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 Revolution jungSteinzeit

Archäologische Landesausstellung Nordrhein-Westfalen


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In Anlehnung an die "Industrielle Revolution" im 19. Jahrhundert prägte der australische Archäologe Vere Gordon Childe den Begriff der "Neolithischen Revolution". Ein wahrlich treffender Begriff. Immerhin waren es die Menschen der Jungsteinzeit, welche grundlegende Schritte auf dem Weg zu unserer heutigen Lebensweise unternahmen. Denn aus Jägern und Sammlern wurden nun sesshafte Bauern, die Ackerbau und Viehzucht betrieben. Dies hatte nicht nur Auswirkungen auf die persönliche Lebensgestaltung – falls davon überhaupt bereits die Rede sein kann –, sondern auch auf das Zusammenleben. Und wie das bei Revolutionen nun einmal so ist, war auch hier nicht alles positiv. Immerhin fußen unsere Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Herzerkrankungen oder Krebs auf dieser veränderten Lebensweise.


Letztlich ist jede Outdoor-Bewegung, ein Grillend in kleiner Gruppe, die tägliche Joggingrunde mit Endorphinausschüttung, aber auch ein Campingurlaub am Gewässer stets eine temporäre Rückkehr zu unseren, wohl unbewusst vermissten, paläolithischen Wurzeln.


Auch Nordrhein-Westfalen war einer der Schauplätze dieser Neolithischen Revolution, welche ihren Ausgangspunkt im Vorderen Orient hatte. So siedelten hier – zwar etwas verspätet – ab 5300 vor Christus Menschen, welche sich zunehmend mit selbstangebauten Nahrungsmitteln oder den Erzeugnissen aus der Viehhaltung versorgten. Gerade die regen aktuellen Forschungen zur Jungsteinzeit mit einer intensiven und erkenntnisfördernden Ausgrabungstätigkeit rechtfertigen, dass sich 2015 auch die "Archäologische Landesausstellung Nordrhein Westfalen" mit der Neolithischen Revolution befasst. Ergänzend dazu ist der vorliegende Begleitkatalog erschienen, der sich in drei Teile gliedert.

Während im erste Teil acht Beiträge einen allgemeinen Überblick zum Thema bieten, nehmen die thematisch ausgerichteten Aufsätze des zweiten Teils spezielle Aspekte der Lebensweise wie die Wasserversorgung oder den Hausbau in den Blick. Die Ausführungen fußen dabei immer wieder und teilweise sogar schwerpunkthaft auf Ausgrabungsergebnissen in Nordrhein-Westfalen. Aber auch Befunde, die an anderer Stelle auf die Situation in NRW übertragbar sind fließen hier mit ein, da dieser Abschnitt vornehmlich dazu dient, ein umfassendes Bild vom "Neolithikum in NRW" zu zeichnen. Ergänzt wird dieses Bild schließlich durch den dritten Teil. Dort stellen die Autoren des Bandes unzählige Fundorte in Nordrhein-Westfahlen inklusive der dazugehörigen Befunde vor. Ergänzt wird dies schließlich durch eine umfassende Vorstellung neolithischer Denkmäler in NRW mit einer kurzen Beschreibung, Informationen zur Anfahrt sowie zu weiteren Zielen in der Umgebung.

Selbst wenn der Band als "Archäologische Landesausstellung Nordrhein Westfalen" einen landesgeschichtlichen Fokus hat, so lassen sich zahlreiche Befunde auch auf andere Regionen Deutschlands, ja sogar Mitteleuropas übertragen. Hinzu kommt, dass viele Beiträge - vor allem im ersten und im zweiten Teil - allgemeine Informationen zur Jungsteinzeit enthalten, die eben nicht an neuzeitlichen Grenzziehungen haltmachen. Nichtsdestotrotz erfüllt der Begleitkatalog dennoch die Anforderungen einer Landesausstellung, indem beispielsweise sage und schreibe dreißig Fundorte in NRW mit einem eigenen Beitrag vorgestellt werden. So bietet der Band eine gelungene Mischung aus allgemeinen und regionalspezifischen Aspekten.

Der Aachener Lousberg bildet mit seinen herausragenden Befunden zum Feuersteinbergbau einen wichtigen Punkt in der Vorgeschichtsschreibung Westeuropas.


Trotz des großen Umfangs - immerhin gut 400 Seiten im Großformat - ist der Band sehr gut lesbar, was sicherlich auch daran liegt, dass die Inhalte in gut proportionierten Häppchen präsentiert werden. So geht die Länge der einzelnen Kapitel kaum über zehn Seiten hinaus und obendrein finden sich immer wieder auch eingeschobene Informationsseiten innerhalb der einzelnen Kapitel mit allgemeiner Ausrichtung (zum Beispiel "Der älteste Klebstoff des Menschen: Birkenpech"). Durch die enorme Vielfalt des Bandes ist dieser außerdem nicht nur sehr abwechslungsreich, sondern kann damit auch in die Tiefe vordringen.

Überzeugend ist insbesondere auch die Gestaltung des Bandes. Denn dieser enthält unzählige großformatige, teilweise auch doppelseitige Abbildungen von Fundgegenständen, übersichtliches Kartenmaterial, anschauliche Rekonstruktionszeichnungen, tabellarische Aufstellungen sowie Lageskizzen oder Grundrisse. All dies wird stilvoll präsentiert, indem beispielsweise die Fundgegenstände zu Beginn eines jeden Kapitels schwarz hinterlegt werden. Auffällig ist vor allem, dass sich die Macher des Bandes ausreichend Platz für die Abbildungen nehmen. Dadurch entfalten selbst kleinere Fundgegenstände eine enorme visuelle Wirkung. Nicht zuletzt sind die Seiten des Bandes aus robustem Hochglanzpapier, welches Langlebigkeit genauso wie eine hervorragende Abbildungsqualität garantiert.

FAZIT: Ein vorbildlich gestalteter und äußerst sehenswerter Ausstellungsbegleitband, welcher die vielleicht am meisten unterschätzte Revolution in der Menschheitsgeschichte ungemein vielschichtig und anschaulich am Beispiel Nordrhein-Westfalens aufarbeitet.


Weitere Informationen zum Buch sowie ein Blick ins Buch finden sich auf der Webseite des Verlags.

Matthias Jakob Schmid



Hardcover | Erschienen: 1. September 2015 | ISBN: 9783806231731 | Preis: 29,95 Euro | 452 Seiten | Sprache: Deutsch

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