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 Die Schelme von Schelm


Cover
Gesamt +----
Anspruch
Aufmachung
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Die Geschichte des Literaturpreisträgers Isaac B. Singer "The real Shlemiel", entnommen dem Band "Massel & Schlamassel und andere Kindergeschichten" ist unter dem deutschen Titel "Die Schelme von Schelm" weltbekannt. Im Jahre 1995 wurde diese Geschichte als Grundlage für einen Zeichentrickfilm verwendet. Michael Czernich verfasste dazu eine gekürzte deutsche Textversion, die mit vieunddreißig Bildern des Films versehen wurde und als "Buch zum Film" vom Franz Schneider Verlag 1996 in Deutschland erschien.

Drei Engel erhielten vor langer Zeit die Aufgabe, Intelligenz, Weisheit und Dummheit über der Welt zu verteilen. Leider platzte einem der Engel der Sack mit der Dummheit in Galizien, genau über dem Dorf Schelm. Diese hielten sich nun in ihrer grenzenlosen Dummheit für die Weisesten der Weisen.
Einer der dümmsten Bewohner des Dorfes war der Synagogendiener Schlemihl. Er hatte drei Töchter und nahm an dem Tag, an dem diese Geschichte beginnt, den Waisen Aaron an Sohnes statt bei sich auf:

Aaron und seine alte Ziege Zlateh reiten ins Dorf Schelm. Leider befindet Sarah, seine neue Stiefmutter und Frau des Synagogendieners Schlemihl, dass eine alte Ziege nicht auch noch durchgefüttert werden kann. Aaron macht sich traurig auf den Weg, seine Freundin zu verkaufen. Zur gleichen Zeit wütet der mächtige Zauberer Darko in seinem nahen Schloss über seinem düstersten Werk. Der Golem will nicht erwachen. Darko braucht das Wissen, das im Buch der Wunder verzeichnet ist. Dieses Buch befindet sich just in den Händen von Gronam, Rabbiner von Schelm. Der gibt es Schlemihl, um es zu verstecken. Nun hat Darko leichtes Spiel, das Buch an sich zu bringen, denn Schlemihl läßt sich ob seiner gewaltigen Dummheit leicht übertölpeln. Darko kann seinen Golem zum Leben erwecken und Schelm, Lubin, Warschau und dann die ganze Welt vernichten.
Einzig Aaron kann Schelm vielleicht retten. Ihm zur Seite stehen die Ziege Zlateh und ein Lahntuch, der ihm aus Versehen auf den Kopf gefallen ist. Lahntuchs sind der Zauberei mächtige, kleine Gnome. Leider aber hat dieser Lahntuch durch den Sturz sein Gedächtnis verloren und seine Zaubersprüche bringen mehr Unheil, als das sie nützen würden. Die Zeit wird knapp, denn wenn der Golem nicht vor dem Ende des Sabbats, noch ehe der dritte Stern am Himmel erscheint, vernichtet ist, lebt er ewig.

Die weise Parabel des Isaac B. Singer über Dummheit, Weisheit und Mut, die Sagen und Mythen der jüdischen Geschichtsschreibung aufnimmt und ironisch karikiert, als Zeichentrickfilm? Und in dessen Folge als "Buch zum Film?
Die Unsitte, einem Film ein Filmbuch folgen zu lassen, erleidet also nun diese intelligente Geschichte aus der Feder des Nobelpreisträgers. Und um dies alles noch zu toppen, in einer stark gekürzten, ins naive und kindliche transportierte Posse. Von der satirischen Geschichte über das "Auserwählte Volk", die Dummheit der Weisen dieser Welt und den ironisch bis sarkatischen Erklärungsansatz der jüdischen Diaspora bleibt fast nichts übrig. Alle Versatzstücke sind noch vorhanden. Ob es die Sage von der Schaffung eines Golem, des Wesens aus beseeltem Ton, ist, oder die des Lahntuch, eines zaubermächtigen Gnoms, der den Menschen aus allerlei Norlagen hilft, ist, der Film verwendet sämtliche Elemente der Originalgeschichte und das Buch zum Film erzählt die Geschichte nach. Nur simplifiziert die Erzählung sämtliche Vorgänge, lässt Sarkasmus und große Teile der Ironie fort und verbleibt in einem einfachen Abenteuer. Märchenhaft und kindlich erzählt, bar der Tiefe der Vorlage.
Dies mag in einem actionreichen Zeichentrickfilm funktionieren, in einem Buch zum Vorlesen oder für Erstleser funktioniert dies nicht. Die Geschichte, ersonnen für Erwachsene, eignet sich schlicht nicht für Kinder, sie enthält zuviele Wendungen, zuviele unverständliche Elemente und ist einer Kultur entnommen, die das Kind überfordert. Gespickt mit jiddischen Worten, jüdischen Verhaltensweisen und Normen, sind viele Elemente für Kinder fern ihres Alltags und kaum vermittelbar.
Hinzu kommen vierunddreißig Bilder des Films, die ob ihres naiven und detailarmen Zeichenstils enttäuschen. Die Personen scheinen allesamt einem albernen Disney-Film für die Allerkleinsten entsprungen zu sein. Sie agieren vor wunderschön gemalten Hintergründen. Leider passen die Bilder in keinster Weise zum Text. Sie sind reinster Anachronismus. Denn ihre freundliche und positive Ausstrahlung passt nicht zu dem armen jüdischen Dorf, den harten Zeiten und der dramatischen Geschichte. Sogar der schreckliche Golem trägt ein Lächeln und keines der Bilder nimmt die Atmosphäre der Geschichte auf. Noch viel weniger passen sie zur Intention der Geschichte von Singer - aber das ist von den Machern ja auch nicht erwünscht. Hier wurde einfach eine Vorlage genommen, zu einem albernen Kinofilm verwurstet und zu einem noch schlechteren Filmbuch verarbeitet. Kindern kann man die Geschichte kaum vorlesen, Erwachsene finden die Geschichte und noch mehr die Bilder zu albern.

Fazit: Die Geschichte von Isaac B. Singer ist nicht wiederzuerkennen. Sie wurde gekürzt, verfremdet und ins Alberne verformt. Dann versah man sie mit Bildern eines Kinder-Zeichentrickfilms und verlegte das Ganze als "Buch zum Film". Darauf kann der geneigte Leser allerdings mit Sicherheit verzichten. Empfohlen sei die Originalgeschichte von Singer - sie ist intelligent, lehrreich, spannend und sehr witzig. Das alles kann man von diesem Buch leider nicht behaupten.

Stefan Erlemann



Hardcover | Erschienen: 01. Januar 1996 | ISBN: 3505103543 | Originaltitel: The real Shlemiel | Preis: 9,99 Euro | 64 Seiten | Sprache: deutsch

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