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 Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien

Autoren: Georges Simenon
Regisseure: Wolfgang Stockmann
Sprecher: Walter Kreye
Übersetzer: Gerhard Meier
Verlag: Der Audio-Verlag

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton
Maigret hat dienstlich in Brüssel zu tun. Als ihm in einem Café ein Mann auffällt, der sich etwas sonderbar verhält, folgt er ihm neugierig bis nach Bremen. Er hat zwischenzeitlich sogar in der Absicht, einen Streich zu spielen, den gleichen Koffer wie der Fremde erstanden und vertauscht die beiden Gepäckstücke unterwegs. In Bremen mietet er sich im selben Hotel ein wie der andere, im Nachbarzimmer, und beobachtet durchs Schlüsselloch, wie sein unfreiwilliger Reisegefährte den Koffer öffnet – und sich sofort erschießt, als er erkennt, dass dieser nicht den vorgesehenen Inhalt aufweist.

Damit hat Maigret nicht gerechnet, zumal der bei ihm verbliebene Original-Koffer nur ein paar alte Kleidungsstücke enthält. Bestürzt und mit schlechtem Gewissen nimmt er zusammen mit der deutschen Polizei die Ermittlungen auf. Diese führen ihn zunächst nach Frankreich und schließlich nach Lüttich, wo er auf ein schon lange zurückliegendes Verbrechen stößt, das offensichtlich eng mit seinem eigenartigen Fall verknüpft ist. Und seit seinem Aufenthalt in Bremen gibt es einen Mann, der ihm ständig begegnet, immer einen Schritt voraus zu sein scheint und emsig Indizien und Beweise entfernt. Da Maigret nicht aufgibt, steht bald sein Leben auf dem Spiel.

Neugier und ein gewisser Schalk verleiten Maigret zu einem Schabernack, der dazu führt, dass sein "Opfer" sich augenblicklich selbst tötet, als der scheinbar kleine Schwindel auffliegt. Georges Simenon gelingt es gut, einerseits den etwas eigenwilligen Antrieb seines Kommissars zu diesem "Spiel" nachvollziehbar zu machen, zum anderen aber auch Maigrets Gewissensnöte nach dem Selbstmord aufzuzeigen, die als wesentliche Motivation dazu dienen, den eigentümlichen Fall aufzuklären. Dass es sich um einen solchen handelt, wird spätestens klar, als die Kleidung im Originalkoffer untersucht wird.

Simenon, Meister der abgründigen Seelenlandschaften, der Stimmungen, der kunstvoll ausgelegten und wieder zusammengeführten Fäden und einer meist eher latenten, doch allgegenwärtigen Spannung, legt mit "Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien" einen atmosphärisch dichten Kriminalroman vor, der jugendlichen Leichtsinn mit bösen Folgen, nicht aufgearbeitete Traumata und unterschiedliche Verdrängungsmechanismen als Kernthemen hat und Maigret als hartnäckigen Ermittler, doch auch als Kommissar mit gesundem Menschenverstand, Mitgefühl und der Fähigkeit zum Abwägen zwischen dem juristisch Möglichen und dem sozial Sinnvollen präsentiert.

Walter Kreye erweist sich als großartige Identifikationsfigur. Der Sprecher agiert ruhig und unaufgeregt, passend zur Grundstimmung des Romans, nimmt aber die von Simenon vorgegebenen subtilen Spannungskurven geschickt auf und lässt auch die Wärme nicht missen, die zu Maigret gehört: So erfährt der Hörer dessen Balanceakt zwischen sauberer Polizeiarbeit und menschlichen Abwägungen ganz unmittelbar.

Reinhören ist auf der Verlagsseite möglich.

Regina Károlyi



CD | CD-Anzahl: 4 | Erschienen: 20. September 2019 | ISBN: 9783742412249 | Laufzeit: 270 Minuten | Originaltitel: Le Pendu de Saint-Pholien | Preis: 16,99 Euro | Sprache: Deutsch

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