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 Die unsichtbare Meile

Autoren: David Coventry
Übersetzer: Volker Oldenburg
Verlag: Insel

Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Tour de France, 1928. Fast fünftausendvierhundert Kilometer sollen die Radprofis auf den 22 Etappen zurücklegen, die sie, oft auf gefährlichen Pflasterstraßen, durch verschiedenste Regionen Frankreichs führen wird – nicht zuletzt durch die Pyrenäen. Es gibt keine Gangschaltung, sodass die Fahrer ihre Übersetzung gegebenenfalls von Hand ändern müssen. Auch reparieren sie ihre Räder selbst. Von 162 Startern bleiben am Ende nur 41 Fahrer übrig.

Mit dabei ist zum ersten Mal ein australisch-neuseeländisches Team um den bekannten Fahrer Hubert Opperman, das die Tour deutlich internationaler macht. Zu Oppermans Helfern gehört der fiktive Ich-Erzähler, der während der langen Stunden im Sattel und danach den Leser an seinen Gedanken teilhaben lässt, an seinen Leiden und seiner persönlichen Geschichte.

Als Hubert Opperman mit seinem Team die Tour de France von 1928 beginnt, begleiten ihn drei weitere Radprofis: zwei Australier und ein Neuseeländer. Das Quartett steht im Zentrum von David Coventrys Buch. Ergänzt wird es um ein fiktives fünftes Mitglied, das aus der Ich-Perspektive heraus erzählt und recht authentisch wirkt im Kreis der realen Figuren.

Es geht um die Qual während der langen und mit den damaligen, aus unserer Sicht plumpen Rennrädern mühsamen Etappen, um schreckliche Stürze, um die Aufarbeitung einer komplexen Familiengeschichte mit engen Bezügen zum Ersten Weltkrieg, um die Symbiose innerhalb des Teams, um die Liebe, um wilde Abende im Anschluss an die Etappen und alles andere, was während solch einer ständig an die körperlichen und psychischen Grenzen führenden Unternehmung an Bedeutung gewinnt (oder verliert). Nicht zuletzt kämpft der Ich-Erzähler mit einer großen Schuld.
Vor, während und nach den Fahrten wird großzügig eingeworfen, was immer eine Leistungssteigerung oder Schmerzlinderung verspricht, von Amphetaminen und Alkohol über Äther und Kokain bis zum Opium, um nur einige Mittelchen zu nennen – dies gehörte damals tatsächlich in aller Selbstverständlichkeit dazu. Der Ich-Erzähler kämpft und leidet mit seinen Teamkollegen, die letztlich zu schwach sind, um "Oppy" Opperman zu einem der vorderen Plätze zu verhelfen. Vor allem als er sich dem im erst kurz zurückliegenden Weltkrieg umkämpften Osten Frankreichs nähert, nehmen ihn die Dramen seiner eigenen, direkt und indirekt am Krieg beteiligten Familie immer mehr gefangen.

Als Resultat hält der Leser eine Art Roadmovie in seinen Händen. Wild geht es zu und dann auch wieder beschaulich, als roter Faden dient die sukzessive Ableistung der Etappen, der Autor zappt zwischen den unterschiedlichsten Stimmungen hin und her, das Buch steht unter Strom wie ja auch der Ich-Erzähler, der nach Antworten auf Fragen sucht, die der Krieg aufgeworfen hat.
Nicht ganz klar erscheint die Zielgruppe: Für Radsportfans enthält das Werk zu viel Vergangenheitsbewältigung, für Freunde von Entwicklungs- und Familienromanen zu viel drogengeschwängertes Gekurbel am Rand des körperlichen Zusammenbruchs; insgesamt geht auch vieles von der Dramatik einfach am Leser vorbei. Trotzdem ist der Roman irgendwie gut.

Eine Leseprobe wird auf der Verlagsseite angeboten.

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 16. Mai 2017 | ISBN: 9783458177012 | Originaltitel: The Invisible Mile | Preis: 22,00 Euro | 366 Seiten | Sprache: Deutsch

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