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 Von Männern, die keine Frauen haben

Autoren: Haruki Murakami
Regisseure: Roman Neumann
Übersetzer: Ursula Gräfe
Verlag: Hörbuch Hamburg

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton
Ein mäßig erfolgreicher Schauspieler darf vorübergehend nicht Autofahren und engagiert daher eine Fahrerin. Er, der es eigentlich hasst, von Frauen gefahren zu werden, gewöhnt sich rasch an die schweigsame Chauffeurin und erzählt ihr schließlich Dinge aus seinem Leben, die er noch niemandem anvertraut hat.

Als er endlich ernsthaft beginnen möchte, für die Aufnahmeprüfung an der Universität zu pauken, bittet ein junger Mann seinen besten - und einzigen - Freund, mit seiner Freundin auszugehen; er erteilt ihm regelrecht einen Freibrief. Freund und Freundin tun sich schwer mit diesem sonderbaren Handel, verbringen dann jedoch einen Samstag miteinander: ohne einander körperlich näher zu kommen, dafür sprechen sie intensiv miteinander, und es kommt Überraschendes ans Tageslicht. Die Freundschaft zwischen den Männern jedoch zerbricht.

Schon die kurzen Inhaltsangaben der beiden ersten Geschichten des Bandes, deren Titel im Übrigen auf Beatles-Lieder anspielen (Drive My Car" und "Yesterday"), zeigen auf, dass der Kurzgeschichtenautor Murakami sich gestalterisch und auch inhaltlich nicht weit vom Romancier Murakami entfernt. Auch in den sechs Kurzgeschichten, aus denen das Hörbuch besteht, sind die Protagonisten Männer überwiegend im Alter von zwanzig bis Mitte dreißig, mit nur ganz wenigen oder völlig fehlenden freundschaftlichen Kontakten und eigenwilligen Ansichten und Verhaltensmustern.

Diese Männer haben keine Frauen, jedenfalls nicht in einem engen, intimen Sinn, und wenn sie doch einmal eine lieben wie der Studienanwärter aus "Yesterday" oder ein erfolgreicher Schönheitschirurg in einer anderen Geschichte – der zuvor von Affäre zu Affäre eilte -, scheitern sie daran. Manche Erzählung gleitet ins Surreale ab, vor allem "Samsa in Love"; diese stellt in der Tat eine Hommage an Kafka dar und dreht dessen "Verwandlung" um, indem der Autor einen Käfer zu Gregor Samsa werden lässt, der sich, passend zu alten Vorlieben aus seiner Insektenzeit, in eine Bucklige verliebt. Auch hier ist dem Verliebtsein, der Liebe keine Dauer beschieden.

Murakamis "Schreibe" wirkt auf den ersten Blick ein bisschen seicht, flach, zu weich, zu zweidimensional. Doch gerade damit fängt der Autor den Leser oder Hörer geschickt ein, denn ehe sich dieser versieht, ist er dem Sog erlegen, den Murakami mittels der von ihm so geschickt aufgebauten melancholischen Stimmung erzeugt, eine Stimmung, die an die eigenartig entfärbte, bedrückende, aber nicht dunkle Atmosphäre an bestimmten Herbsttagen erinnert. Sprecher Frank Arnold gelingt es, diese Stimmung durch seine Erzählweise zu übernehmen und zu vermitteln: unaufgeregt, fast ein wenig phlegmatisch wirkend, wie Murakamis Charaktere mit ihren grauen Emotionen. Die verschüttgegangenen Farben darunter lassen sich nur erahnen, und die Geschichten enden, ohne aus dem unstrukturierten Grau aufzutauchen. Somit fühlt sich der Hörer aufgefordert, die Geschichten weiter zu denken, denn einfach fallen lassen kann er die hilflosen, in Gefühlsdingen so tollpatschigen Figuren nicht.

Auch wenn sie an Murakamis Romane erinnern, sind die Geschichten keine Romanminiaturen (dennoch hätten ein oder zwei von ihnen durchaus das inhaltliche Potenzial für komplexere, längere Formen), sondern geschickt gestaltete Kurzerzählungen mit ausgewogenen, wenn auch wenig merklichen Spannungsbögen; die Spannung gleitet eher ins Unterbewusste. Murakami versteht sein Handwerk, pflegt seinen Stil, seine Charakterkompositionen und vor allem eben jene steril-melancholisch anmutende Stimmung, die, wie Claudia Vogt sinngemäß im "Spiegel" schrieb, süchtig machen kann. Dank dem Sprecher, der nichts forciert in Murakamis ruhigen Welten, erschließt sich das Können des Schriftstellers beim Anhören ganz intensiv.

Eine Hörprobe gibt es auf der Webseite von Hörbuch Hamburg.

Das Hörbuch besteht aus einem schön gestalteten Karton-Leporello mit Steckfächern für die sechs CDs.

Regina Károlyi



CD | CD-Anzahl: 6 | Erschienen: 14. November 2015 | ISBN: 9783899039252 | Laufzeit: 437 Minuten | Originaltitel: Onna no Inai Otokotachi | Preis: 19,99 Euro | Sprache: Deutsch

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