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 Zorro


Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


"Mit der Degenspitze ritzte er ein großes Z in die Wand, verabschiedete sich mit einer spöttischen Verbeugung und ließ sich mit seiner Peitsche vom Balkon herab."
Wer kennt ihn nicht? Zorro - den ebenso eleganten wie leidenschaftlichen Streiter für die Gerechtigkeit. Die chilenische Schriftstellerin Isabel Allende lässt die Heldenfigur Zorro im gleichnamigen Roman (Originaltitel: "El Zorro. Comienza la leyenda") wieder auferstehen und führt den Leser zurück in die Kolonialzeit, in die Epoche zwischen Alter und Neuer Welt, in der sich Diego de la Vega alias Zorro gegen Intriganten und Piraten mit Geschick, Mut und Kampfkunst behaupten muss.

Die Geschichte spielt im Kalifornien des 19. Jahrhunderts, als dieses Land und die Stadt Los Angeles noch zu Mexiko gehörten. Diego de la Vega ist Sohn eines spanischen Edelmannes und einer indianischen Kriegerin. Der Vater lehrt ihn schon früh das Fechten und will in ihm den standesgemäßen Erben sehen; die Mutter vermittelt ihm die Traditionen ihres Volkes und den Drang nach Freiheit. Stolz und Wagemut lernt Diego von beiden, und so empört er sich schon früh über die Gräueltaten der spanischen Kolonialherren gegen die Indianer und spürt den inneren Konflikt seiner Abstammung.

Im Alter von fünfzehn Jahren verlässt Diego die Heimat, um in Barcelona "europäischen Schliff" zu erhalten. Spanien krümmt sich unter der Fremdherrschaft Napoleons, und schon bald tritt Diego unter dem Namen "Zorro" (spanisch: Fuchs) einem Geheimbund bei, der sich zum Ziel gesetzt hat, Gerechtigkeit zu suchen. Doch ist es nicht allein die Gerechtigkeit, die Diego zu tollkühnen Taten treibt, sondern auch seine Liebe zu der schönen Juliana de Romeu...

Der 440 Seiten lange Roman ist aus der Ich-Perspektive von Julianas jüngerer Schwester Isabel geschrieben, die eng mit Diego befreundet ist und ihn sogar heimlich liebt. Dabei bleibt der Stil im Allgemeinen sachlich und wenig dramatisch. Nur an wenigen Stellen gibt die Erzählerin zu erkennen, dass die fiktive Geschichte aus ihrer Sicht berichtet wird. Erzählt werden in fünf Teilen die Jahre 1790 bis 1815, also die erste Lebensphase Zorros bis zum Beginn seines Wirkens in Kalifornien. Abgerundet wird die Geschichte durch einen Epilog, der die weitere Entwicklung der Personen anreißt.

Die Figur des Peitschenhelden ist frei erfunden. Der Amerikaner Johnston McCulley erschuf sie im Groschenroman "The Curse of Capistrano", der 1919 im Magazin All-Story Weekly erschien. Nach der erfolgreichen Verfilmung im Jahr 1920 wurde der Roman neu unter dem Titel "The Mark of Zorro" aufgelegt. McCulleys Zorro ist ein klassischer Robin Hood-Held, der ein Doppelleben führt: Während er tagsüber als unscheinbarer und feiger Landedelmann Don Diego de la Vega ein geruhsames Leben führt, verwandelt er sich nachts im schwarzen Umhang und mit Augenbinde zum Rächer des Volkes.

Isabel Allende, bekannt vor allem durch "Das Geisterhaus", hat sich in ihrem jüngsten Roman der Vorlage McCulleys zwar angepasst, die Geschichte aber persönlich ausgeschmückt. So setzte sie auf einfühlsame Weise einen Schwerpunkt auf die Lebensweise der Indianer und beschreibt ihre Leiden unter den spanischen Kolonialherren. Besonders durch die Figuren der Mutter, Großmutter und Diegos indianischem "Milchbruder" Bernardo werden dem Leser die Traditionen und Riten der Ureinwohner Amerikas vermittelt. Allende verwendet immer wieder eine poetisch anmutende Sprache, durch die sie den Einklang von Mensch, Natur und Tier verdeutlicht: "Doch ihre Begegnung mit dem Tod hatte ihr die Frische mit einem Tatzenhieb aus dem Gesicht gewischt."

"Zorro" ist zwar spannend geschrieben, doch fehlt dem Roman ein echter Spannungsbogen. Immer wieder wird der Leser "um Geduld gebeten", und die Ich-Erzählerin verkündet für die Zukunft tollkühne Taten der Heldenfigur. Seine Abenteuer scheinen jedoch austauschbar, alle sind Facetten von Kämpfen und Befreiungsaktionen. Natürlich liegt dies auch daran, dass sich die Autorin mit Zorros Jugend befasst, seiner Kindheit und seinem Aufenthalt in Spanien, bis er wieder nach Kalifornien zurückkehrt. Denn: "Die eigentliche Heldengeschichte von Zorro, die seinen Ruhm in der ganzen Welt begründete, fängt ja dort erst an.

"Zorro" ist ein interessanter und kurzweiliger Roman, den der Leser schnell verschlingen wird, aber die magische Aura eines "Geisterhauses" fehlt ihm leider. Gemessen an einem enormen Werbeaufwand des Suhrkamp-Verlages mit Anzeigen, aufwändigen Plakatierungen und sogar Fernsehspots blieb das Buch ein Flop. "Zorro" hielt sich gerade mal acht Wochen in der Spiegel-Bestsellerliste. Schade, denn das Buch ist nicht schlecht, aber von einer Isabel Allende hätte sich der Leser mehr erwartet.

Nikola Poitzmann



Hardcover | Erschienen: 01. Juni 2005 | ISBN: 3518416707 | Preis: 22,80 Euro | 440 Seiten

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