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 Acht Tage im Mai

Die letzte Woche des Dritten Reiches

Autoren: Volker Ullrich
Verlag: C. H. Beck

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Zwar hatte sich für objektive Betrachter schon lange abgezeichnet, dass der Krieg für Deutschland nicht zu gewinnen war, doch weite Teile der Bevölkerung wollten dies auch im Frühjahr 1945 noch nicht wahrhaben.
Selbst nach Hitlers Selbstmord am 30. April erfolgte nicht unmittelbar die Kapitulation. Eine Woche lang zog sich die Agonie des Dritten Reichs hin - eine Woche, in der sich vielerorts die Ereignisse überschlugen.

Volker Ullrich stellt nun eine Art Tagebuch dieser bewegten acht Tage vor. Jedem Tag gilt ein Kapitel, das wiederum diverse Geschehnisse aufgreift, die entweder von Bedeutung für die weitere Geschichte sind, rückwirkend als Abschluss eines Abschnitts des Krieges betrachtet werden können oder aus anderer Sicht interessieren, etwa, wenn es um Beutekunst geht, um ein Treffen von Marlene Dietrich mit ihrer in Deutschland gebliebenen Schwester oder den Besuch Klaus Manns in seinem Elternhaus im zerstörten München.

Im Prolog, der beim 30. April angesiedelt ist, werden bereits wegweisende Ereignisse betrachtet, darunter neben Hitlers Tod der Sturm auf den Reichstag, die Befreiung des Konzentrationslagers Dachau und – kurzfristig womöglich am bedeutsamsten – der Antritt von Hitlers Nachfolge durch Großadmiral Dönitz. Die nachfolgenden Tage beleuchtet der Autor aus der Perspektive der mit Befugnissen ausgestatteten aktuellen politischen und militärischen Akteure, jedoch auch jener der Zukunft, denn in diesen Tagen entschied sich auch das Schicksal späterer Staatschefs wie Ulbricht, Brandt und Adenauer.

Massenselbstmorde wie im kleinen Ort Demmin, -vergewaltigungen und die Reaktionen der Deutschen auf die anrückenden Besatzer sind ebenso Themen wie der Aufstand in Prag mit den anschließenden "wilden Vertreibungen" von Deutschen aus Tschechien, die Problematik der "Displaced Persons" oder auch die Wiedergründung der SPD. Und immer wieder sinnlose Todesmärsche. Schließlich, am 8. Mai, beendet die Wiederholung der am Vortag in Reims unterzeichneten bedingungslosen Kapitulation in Berlin für Deutschland endgültig den Krieg, die Regierung Dönitz tritt zurück. Aber es beginnt auch die lange verteidigte Legende von der "sauberen Wehrmacht". Und mancher Akteur beginnt, sich reinzuwaschen.

Im Epilog befasst sich Ullrich vor allem mit dem Maianfang als Ende und Anfang in einem, einschließlich der Schwierigkeiten der Deutschen, sich der Geschichte jener zwölf Jahre unter Hitler zu stellen.

"Acht Tage im Mai" präsentiert ein facettenreiches Porträt der Woche nach Hitlers Selbstmord. Ganz anders als in einem klassischen Geschichtsbuch reihen sich hier Schlaglichter aus den unterschiedlichsten Richtungen aneinander, viele freilich mit zum Verständnis ihrer Bedeutung erforderlichen Rückblenden und Vorausschauen verknüpft. Volker Ullrich weiß zu erzählen – sachlich, dennoch fesselnd und bisweilen auch verstörend. Dass nicht nur die Aktionen der Regierung Dönitz, der Alliierten und einiger Befehlshaber von Heeresteilen (mit der Bemühung um Separatfrieden) dargestellt werden, die natürlich für den eigentlichen Prozess der Kapitulation von wesentlicher Bedeutung waren, macht den Reiz und den Wert dieses Buchs aus: Der Leser vermag nach der Lektüre gut zu verstehen, in welchem Chaos der Auflösung sich Deutschland befand, welche komplexen und bisweilen auch grotesken Dynamiken sich entluden und wie die Saat sowohl für den sich anschließenden langen Frieden im Großteil Europas als auch für Legenden, fortwährende Ressentiments in Teilen der Bevölkerung und nicht zuletzt für den Kalten Krieg ausgebracht wurde.

Einige Fotos ergänzen die Texte, darunter ein paar bekannte wie jenes von den amerikanischen Soldaten, die das Ortseingangsschild der "Hauptstadt der Bewegung" München abmontiert haben.
Über sechzig Seiten Anhang mit einem umfangreichen Quellenverzeichnis zeigen auf, welch umfangreiche Recherchearbeit der Autor geleistet hat. Es resultiert ein sehr lesenswertes Buch, das neben der großen Bühne auch die kleinen Schauplätze betrachtet und einen differenzierten Blick auf jene schicksalhaften Tage ermöglicht.

Eine Leseprobe wird auf der Verlagsseite angeboten.

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 17. Februar 2020 | ISBN: 9783406749858 | Preis: 24,00 Euro | 317 Seiten | Sprache: Deutsch

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