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 Die andere Bildung


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Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


Seit den Anfängen der modernen Naturwissenschaften, anzusiedeln bei Kopernikus, Newton, Galilei, Kant und Bacon - unter Zuhilfenahme der Erkenntnisse der Griechen aus vorchristlicher Zeit (Leukipp, Demokrit, Aristoteles) -, gilt den Menschen der Begriff Bildung als den Geisteswissenschaften vorbehalten. Der "große Schwanitz", Standardwerk der "Bildungsbürger", geht auf Erkenntnisse von Physik, Chemie und Biologie gar nicht erst ein - er hält sie schlicht für nicht zur Bildung gehörig.
Auch in moderner Zeit gilt es als völlig normal, die Naturwissenschaften zu missachten. Kenntnisse der Quantenmechanik, Molekularbiologie, Thermodynamik, Genforschung und Astrophysik sind etwas für Fachleute und "Fachidioten". Literatur, Kunst, Musik und Geschichte sind der Kanon der Wissensfächer, alles andere ist unnötig und kann belächelt werden.
Mit diesem weit verbreiteten Vorurteil muss aufgeräumt werden. Eine solide Kenntnis der Naturwissenschaften ist in der heutigen Zeit unabdingbar und notwendig. Die bahnbrechenden Forschungsergebnisse von Albert Einstein, Max Planck, Nils Bor, Max Delbrück, Ernst Schrödinger, James Dewey Watson und Francis Crick müssen bekannt und gewusst werden.
Eine fundierte Analyse ihrer Erkenntnisse sollte zu einem neuen, umfassenderen Weltbild führen, das die Naturwissenschaften als einen wichtigen Baustein beinhaltet.

Diese Sicht vertritt Ernst Peter Fischer, der Autor von "Die andere Bildung". Er versucht in einem wahren Mammutwerk die Anfänge dieser Wissenschaften bis zur aktuellen Situation erschöpfend zu beleuchten. Von Hause aus Mathematiker, Physiker, Biologe und Wissenschaftsgeschichtler hat er das Rüstzeug und offensichtlich auch die notwendigen Kenntnisse, um dem Leser dies zu erläutern.
Dieses Werk - bereits in Schriftform viel von seinem Rezipienten verlangend - liegt nun als Hörbuch vor. Auf sage und schreibe acht CDs mit einer Laufzeit von 565 Minuten (seltsamerweise vermerkt amazon nur vier CDs) werden komplexeste Zusammenhänge, tiefschürfendste Aussagen und eine solche Fülle an Inhalten abgehandelt, dass es dem Hörer schwindelig wird.
Positiv ist in diesem Zusammenhang die Leistung des Sprechers. Ihm gelingt es zu jeder Zeit, die wirklich schwierigen Textpassagen akzentuiert und mit klarer Betonung zu vermitteln. Achim Höppner hat es aber nicht leicht. Manche der Gedankengänge, die nicht das kleinste Nachlassen der Konzentration erlauben, sind fünf, manche Herleitungen gar zehn Minuten lang. Der Hörer darf in dieser Zeit nicht für zehn Sekunden die Aufmerksamkeit absinken lassen, sonst ist die gesamte komplexe Erklärung unnütz und kann nicht mehr nachvollzogen werden. Da eine solche CD-Version nicht dazu einlädt ständig einzelne Passagen zu wiederholen und nochmals zu hören, muss der Inhalt sofort verstanden werden. Dies gelingt nicht immer. Zwar verzichtet der Autor auf Formeln und gar zu komplexe Sätze, aber allein durch die Länge der einzelnen Sätze, der Abschnitte und Kapitel, ist es teils unmöglich, genau nachzuvollziehen, worauf der Autor hinaus will. Da es eine Eigenart des Autors ist, immer wieder einen Gedankengang zu unterbrechen und einen Einschub ausufernd zu beleuchten, ehe er wieder zum Ausgangspunkt der Überlegungen zurück kommt, kann die "Lektüre" (in diesem Fall der Hörgenuss) anstrengend bis überfordernd sein.
Neben dem eloquenten und beeindruckend versierten Versuch, die gesamte Naturwissenschaft in seiner Gänze verständlich zu machen, ist es gerade die Detailfreude und hochnotpeinlich genaue Darstellung von Fischer, die einem Verständnis oft zuwiderläuft. Ob es die Herkunft der Wörter, ihre Bedeutung oder die immer wieder anklingende Begeisterung des Autoren für die Erkenntnisse der Forscher ist - sie ist zu ausführlich, zu genau und zu komplex.
Wer nicht über ein gerüttelt Maß an Vorkenntnissen verfügt, ist schnell verloren. Die versierte Darstellung Fischers steht einem Nachvollziehen so oft im Weg, dass einzelne Passagen des Hörbuches zu einer sehr anstrengenden Lehrstunde werden können.
Verfügt man aber einige naturwissenschaftliche Kenntnisse, ist die Zusammenstellung und Herleitung Fischers brillant. In keinem einzigen Buch über die Geschichte der Naturwissenschaften habe ich eine derartige Fülle an verwertbaren Informationen gefunden wie in Fischers Hörbuch. Selten ist in einer solch fließenden Textform, einer solchen Eloquenz und Klarheit über die Naturwissenschaften referiert worden. Wer sich diese fast neuneinhalb Stunden anzuhören bereit ist - wohl wissend, dass dies absolute Konzentration erfordert - ist mit absoluter Sicherheit besser informiert als zuvor, kann einige der spannendsten Bereiche der modernen Forschung besser verstehen und ist umfassender in der Lage, die Welt als Ganzes zu verstehen.

Fazit: Brillant aber anstrengend, informativ aber ausufernd, spannend aber überfordernd. So lässt sich dieses gewaltige Hörbuch zusammenfassen. Unfassbar scheint mir aber auch der Preis für dieses Hörbuch zu sein. Warum der Wissensdurstige 69,95 Euro auszugeben bereit sein sollte, wenn das Buch für 9,95 Euro in den Regalen steht und den unschätzbaren Vorteil bietet, nachschlagen zu können, was man gerade nicht vollständig verstanden hat, ist mir ein Rätsel.

Stefan Erlemann



CD | CD-Anzahl: 8 | Erschienen: 1. Juni 2005 | ISBN: 3831260958 | Laufzeit: 565 Minuten | Preis: 69,95 Euro

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