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 Ra

Autoren: Reiner Knizia
Verlag: Alea

Cover
Gesamt +++++
Aufmachung
Glück
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Spielregel
Strategie


Jeder Spieler übernimmt die Rolle einer ägyptischen Dynastie, die durch die drei großen Epochen des alten, mittleren und neuen Reichs geführt werden will. Dabei muss Einfluss beim Sonnengott Ra geltend gemacht werden, um Monumente zu bauen, Pharaonen für sich zu gewinnen, seine Zivilisation weiter zu entwickeln oder sich am Nil anzusiedeln. Dazu ist freilich recht viel Fantasie erforderlich, handelt es sich bei "Ra", wie für den Mathematiker Knizia typisch, vielmehr um ein technisch ausgefeiltes Spiel, bei dem die Verknüpfung des Szenarios mit der Spielmechanik recht lose ist - siehe auch "Euphrat & Tigris", dem neben "Ra" bei Zockern beliebtesten Knizia-Titel. So muss man in diesem Spiel um Plättchen aus bestimmten Bereichen bieten, die es geschickt zu sammeln gilt, um möglichst viele Punkte zu machen. Das hat dann mit ägyptischen Dynastien und Göttern schon nicht mehr ganz so viel zu tun …

Zu Beginn erhält jeder Spieler eine bestimmte Anzahl von Sonnensteinen, die Werte von eins bis sechzehn besitzen und, wenn man so will, sein "Geld" darstellen, denn mit ihnen bietet er in "Ra" um die begehrten Plättchen. Wenn man dran ist, hat man drei verschiedene Aktionsmöglichkeiten: ein neues Plättchen aufdecken, eine Versteigerung starten oder ein Götterplättchen verwenden. Meistens werden die Spieler aus dem großen Haufen der Plättchen ein neues ziehen und auf den in der Mitte liegenden Spielplan legen, wodurch sich dort nach und nach immer mehr Plättchen ansammeln. Diese Plättchen sind mit Piktogrammen von Pharaonen, Monumenten, Nilufern, Zivilisationsentwicklungen und vielem mehr bedruckt, wobei man in möglichst allen Bereichen Plättchen sammeln sollte.
Wenn ein Spieler eine Versteigerung ausruft oder ein Ra-Plättchen gezogen wurde, kann jeder Spieler einmal ein Gebot mit einer seiner Sonnen abgeben. Derjenige, der das höchste Gebot gemacht hat, legt die entsprechende Sonne in die Mitte des Spielplans und nimmt sich sämtliche dort liegenden Plättchen, die er vor sich entsprechend sortiert. Dabei kann es passieren, dass er ein Katastrophenplättchen aufnehmen muss, welches zwei seiner dazu korrespondierenden Plättchen zerstört. Zusätzlich zu den Plättchen bekommt der Spieler noch die Sonne, die vorher in der Mitte gelegen hat. Je höher der Wert der Sonne, die dort liegt, desto attraktiver ist eine Versteigerung, kann man doch diese Sonne nach der nächsten Wertung zum Bieten verwenden. Da jeder Spieler nur drei Sonnen besitzt (vier bei drei Spielern), kann man höchstens dreimal in einer Epoche Plättchen und Sonnen ersteigern, der Handlungsspielraum ist also knapp.
Am Ende einer Epoche, welches dann eintritt, wenn alle Spieler alle ihre Sonnen für diese Runde verbraucht haben oder wenn eine bestimmte Zahl von Ra-Plättchen aufgedeckt wurde, gibt es eine Wertung. Wer jetzt beispielsweise die meisten Pharaonenplättchen gesammelt hat, bekommt fünf Pluspunkte, wer die wenigsten hat, zwei Minuspunkte. Für jedes Nilplättchen bekommt man einen Punkt, vorausgesetzt, man kann mindestens eine Überschwemmung vorweisen. Hat man kein Zivilisationsplättchen, bekommt man fünf Minuspunkte, besitzt man alle fünf verschiedenen, gibt es satte fünfzehn Pluspunkte. Die gesamte Wertung hier aufzuschlüsseln wäre zu umfangreich, wichtig ist nur, dass jeder der Bereiche auf eine andere Art gewertet wird, was beim Sammeln entsprechend beachtet werden muss und das Spiel so sehr abwechslungsreich macht.
Nach einer Wertung dürfen alle Spieler ihre ersteigerten Sonnen wieder umdrehen und in der kommenden Runde verwenden - wohl dem, der vorher bei hohen Werten den Zuschlag erhalten hat! Nach drei Epochen endet das Spiel mit der dritten Wertung. Erst jetzt werden auch die vielen Monumente ausgewertet, die die Spieler die ganze Zeit über gesammelt haben, was ordentlich Punkte bringt und leicht den das Spiel entscheidenden Ausschlag geben kann. Als letzten Kniff bekommt der Spieler mit der niedrigsten Summe seiner aktuellen Sonnenwerte fünf Punkte abgezogen und der mit der höchsten nochmals fünf hinzugefügt. Der mit der höchsten Punktzahl gewinnt.

Wenn es um Spielregeln geht, dann macht dem Alea-Verlag keiner etwas vor. So perfekt strukturierte Regeln mit massig Bildern, Beispielen und einer gleichzeitigen Zusammenfassung findet man sonst nur selten. Der ohnehin schon relativ simple Mechanismus von "Ra" wird dadurch noch einfacher, bereits nach einem Lesen der Anleitung dürften keine Fragen mehr auftauchen. Lediglich zum Aufteilen der Startsonnen für die Spieler muss man das Heft noch zur Hand nehmen. Exzellent!
Der Bietmechanismus und das Plättchensammeln mögen an sich kaum mit dem alten Ägypten verknüpft sein, sind dafür aber leicht zu verstehen und stellen praktisch keine Hürde dar. Am komplexesten in "Ra" ist ohne Frage das Punktesystem, nach dem man sich beim Sammeln der Plättchen ja ausrichten muss. Dafür stehen auf dem Spielbrett zwei kurze, eindeutige Hilfen, die klipp und klar erläutern, wie die einzelnen Plättchensorten nach einer Runde zu werten sind, zusätzlich zu der Information, wie viele der entsprechenden Plättchen im Spiel enthalten sind. Eine tolle Hilfe, vor allem für Anfänger.
"Ra" macht es einem also denkbar einfach, das Spiel zu erlernen. Dennoch wird man bei den ersten Spielen noch einige Fehler machen, vor allem wird gerne vergessen, dass man beim Bieten neben den ausliegenden Plättchen auch eine Sonne für die nächste Runde bekommt, mit der man dann bieten muss. Nicht selten steht dann ein Spieler auf einmal mit drei sehr niedrigen Werten und extrem eingeschränktem Handlungsspielraum da, weswegen er das Spiel freilich noch nicht als verloren betrachten muss. Deswegen macht "Ra" schon beim ersten Mal Spaß, aber man lernt Partie für Partie, seine Aktionen lohnender einzusetzen und die Konkurrenz geschickt auszustechen. Da mit dem regelmäßigen Plättchenziehen ein relativ starkes Zufallselement im Spiel vorhanden ist, lässt sich keine sichere Strategie verwenden. Daher muss man vor allem lernen, gut abzuschätzen, wie man mit bestimmten Situationen am besten umzugehen hat. Da sich jede "Ra"-Partie anders spielt, lernt man wahrscheinlich nie aus.

Plättchen über Plättchen … Reiner Knizias anderer Erfolg "Euphrat & Tigris" beinhaltete ebenfalls genau das. 180 Plättchen liegen "Ra" bei, aus relativ stabiler Pappe gefertigt. Sie alle sind mit sehr stimmigen Bildern bedruckt, die das ägyptische Setting dort transferieren, wo es die Spielmechanik nicht schafft. Die Bilder sind dabei immer eindeutig zuzuordnen, nie verwechselt man eine Plättchensorte mit der anderen, alles ist intuitiv erkennbar.
Auf dem Spielplan führt sich diese optische Stimmigkeit fort, dort ist alles mit ägyptischen Hieroglyphen und korrekt recherchierten Gottheiten ausgeschmückt. Für den eigentlichen Spielablauf ist der Plan theoretisch überflüssig, aber einerseits optisch sehr ansehnlich und bietet andererseits viele nützliche Hilfestellungen.
Weiterhin liegen dem Spiel viele so genannte "Stelen" bei, kleine Tafeln aus Pappe, die die zu vergebenden Punkte darstellen, sowie die sechzehn Sonnen und eine den Sonnengott Ra darstellende Figur, beides aus Holz, alles perfekt in das ägyptische Thema passend.
Der Karton bietet ein großes und sechs kleinere Fächer für die vielen Bestandteile des Spiels, was völlig ausreicht, um die Stelen von den Plättchen zu trennen. Ordnung muss in diesem Karton ansonsten keine herrschen.

Fazit:
"Ra" ist eins der wenigen Spiele, die stark vom Zufall abhängig sind, dabei doch eine durchdachte Vorgehensweise erfordern und von beidem die besten Eigenschaften integrieren, wodurch sich weder Gelegenheitsspieler noch Zocker kompromittiert fühlen. Die Regeln sind einfach, das Setting ist in sich höchst stimmig, die Ausstattung passt wie die Faust auf’s Auge und die Länge einer Partie ist genau richtig. Dadurch ist "Ra" ein ideales Spiel, um Viel- und Wenigspieler zu Runden zu vereinen, an denen alle ihren Spaß finden. Mehr als ein cleveres Abwägen des richtigen Zeitpunkts braucht es bei "Ra", neben einem kleinen bisschen Glück, nicht, um das Spiel zu gewinnen - dieses Abwägen will aber freilich gelernt sein, weswegen sich durchaus zwischen guten und schlechten "Ra"-Spielern unterscheiden lässt. Dafür muss man aber nicht ewig komplexe Beziehungen zwischen den einzelnen Komponenten auswendig kennen und den exakten Effekt einer Aktion auf den Ausgang des Spiels feststellen wie bei Komplexitätskrachern der Marke "Puerto Rico oder "Caylus".
Die Wartezeiten in "Ra" sind zudem auch noch sehr gering, wird doch meist nur ein Plättchen gezogen und schon ist der nächste Spieler dran. Wenn man mal alle seine Sonnen in einer Runde losgeworden ist, muss man zwar schon ein wenig warten, aber selbst das nie lange, dauert doch das ganze, über drei Epochen gehende Spiel höchstens eine Stunde. Eine sehr spannende Stunde, denn die Unabwägbarkeit der Mitspieler, das Zufallselement der Plättchen und mitunter rasant sich dem Ende zuneigende Epochen sorgen einerseits für Aufregung am Spieltisch, andererseits vor allem dafür, dass tatsächlich jede Partie von "Ra" anders aussieht. Nicht zuletzt deswegen ist es ein Spiel, was in jeder Spielrunde gerne gesehen werden wird.
Mittlerweile wird "Ra" leider nicht mehr aufgelegt, bei eBay darf man aber gut und gerne 35 Euro für ein unbenutztes Exemplar dieses beliebten Spiels hinlegen. Für die Komponenten ist das ein wenig viel, wenn man aber zu günstigeren Konditionen an diesen Titel heran kommen kann, sollte man die Gelegenheit unbedingt wahrnehmen - es lohnt sich!

Julius Kündiger



Brettspiel | Erschienen: 01. Januar 1998 | FSK: 12 | ISBN: B0002HWRP2 | Preis: 35 Euro

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