen und Diagnosen bieten aufgrund ihrer kategorialen Herangehensweise jede Menge Raum für Kritik und Diskussion, für Veränderungen und Verbesserungen. Fakt ist jedoch auch, dass weder der in der klinischen Forschung Tätige, noch der in der therapeutischen Praxis Arbeitende darum herum kommt, Diagnosen zu stellen. Hier hilft das DSM-5 bei der klinischen Beurteilung vorhandener Symptome. Es hilft Diagnosen in Erwägung zu ziehen oder zu verwerfen, aber es ersetzt nicht die klinische Beurteilung, weshalb dieses Handbuch ein wirklich umfassendes Nachschlagewerk für entsprechend vorgebildete Fachleute ist, nicht für Laien. Für Fachleute, die nicht nur in der Lage sind, alle für die Diagnose wichtigen Faktoren zu erheben, zu sortieren und entsprechend zu bewerten, sondern die sich auch darüber bewusst sind, wo Diagnosen hilfreich sind und wo sie an ihre Grenzen stoßen.
Fazit: Wer in Forschung oder Praxis mit psychischen Erkrankungen zu tun hat, kommt am DSM-5 nicht vorbei.