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 Manet, ein Streit und die Geburt der modernen Malerei

Ein Lesebuch zum Pariser Salon von 1865

Autoren: Dino Heicker
Illustratoren: Edouard Manet
Verlag: Parthas

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Als Manet seine Olympia im Pariser Salon von 1865 ausstellte, für den sie erstaunlicherweise – angesichts der extrem konservativen Jury – zugelassen worden war, brach ein Entrüstungssturm über den Maler herein, der sich wohl kaum von einem heute in den sozialen Medien verbreiteten shitstorm unterschied. Manet hatte es gewagt, eine Prostituierte in einem klassischen Kontext zu präsentieren, und darüber hinaus entsprach seine Maltechnik so gar nicht den Konventionen. Empört und verständnislos verlachte ihn das Publikum. Schließlich wurde das Bild in einer Art Notwehr versteckt aufgehängt. Doch auch diese Maßnahme konnte den Prozess nicht mehr aufhalten, den Olympia in Gang gesetzt hatte.

Dino Heicker stellt in seinem Buch die Reaktionen von Journalisten und Buchautoren auf Manets Bild vor, sowohl die unmittelbaren als auch jene, die Jahrzehnte später die Ereignisse von 1865 reflektieren. Nicht zuletzt werden auch Briefwechsel zum Thema einbezogen, etwa von Charles Baudelaire ausgehende: Dieser, der bekanntlich selbst einschlägige Erfahrung mit der Rezeption durch ein breites Publikum besaß, wusste Manet zu verteidigen.

Im Buch sind neben detaillierten Aufnahmen des erwähnten Bildnisses etliche Abbildungen von im Kontext bedeutenden Karikaturen vorhanden, allerdings überwiegend in Schwarz-Weiß.

Auf der Rückseite des Einbandes wird zu Recht erwähnt, dass sich Besucher des Musée d'Orsay im Allgemeinen nicht vorstellen können, welchen Aufruhr die Olympia auslöste, und dass sie letztendlich die Ikone eines Umbruchs in der Kunst darstellt, wie er krasser kaum ausfallen hätte können. Die Hand erinnere an eine Kröte, heißt es in zeitgenössischen Kritiken sinngemäß, viele mokieren sich über die scheinbar schmutzigen Hände der Olympia, ihr verbrauchtes Aussehen schon in ausgesprochen jungen Jahren fällt auf, ohne dass sich auch nur ein Kritiker mit dem "Warum?" befassen würde. Die buckelnde schwarze Katze am Fußende bietet ein nicht minder willkommenes Angriffsziel, und natürlich möchte keiner der Besucher der Ausstellung eine kleine Vorstadthure als klassische Persönlichkeit sehen. Die meist arrivierten Betrachter müssten dann ja ihr eigenes Verhalten reflektieren! Kaum jemand versucht zunächst, das Bild zu interpretieren, die provokante Aussage zu erkennen und in Worte zu fassen. Stattdessen wird gehetzt und diskriminiert, Schläge unter die Gürtellinie gehören offensichtlich zum guten Ton. Wie auch heute gibt es eine veröffentlichte Meinung, die keine abweichenden Eindrücke zulässt.

Auf eine Einleitung folgen Kritiken und Briefe aus dem Jahr 1865. Ihnen schließt sich eine Auswahl kritischer Texte zum Bild an, die aus den Jahren 1866 bis 1912 stammen. Und hier zeigt sich ganz deutlich eine Entwicklung. Während anfangs das erwähnte dumpfe und fassungslose Ressentiment regiert, das sich in Zeitungskritiken und Karikaturen niederschlägt, lässt sich im Anschluss eine zunehmend positive Tendenz erkennen, die schließlich in Wertschätzung mündet. Manet als Pionier, als Wegbereiter, erfährt hier eine außergewöhnliche Würdigung, die sich an der Chronologie orientiert und somit ein bedeutendes Stück Kunstgeschichte in den Fokus rückt.

Prominente wie Emile Zola, Albert Wolff und Max Liebermann kommen im eher kurz gehaltenen zweiten Teil zu Wort, Menschen, die Manets Wert für die Entwicklung der Kunst erkannt haben. Auch im ersten Abschnitt treten außer Baudelaire einige Personen auf, die dem Kunstfreund als Kritiker, bisweilen auch als Kunsthändler, ein Begriff sind. Sofern bekannt, werden die Viten und beruflichen Meriten der Kritiker, Buchautoren und Korrespondenten aufgeführt und gegebenenfalls kommentiert. Der Leser mag sich ein eigenes Bild von ihrer Urteilsfähigkeit machen: Autor Dino Heicker mischt sich nicht merklich ein.

Ein spannendes Buch für Kunstfreunde, das die Augen für eine Revolution öffnet, die kaum je als solche wahrgenommen wird.

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 30. März 2015 | ISBN: 9783869640990 | Preis: 19,90 Euro | 191 Seiten | Sprache: Deutsch

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