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 Kaiser Wilhelm II. und seine Zeit


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
"Kaiser Wilhelm II. und seine Zeit" - Das bedeutet Tradition und Moderne, Altbewährtes und Fortschritt. Denn Wilhelm II. war eben zugleich ein Herrscher, der sich zum einen dem preußischen Erbe verpflichtet fühlte und zum anderen gerade technischen Neuerungen sehr aufgeschlossen war. Nicht umsonst wird er häufig auch als einer der ersten Medienstars bezeichnet. Mit Vorliebe präsentierte er sich mit Hilfe der "neuen" zeitgenössischen Medien. Fakt ist jedoch auch, dass Wilhelm II. jenseits dieser öffentlichen Auftritte weit weniger galant wirkte.


Auch heute, fast 100 Jahre nach seiner Abdankung und 75 Jahre nach seinem Tod, bleibt er eine schillernde, facettenreiche Figur und völlig widersprüchlich.


Ganz im Zeichen dieser Ambivalenz steht der vorliegende Band, welcher Ergebnis einer Vortragsreihe aus dem Jahre 2014 ist. So beschäftigt sich dieser beispielsweise sowohl mit der oben beschriebenen Technikbegeisterung des Kaisers als auch mit dem in der Öffentlichkeit dargebotenen medialen Zerr- beziehungsweise Wunschbildes des Kaisers. Kritisch hinterfragt wird zudem das "wilhelminische Wirtschaftswunder", die Rolle des Hofes beziehungsweise der Hofgesellschaft und selbst die geläufige Bezeichnung als "Medienkaiser". Nicht zuletzt findet sich in den Beiträgen auch der Veranstaltungsort, Wilhelms Sommerresidenz Schloss Homburg, welche nicht nur am Vorabend des Ersten Weltkrieges in den Blick der Weltöffentlichkeit rückte, sondern auch einen Einblick in den "Mikrokosmos kaiserlicher Wohnkultur" bietet.

Die vierzehn Beiträge des Bandes zeichnen ein vielschichtiges Bild des wilhelminischen Zeitalters, in dem der Kaiser natürlich höchstpersönlich die Hauptrolle einnahm. Denn dieser wirkte gerade aufgrund der extensiven Ausnutzung der "neuen" Medien nahezu omnipräsent. Doch ist es ein Kennzeichen des Bandes derartige gängige Deutungsmuster kritisch zu hinterfragen, indem zum Beispiel auch die "Grenzen und Fallstricke der kaiserlichen Bildmacht" aufgezeigt werden. So relativiert der Band manche gängige Ansicht wie die kaiserliche Technophilie, die auf weitaus weniger Fachwissen fußte, als dies bisher angenommen wurde. Zugleich zeigt sich aber auf der anderen Seite, dass der Kaiser durch aktive Einflussnahme den technischen Fortschritt auch mitbestimmte. Ein Vorzug des Bandes ist sicherlich - wie oben bereits angedeutet - der perspektivenreiche Zugang, der neben der politischen Dimension auch wirtschaftshistorische, gesellschafts-, kunst-, technik- und erinnerungsgeschichtliche Aspekte eröffnet.


Wenn nicht wenige Zeitgenossen und nicht zuletzt Angehörige der Hofgesellschaft sein Interesse für Technik hervorhoben, dann nicht, weil dieses so besonders ausgeprägt war, sondern weil eine nähere Beschäftigung für Personen seines Standes außergewöhnlich war.


Anzumerken ist dem Band in jedem Fall sein universitärer Hintergrund, was zum einen in den speziellen Fragestellungen seinen Ausdruck findet, zum anderen aber auch in dem gehobenen Sprachduktus, der in den schwächeren Momenten vereinzelt in nichtssagenden Verklausulierungen verkommt. Bisweilen mäandern die Ausführungen auch etwas ziellos umher wie in Helmut Börsch-Supans Darlegungen zur "Malerei in Deutschland 1871 bis 1914", der scheinbar wahllos zwischen den Künstlern Adolph Menzel, Anton von Werner und Lovis Corinth sowie einigen anderen mehr umherspringt. Vielleicht ist dies auch das Grundproblem des Bandes, da auch die vierzehn Beiträge bei aller Vielfalt etwas zusammengewürfelt erscheinen und eine größere inhaltliche Gesamtausrichtung vermissen lassen. Unter "Wilhelm II. und seine Zeit" lässt sich eben viel fassen. So greift der Band mosaikartig einzelne thematische Aspekte auf, die im Einzelnen interessante Perspektiven eröffnen, ohne dabei den Anspruch zu verfolgen, die wilhelminische Epoche als solche umfassend zu darzulegen.

Aufgrund der zahlreichen qualitativ hochwertigen Abbildungen, die neben zeitgenössischen Aufnahmen auch die architektonischen Hinterlassenschaften der wilhelminischen Ära ins Bild rücken, ist der Band jedoch in jedem Fall sehenswert.

FAZIT: Ein breit gefächerter Band, der viele interessante Perspektiven eröffnet und so mosaikartig einzelne Steinchen zu einem besseren Verständnis Wilhelms II. und der von ihm geprägten wilhelminischen Epoche hinzufügt, ohne dabei jedoch ein inhaltliches Gesamtkonzept zu münden.

Weitere Informationen zum Buch finden sich auf der Webseite des Verlags.

Matthias Jakob Schmid



Hardcover | Erschienen: 30. Mai 2016 | ISBN: 9783795431044 | Preis: 34,95 Euro | 360 Seiten | Sprache: Deutsch

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